Die Social-Media-Plattform X, ehemals Twitter, steht erneut im Fokus intensiver Kritik und Untersuchungen. Eine aktuelle Recherche des Tech Transparency Project (TTP) deckt auf, dass mehrere Terroristen, die von den USA mit Sanktionen belegt sind, auf dem Netzwerk nicht nur präsent sind, sondern auch durch kostenpflichtige Premium-Dienste bevorzugte Behandlung genießen. Dies wirft tiefgreifende Fragen bezüglich der Einhaltung von US-Sanktionen und der Effektivität der Kontrolle von Plattformen großer Technologieunternehmen auf. Das Ganze ist von besonderer Brisanz, da die Plattform erst seit der Übernahme durch Elon Musk massiv umstrukturiert wurde und die Verifikation, früher eine kostenlose Auszeichnung für prominente Persönlichkeiten, nun als kostenpflichtiger Service angeboten wird. Die US-Regierung, vertreten durch das Office of Foreign Assets Control (OFAC) des Finanzministeriums, setzt weltweit Sanktionen gegen Einzelpersonen und Organisationen durch, die als Terroristen oder Sicherheitsbedrohungen eingestuft werden.
Diese Sanktionen verbieten es US-Unternehmen, mit diesen Personen oder Gruppen Einnahmen zu erzielen oder Dienstleistungen zu erbringen, ohne eine besondere behördliche Erlaubnis. Trotz klarer Regularien fand die TTP-Untersuchung mehrere Accounts von Personen und Organisationen, die auf der Sanktionsliste stehen, mit sogenannten blauen Häkchen, einem Zeichen für verifizierte und zahlende Premium-Nutzer auf X. Noch beunruhigender ist, dass einige dieser Nutzer sich sogar über eine zusätzliche ID-Verifikation auszeichnen, was bedeutet, dass die Identität mittels Regierungsdokumenten und Selfies von der Plattform bestätigt wurde. Die Liste der sanktionierten Nutzer auf X umfasst hochrangige Angehörige terroristischer Gruppen wie al-Qaida, die Hisbollah, sowie Führungspersonen aus den Reihen der Huthi-Rebellen in Jemen, die als von der US-Regierung sanktionierte Organisation gelten. Auch militanter Gruppen in Syrien und dem Irak, die für Angriffe auf US-Truppen verantwortlich gemacht werden, wird auf X eine Bühne geboten.
Einige dieser Accounts profitieren von den umfassenden Freiheiten, die Premium-Tarife bieten: Sie können besonders lange Beiträge verfassen, Videos in höherer Länge posten und aktiv Einnahmen generieren, etwa über Fans, die mittels Trinkgeld-Funktion Geld senden. Derartige Features bergen nicht nur das Risiko der Propagandaverbreitung, sondern könnten laut Experten sogar als unzulässige Transaktionen im Sinne der US-Sanktionsgesetze gewertet werden. Eine der besonders beklemmenden Enthüllungen betrifft Mahdi al-Mashat, den Vorsitzenden des Huthi-Obersten Politischen Rates im Jemen. Er trägt auf X ein verifiziertes Profil mit Premium-Status, obwohl er von OFAC als Terrorist gelistet ist. Seine Aktivitäten und öffentliche Kommunikation deuten auf eine aktive Nutzung von X als Propaganda- und Kommunikationsplattform hin, selbst unter Ausnutzung der erweiterten Premium-Funktionalitäten.
Auch Vertreter und führende Persönlichkeiten der Hisbollah, eine Gruppe, die vom Ausland als Terrororganisation eingestuft wird und unter starken US-Sanktionen steht, verfügen über Premium-Verifizierungen und sorgen für eine erhöhte Reichweite, was die Gefahren der Plattform deutlich macht. Die russische und internationale Expertise weist darauf hin, dass vor der Übernahme von Twitter durch Musk die Plattformsicherheit und die Einhaltung von Sanktionen bereits eine Herausforderung waren. Twitter hatte es Indizien zufolge zumindest zähneknirschend akzeptiert, dass auch sanktionierte Gruppen kostenlose Accounts nutzen konnten. Allerdings wurde die Nutzung dedizierter Premium-Dienste in Verbindung mit Geldtransaktionen als Verstoß gegen US-Recht gewertet und von der Plattform regulär untersagt. Elon Musk hat die Verifikation kommerzialisiert und kostenpflichtig gemacht, was bedeutet, dass eine direkte finanzielle Transaktion zwischen sanktionierten Profis und X stattfindet – eine Grauzone, wenn nicht gar ein klarer Verstoß.
