Die anhaltenden globalen Handelskonflikte, insbesondere zwischen den USA und China, zwingen viele chinesische Unternehmen, ihre Expansionsstrategien neu zu überdenken. Als eine Reaktion auf diese Unsicherheiten prüfen derzeit mehrere große Konzerne aus China und Hongkong die Möglichkeit, sich an der Börse in Singapur zu listen. Experten sehen darin eine bedeutsame Entwicklung, die nicht nur Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen, sondern auch auf den Finanzplatz Singapur und die gesamte Region Südostasien hat. Diese Bewegung ist Teil eines größeren Trends, bei dem chinesische Firmen zunehmend auf alternative Finanzplätze setzen, um ihre Geschäftstätigkeiten zu diversifizieren und internationale Investoren anzusprechen.Der Hintergrund für diese Entwicklung ist der eskalierende Handelskrieg zwischen den USA und China.
Die hohen Zölle, die beide Seiten gegeneinander verhängt haben, werfen Schatten auf die wirtschaftlichen Aussichten vieler Unternehmen, die stark vom Export oder von internationalen Lieferketten abhängig sind. Der US-Präsident setzte unter anderem Zölle von bis zu 145 Prozent auf chinesische Importe durch, was zu erheblichen Mehrkosten und einem anhaltenden Handelsstreit führte. China reagierte mit Gegenmaßnahmen, darunter Zölle bis zu 125 Prozent auf US-Produkte. Diese Maßnahmen erschweren chinesischen Unternehmen den Zugang zu wichtigen Märkten und erhöhen die Unsicherheit im Geschäftsumfeld erheblich. In dieser Situation wird die Börse in Singapur für chinesische Firmen zu einem immer attraktiveren Alternativstandort, da sie dort Zugang zu einem stabilen politischen Umfeld und einem lebendigen Kapitalmarkt erhalten.
Singapur, bekannt als einer der führenden Finanzplätze in Südostasien, hat sich in den letzten Jahren zunehmend als Drehscheibe für internationale Investitionen etabliert. Anders als andere regionale Börsen, die häufig stark auf bestimmte Branchen oder Großunternehmen fokussiert sind, hat die Singapore Exchange Ltd (SGX) ein diversifiziertes Angebot, das auch kleiner und mittelgroßen Unternehmen Möglichkeiten bietet. Ihre Stärke liegt in einer stabilen Regulierungslandschaft, transparenter Firmenführung und besonders in der Nähe zu den wachsenden südostasiatischen Märkten. Das macht Singapur für chinesische Firmen besonders reizvoll, die in der Region Marktanteile gewinnen wollen. Im Gegensatz dazu hat die Hongkonger Börse in den letzten Jahren zwar weiterhin zahlreiche Mega-IPO’s gelistet, sieht sich jedoch zudem komplexen politischen Entwicklungen und einer starken Konkurrenz gegenüber, was einige Unternehmen bewogen hat, Alternativen zu suchen.
Aktuellen Berichten zufolge planen mindestens fünf Unternehmen aus der Volksrepublik China oder Hongkong innerhalb der nächsten 12 bis 18 Monate Börsengänge, Dual-Listings oder Kapitalerhöhungen über die SGX. Zu den betroffenen Firmen gehören unter anderem ein chinesischer Energieversorger, ein Unternehmen aus dem Gesundheitswesen und eine Biotechnologiegesellschaft mit Sitz in Shanghai. Die genaue Identität der Unternehmen wurde zwar noch nicht öffentlich gemacht, da die Pläne noch nicht finalisiert sind, jedoch zeigt dies deutlich das wachsende Interesse an der Börse in Singapur. Laut Branchenexperten könnte allein durch diese Vorhaben ein Emissionsvolumen von etwa 100 Millionen US-Dollar erreicht werden, was einen wichtigen Impuls für den SGX-Markt darstellen würde.Für die betroffenen chinesischen Unternehmen bietet eine Notierung in Singapur mehrere Vorteile.
Zunächst einmal eröffnet sie den Zugang zu Investoren im südostasiatischen Raum, einer Region mit schnellem Wirtschaftswachstum und steigender Kaufkraft. Zudem kann die Börsennotierung das Firmenimage international stärken und das Unternehmen gegenüber globalen Wettbewerbern besser positionieren. Besonders in einer Zeit politischer Spannungen ist es strategisch sinnvoll, Kapitalquellen auf verschiedene Märkte zu streuen, um Abhängigkeiten und Risiken zu minimieren. Ein Listing in Singapur kann daher als ein Schritt der Risikodiversifizierung und Expansion verstanden werden. Dabei geht es nicht nur um Kapitalbeschaffung, sondern auch um eine nachhaltige Verankerung in einer dynamischen Region.
