Pyrotechnik, die Kunst des Feuerwerks, ist seit altersher ein faszinierendes Spektakel für Menschen jeden Alters. Besonders im 19. Jahrhundert begann sich die Kunst der Feuerwerksherstellung von einem geheimnisvollen Handwerk der Profis zu einer beschreibbaren und zugänglichen Wissenschaft zu wandeln. Das Jahr 1873 markiert in dieser Entwicklung einen bedeutenden Zeitpunkt: Hier entstand eine umfassende Anleitung, die es auch Laien ermöglichte, Feuerwerke kostengünstig und vor allem sicher zu produzieren. Die damaligen Erkenntnisse bieten nicht nur einen Einblick in die damaligen Techniken, sondern verdeutlichen auch, dass Sicherheit und Sparsamkeit Hand in Hand gehen können – gerade in einer Zeit, in der Unfälle mit Feuerwerkskörpern noch häufig und schwerwiegend waren.
Ein zentrales Fundament für sicheres Arbeiten war das korrekte Verständnis und präzise Abmessen von Chemikalien. Statt verwirrender Gewichtsangaben, die damals in verschiedenen Systemen (Avoirdupois, Apothekergewichte) geläufig waren, wurde ein einfaches Verfahren mit Proportionen verwendet. Dieses erleichterte auch Anfängern den Umgang und die Herstellung der Mischungen für Raketen und Sterne. Neben dem Wissen um die Zusammensetzung von Pulver und Effekten gehörten die richtige Herstellung und Verarbeitung von hölzernen und papiernen Hüllen zu den Kernkompetenzen. Wer die richtige Dicke, das angemessene Trocknen und sorgfältige Füllen seiner Raketenkörper beherrschte, vermied unkontrollierte Explosionen.
Nebst den technischen Grundlagen stellte das Wissen um geeignete Werkzeuge und deren fachgerechte Anwendung eine wesentliche Säule des sicheren Umgangs mit Pyrotechnik dar. Vom Einsatz einfacher Waagen, die für das genaue Abmessen der Zutaten unabdingbar waren, bis hin zu Spezialgeräten zum gleichmäßigen Verdichten der Pulvermischungen im Raketen- oder Kartenkörper waren Detailkenntnisse in der Handhabung wichtiger Utensilien essentiell. Die unterschiedlichen Arten von Feuerwerkskörpern, die damals beschrieben wurden, reichen von klassischen Raketen mit ihren charakteristischen Spitzen und Schweifen über die beliebten römischen Kerzen, die verschiedenfarbige Sterne erzeugten, bis hin zu sogenannten Tourbillons, die mit rotierender Bewegung für spektakuläre visuelle Effekte sorgten. In der Anleitung wurde besonderer Wert darauf gelegt, auch für Anfänger nachvollziehbare und praxistaugliche Schritte darzustellen, ohne dabei die eigentliche Kunstfertigkeit auszublenden. So wurden nicht nur Formeln für Mischungen vermittelt, sondern auch Hinweise für das zeitlich abgestimmte Trocknen der Komponenten, die richtige Reihenfolge der Verarbeitung beim Befüllen und Tipps zur Kombination verschiedener Effekte gegeben.
Die sorgfältige Auswahl und korrekte Behandlung der Inhaltsstoffe war dabei zentral. Besonders der Umgang mit brennbaren Stoffen wie Schießpulver, Schwefel, Salpeter und verschiedenen Metallpulvern musste in einer Weise erfolgen, die eine spontane Entzündung ausschloss. Durch die Verwendung von trockenem Material, das korrekte Hinzufügen von Bindemitteln wie Gummi arabicum sowie das Mischen in feinen, kontrollierten Körnungen konnten unerwünschte Reaktionen verhindert werden. Die Pyrotechniker jener Zeit hatten zudem erkannt, dass Sicherheit nicht nur in der korrekten chemischen Grundlage lag, sondern auch in Disziplin und Systematik. Ein festgelegter Arbeitsablauf, der die Vorbereitung der Case, das Abmessen der Mischungen und das Einfüllen der Zutaten in eine sinnvolle Reihenfolge brachte, ermöglichte nicht nur Effizienz, sondern auch ein minimiertes Risiko.