Die Unternehmenspolitik von X schreibt explizit vor, dass Premium-Services nicht an sanktionierte Nutzer vergeben werden dürfen. Dennoch zeigen die Recherchen von TTP, dass entsprechende Kontrollen ineffektiv oder unzureichend sind. Zwar unternahm X nach einer ersten Untersuchung im Februar 2024 zeitgleich mit deren Veröffentlichung Maßnahmen, indem einige der beanstandeten Accounts entfernt oder ent-überprüft wurden. Allerdings ist der gegenwärtige Zustand erschreckend, da dieselben oder ähnliche Accounts innerhalb nur weniger Wochen erneut verifiziert und mit Premium-Status ausgestattet wurden. Dies lässt auf eine unzureichende Nachhaltigkeit der Kontrollmaßnahmen schließen.
Elon Musk hatte erst kürzlich kritisiert, dass das Finanzministerium nicht über die „grundlegenden Kontrollelemente“ verfüge, um Zahlungen nachzuverfolgen und sicherzustellen, dass Mittel nicht an Terroristen oder andere unrechtmäßige Empfänger gelangen. Paradoxerweise zeigen die Vorgänge auf X, dass gerade die Plattform, die Musk leitet und die von ihm in diversen öffentlichen Auftritten betont wird, solche Kontrollelemente selbst vermissen lässt. Die Verantwortung der großen Plattformen und Tech-Firmen im Kampf gegen Terrorismusfinanzierung steht damit erneut im Zentrum öffentlicher Debatten. X setzt Drittfirmen für die ID-Überprüfung ein – darunter Au10tix, Stripe und Persona –, die sich gegenüber Medienvertretern nicht oder nur zögerlich äußerten. Ob die Auslagerung dieser sensiblen Kontrollprozesse zu Verantwortungslücken führt, ist dabei eine gewichtige Frage.
Ein besonders problematisches Detail der Konten betrifft die Nutzung von Features wie Trinkgeld-Buttons. So können zahlende Follower Gelder an sanktionierte Nutzer senden, was einer direkten Unterstützung gleicht und somit gegen die OFAC-Regeln verstößt. Kryptowährungen, die ebenfalls über die Plattform geflossen sind, erschweren die Rückverfolgung von Finanztransaktionen und bieten Terrororganisationen neue Kanäle der Finanzierung, fernab klassischer Banken- und Überweisungssysteme. Die Relevanz und Tragweite dieser Thematik wird auch durch die politischen Entwicklungen um den Jemen-Konflikt klar. Die Trump-Regierung hatte u.
a. die Huthi-Gruppierung wieder als ausländische Terrororganisation eingestuft, dagegen gehen die Biden-Regierungen in manchen Bereichen wieder etwas zurück. Der aktuelle Status quo zeigt, dass trotz Stillstand in Bodenkonflikten militante und sanktionierte Organisationen weiterhin ungehinderte Kommunikationsmöglichkeiten mit stark gesteigerter Reichweite besitzen. Bereits sanktionierte Medien und deren verifizierte Accounts, wie das Hamas-nahe Gaza Now, nutzen X ebenfalls aktiv für die Verbreitung ihrer Botschaften. Trotz internationaler Maßnahmen und Sanktionen gegen diese Gruppen scheinen digitale Plattformen als sicheres Schlupfloch und Multiplikator (auch von finanzieller Unterstützung) zu fungieren, was die geopolitische Lage weiter kompliziert und Verschärfungen nicht ausschließt.
Auch aus dem Iran und Teilen Syriens gesellen sich zahlreiche sanktionierte Regierungsakteure und Milizen-Vertreter ins Spektrum. Diese Benutzer profitieren von den erweiterten Funktionen der Premium-Dienste auf X und erhalten so eine weitreichende digitale Bühne. Die Tatsache, dass selbst hochrangige Politiker mit Verbindungen zu Organisationen und Staaten, gegen die US-Sanktionen gelten, inkl. der ID-Verifizierung auf der Plattform agieren können, ist alarmierend und verdeutlicht die Grenzen der Selbstregulierung und internen Compliance bei Social-Media-Plattformen. Prüfer und Experten sehen hier eine ernste Gefahr für die nationale Sicherheit der USA und der Verbündeten.
Die hybride Nutzung solcher Plattformen als Kommunikations-, Propaganda- und teils Finanzierungsinstrument terroristischer Gruppen erschwert die Terrorismusbekämpfung erheblich. Zudem erschwert die Kommerzialisierung von Verifikation und Features die Durchsetzung gesetzlicher Verbote für sanktionierte Nutzer. Zusammenfassend offenbart der Fall der sanktionierten Terroristen mit Premium-Vorteilen auf X eine diskrepante Lage zwischen den offiziellen Richtlinien und der tatsächlichen Umsetzung auf der Plattform. Es besteht dringender Handlungsbedarf auf mehreren Ebenen. Sowohl die US-Regierung, die für das Durchsetzen der Sanktionen verantwortlich ist, als auch die Betreiber von X und andere Tech-Unternehmen sind aufgefordert, ihre Kontrollmechanismen deutlich zu verbessern und klare, transparente Regeln durchzusetzen.