Seit den Anfängen von SUSE Linux in den 1990er Jahren galt YaST (Yet another Setup Tool) lange Zeit als unverzichtbares Werkzeug für Nutzer und Administratoren. Als Installations- und Konfigurationsutility genoss YaST hohes Ansehen, da es eine zentrale Anlaufstelle für systemweite Einstellungen darstellte. Die Nachricht, dass das traditionelle YaST-Stack mit OpenSUSE Leap 16.0 Beta seinen Rückzug antreten soll, markiert einen bedeutenden Wendepunkt in der Geschichte dieser Linux-Distribution. YaST wurde 1996 mit SUSE Linux eingeführt und avancierte schnell zu einem der Kernbestandteile der Distribution.
Sein Nachfolger, YaST2, wurde 2002 veröffentlicht und 2004 unter der GPLv2 als Open-Source-Projekt freigegeben. Die Flexibilität von YaST zeigte sich unter anderem darin, dass es sowohl grafische als auch textbasierte Bedienoberflächen bot und somit sowohl für Desktop- als auch Serverumgebungen geeignet war. Neben der Installation unterstützte YaST zahlreiche Aufgaben wie Benutzerverwaltung, Softwaremanagement, Sicherheitseinstellungen oder Druckerkonfiguration – eine Multifunktionszentrale für Systemadministratoren. Im Laufe der Zeit verlor YaST jedoch zunehmend an Modernität. Ursprünglich in einer eigens entwickelten Programmiersprache namens YCP implementiert, erfolgte ein Wechsel hin zu Ruby und vorhandene Komponenten in C und Perl blieben bestehen.
Die Komplexität und das Alter des Codes machten eine nachhaltige Weiterentwicklung schwierig und aufwendig. Als Folge davon begann SUSE bereits 2022 mit der Entwicklung eines komplett neuen Installers namens Agama, der das Ziel verfolgte, eine modularere und modernere Lösung zu schaffen, inklusive webbasiertem Interface für Remote-Installationen. Der Schritt, YaST in openSUSE Leap 16 nicht mehr weiterzuentwickeln, sondern durch Agama, Cockpit für Systemmanagement und Myrlyn für Paketmanagement zu ersetzen, war für viele Anwender überraschend. Vor allem, da die Kommunikation über diese Entscheidung weitgehend im Verborgenen stattfand. Bereits 2024 gab es Anzeichen für eine Reduzierung des YaST-Stacks, welche jedoch kaum von der Community wahrgenommen wurden.
Die offizielle Ankündigung im Rahmen der Leap 16 Beta stellte schließlich klar, dass YaST zwar vorerst noch in der Rolling-Release-Distribution Tumbleweed vorhanden sein wird, jedoch von SUSE nicht mehr aktiv weiterentwickelt wird. Die Gründe für diesen Wechsel liegen auf der Hand. Moderne Tools wie Cockpit sind modularer und API-getriebener, was sie besser für heutige Multi-Distribution-Umgebungen geeignet macht. Dadurch reduziert sich die Fragmentierung innerhalb der Linux-Landschaft zugunsten einer besseren Zusammenarbeit zwischen Projekten. Gleichzeitig ist der Erhalt und die Weiterentwicklung des umfangreichen und komplexen YaST-Codebasiss ein erhebliches Hemmnis für Innovation und Anpassung an neue Anforderungen.
Die Reaktionen in der Community fallen gemischt aus. Langjährige Anwender sehen in YaST einen wesentlichen USP (Unique Selling Point) von SUSE, der die Distribution von anderen Ende-zu-Ende-Lösungen abgehoben hat. Viele Nutzer schätzen die einfache Bedienbarkeit von YaST, besonders im Vergleich zu anderen Linux-Distributionen, die mehr Handarbeit verlangen. Dass YaST nun nur noch ein Schatten seiner selbst in Tumbleweed bleiben könnte, ohne aktive Wartung, sorgt für Unsicherheiten bei den treuen Anwendern. Ein weiterer kritischer Punkt ist die mögliche technische Veraltung durch zukünftige Ruby-Versionen.