Interessanterweise war die Singapore Exchange lange Zeit eher für sogenannte Yield-Play-Investments bekannt, etwa Real Estate Investment Trusts (REITs), und weniger für große IPOs von Technologiefirmen oder globalen Konzernen. Im Jahr 2024 konnte die SGX lediglich vier Neulistungen verzeichnen, was im Vergleich zu 71 Neulistungen an der Hongkonger Börse deutlich weniger ist. Dennoch beobachten Marktexperten eine Verschiebung im Investoreninteresse. Die zunehmende Komplexität und Unsicherheit an anderen Börsenplätzen eröffnet Singapur neue Chancen, sein Listing-Portfolio zu diversifizieren und größere, international ausgerichtete Unternehmen anzuziehen. Dies könnte die Marktliquidität erhöhen und das Volumen am SGX nachhaltig steigern.
Darüber hinaus wird die Position Singapurs als „Tor“ von China zur Weltwirtschaft verstärkt betont. In einem zunehmend fragmentierten globalen Handelsumfeld suchen chinesische Unternehmen nach stabilen Anlaufstellen, von denen aus sie sowohl die südostasiatischen als auch die globalen Märkte bedienen können. Die enge politische und wirtschaftliche Vernetzung Singapurs mit China sowie dessen Lage im Herzen Südostasiens machen die Stadt besonders attraktiv. Experten gehen davon aus, dass dieser Trend in den kommenden Jahren an Dynamik gewinnen wird, da geopolitische Spannungen und protektionistische Maßnahmen weiter zunehmen könnten.Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Engagement lokaler und internationaler Finanzfirmen, die chinesische Unternehmen bei ihren Börsengängen in Singapur unterstützen.
Beispielsweise arbeitet die staatlich kontrollierte China Galaxy Securities über ihre Tochtergesellschaft mit mindestens zwei chinesischen Unternehmen zusammen, um IPOs in Singapur bereits ab dem laufenden Jahr zu ermöglichen. Dies zeigt, dass auch die staatlichen Akteure Chinas hinter diesem Schritt stehen oder ihn zumindest unterstützen, um den Unternehmen neue Möglichkeiten in ungewissen Zeiten zu eröffnen. Die Rolle solcher Finanzpartner ist entscheidend, um den komplexen Prozess eines Börsengangs reibungslos und erfolgreich zu gestalten.Trotz der vielversprechenden Perspektiven ist der Markt für chinesische Börsengänge in Singapur nicht ohne Herausforderungen. Die SGX ist in der Wahrnehmung vieler chinesischer Firmen und Investoren noch nicht die erste Wahl für Offshore-Listings.
Hongkong bietet den Vorteil einer größeren Anlegerbasis, engeren Verbindungen zur chinesischen Regierung und bekannteren Marken in der Region. Zudem sind regulatorische Rahmenbedingungen und Marktstrukturen in Hongkong auf chinesische Unternehmen besser zugeschnitten. Dennoch gewinnt Singapur als neutraler Standort mit klarer Rechtssicherheit und stabiler Geschäftslandschaft zunehmend an Bedeutung, insbesondere für Firmen, die von der politischen Unsicherheit in Hongkong und den USA profitieren möchten.Abschließend lässt sich festhalten, dass die Bewegung chinesischer Unternehmen in Richtung Singapur-Börse ein Signal für die sich wandelnden geopolitischen und ökonomischen Rahmenbedingungen ist. Diese Entwicklung zeigt, wie Unternehmen versuchen, ihre Widerstandsfähigkeit durch Diversifikation von Märkten und Finanzierungsquellen zu stärken.
Singapur allerdings stellt dabei nicht nur eine reine Alternative zur Hongkonger Börse dar, sondern könnte mittelfristig zu einem wichtigen Finanzplatz für den wachstumsstarken südostasiatischen Raum werden. Die künftige Entwicklung wird maßgeblich davon abhängen, wie Singapur es schafft, seine Attraktivität als Listing-Platz weiter auszubauen und gleichzeitig neue Unternehmen aus China und anderen Schwellenländern anzuziehen wie auch zu halten. Für Investoren bietet sich damit eine interessante Gelegenheit, an der Schnittstelle zwischen China und Südostasien von der Dynamik wachsender Volkswirtschaften zu profitieren.