Da Ruby jährlich eine Hauptversion veröffentlicht und YaST bisher immer Anpassungen benötigte, ist davon auszugehen, dass mit einer neuen Ruby-Version der YaST-Code ohne Wartung nicht mehr lauffähig sein wird. Das könnte zu einem schnelleren Verfall der Funktionalität führen, falls keine Community-Wartung einsetzt. Unterdessen bieten Tools wie Cockpit eine moderne Web-Oberfläche, die sich nahtlos in aktuelle Systemmanagement-Szenarien integriert. Ebenso versprechen Agama und Myrlyn eine bessere Modularität und Zukunftssicherheit. Agama wurde speziell konzipiert, um von Grund auf neu zu starten, den Benutzer nicht mit veralteten Code-Basen zu belasten und neue Anforderungen wie Remote-Installationen direkt zu unterstützen.
Myrlyn (früher YQPkg) fokussiert sich auf Paketmanagement, was bei YaST stets ein komplexes Thema war. Bereits vor der offiziellen Abkehr von YaST war die Entwicklung von Agama ein klares Signal für den Wandel. Während zwischenzeitlich sogar noch von einer Koexistenz beider Werkzeuge ausgegangen wurde, kristallisierte sich in den letzten Monaten heraus, dass YaST perspektivisch vollständig zurücktreten wird. Die fehlende Kommunikation und der langsame Informationsfluss wurden wiederholt in Foren und Mailinglisten kritisiert, da viele Nutzer und Entwickler gern früher involviert gewesen wären, um entweder aktiv an der Wartung teilzunehmen oder Alternativen zu evaluieren. Der Verzicht auf YaST wirft zudem Fragen zum zukünftigen Profil von SUSE und openSUSE auf.
Jahrzehntelang galt YaST als das Herausstellungsmerkmal der Distribution – eine All-in-One Lösung, die besonders Nutzerfreundlichkeit und systemweite Verwaltung verband. Nun nähert sich SUSE mit der Ausrichtung hin zu standardisierteren, weitverbreiteten Tools einer Annäherung an Lösungsansätze, wie sie auch bei Red Hat oder Fedora zu finden sind. Kritiker befürchten, dass SUSE dadurch seinen eigenen Charakter verliert und sich nur noch als eine von mehreren ähnlich aufgestellten Distributionen etabliert. Auf der anderen Seite sehen Befürworter diese Entwicklung als notwendigen Schritt in die Zukunft und als Chance, den DevOps- und Cloud-orientierten Anforderungen besser gerecht zu werden. Die Verfügbarkeit moderner, gut gepflegter und kompatibler Werkzeuge kann neue Nutzergruppen erschließen und die Wartbarkeit der Distribution insgesamt verbessern.
Zudem erlaubt die Offenheit des Open-Source-Ökosystems im Falle von YaST, dass interessierte Community-Mitglieder die Entwicklung übernehmen oder das Projekt forken könnten, sofern hier eine Nachfrage besteht. Die Community-Diskussionen spiegeln dabei auch die zunehmende Kluft zwischen „Anwendern“ und „Entwicklern“ wider. Viele Nutzer fordern weiterhin Verlässlichkeit auf Basis bekannter Werkzeuge wie YaST, während Entwickler den Wunsch nach moderner, modularer und leichter wartbarer Software priorisieren. Der Wunsch, Linux noch zugänglicher zu gestalten, steht somit im Spagat zwischen technologischem Wandel und bewährter Bedienbarkeit. Zusammengefasst befindet sich SUSE openSUSE mit dem Abschied von YaST an einem entscheidenden Scheideweg.
Die Distribution tritt in eine neue Phase ein, in der altbekannte Werkzeuge zugunsten moderner Alternativen weichen. Dies bietet Chancen für Innovation, erfordert jedoch auch Anpassung durch die Nutzer. Gleichzeitig eröffnet sich der Raum für Community-Initiativen, um die Zukunft von YaST mitzugestalten oder gar alternative Lösungen zu etablieren. Für Anwender und Administratoren gilt es nun, sich mit den neuen Werkzeugen wie Agama und Cockpit vertraut zu machen und die weitere Entwicklung aufmerksam zu verfolgen. Langfristig könnte SUSE so eine modernisierte, verbesserte Plattform bieten, die den heutigen Ansprüchen an Flexibilität und Wartbarkeit besser gerecht wird.
Der Abschied vom „letzten YaST“ ist somit nicht nur ein Ende, sondern auch ein Neubeginn in der offenen Linux-Welt.