Überdies stand das Thema Sauberkeit hoch im Kurs. Es war ein alter Irrglaube, dass Feuerwerksherstellung zwangsläufig schmutzig und klebrig sein müsse. Ganz im Gegenteil, mit guten Arbeitsgewohnheiten, z.B. dem Tragen von geeigneter Kleidung und der Nutzung von Werkzeugen, konnte die Arbeitsplatzhygiene gewahrt bleiben.
Das Highlight eines jeden Feuerwerks waren natürlich die farbigen Effekte - die berühmten Sternspitzen der Raketen, Lichter in Rot, Grün, Blau und Gold, die lodernden Fontänen der Gerbes bis hin zu den faszinierenden Wirbeln der Saxon-Flyers. Hierfür war es unabdingbar, die Zutaten aus metallischen Salzen und anderen Farbbestandteilen mit großer Präzision zu mischen. Ein zu hoher Feuchtigkeitsgehalt, Verunreinigungen oder fehlende Homogenität führten unweigerlich zu Farbverlust, ungleichmäßiger Brenndauer oder teilweise Fehlschlägen. Neben der Herstellung der Effekte spielten die Konstruktion und Montage so genannter „Exhibitionsstücke“ eine große Rolle. Das waren komplexe Feuerwerksarrangements aus mehreren Bauteilen wie Rädern, Sternen, geraden oder gekrümmten Leuchtsprossen, die gemeinsam ein wechselndes, faszinierendes Feuerwerk vorführten.
Diese Stücke verlangten nicht nur präzises Handwerk, sondern auch Planung und ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Die Vorsicht gegenüber den Risiken, die Feuerwerkskörper mit sich bringen, zieht sich wie ein roter Faden durch jede Beschreibung und Empfehlung. Die große Mehrheit von Feuerwerksunfällen wurde als Folge von Nachlässigkeit und falscher Handhabung erkannt. Wer dagegen Materialien wie Pulver und Metallsalze sorgsam lagerte, behutsam und mit Respekt vor der Materie arbeitete sowie die Mischungen und Arbeitsmethoden genauestens befolgte, dem war nachweislich ein sicheres Arbeiten möglich. Die Anleitung von 1873 richtet sich nicht an Laien, die jugendlichen Leichtsinn walten lassen, sondern an ernsthafte Liebhaber, die ihre Faszination für das Feuerwerk mit Bedacht und Vorsicht ausleben wollen.
Ein weiterer bemerkenswerter Aspekt war die Betonung der Wirtschaftlichkeit. Die Autoren jener Epoche brachen mit der damals existierenden Vorstellung, dass Feuerwerkskunst nur mit großem finanziellen Aufwand möglich sei. Durch Anleitung zu sinnvollem Einkauf, die Verwendung von selbst hergestellten Materialien und Werkzeugen sowie die Vermeidung unnötiger Versuche konnte gezeigt werden, dass Feuerwerk durchaus auch mit bescheidenem Budget umgesetzt werden konnte. Die Motivation war dabei stets das Schaffen schöner Effekte, die viele Menschen erfreuen und beeindruckende Momente bieten. Der gesellschaftliche Wandel mit zunehmender Öffentlichkeit und gesteigertem Interesse an Gemeinschaftsveranstaltungen wurde durch die Popularisierung der Pyrotechnik begünstigt.
Feuerwerk wurde nicht mehr nur für Hof und Elite veranstaltet, sondern fand Eingang in Feste und Feiern der breiten Bevölkerung. Die hier fixierte „Kunst der sicheren und kostengünstigen Herstellung“ lieferte den praktischen Nährboden für diese Entwicklung. Eindrucksvoll sind die detaillierten Beschreibungen der einzelnen Komponenten – von den legendären römischen Kerzen über den filigranen Bau der Sternenpatronen bis zu komplexen, sich drehenden Wirbeln und kunstvollen Kombinationen. Ebenso die raffinierte Anwendung von Chemikalien – von einfachen uralten Rezepten bis hin zum neueren Einsatz ausgeklügelter Mischungen, die Farben und Leuchtkraft verbessern sollten. Nicht zu vergessen die cleveren Vorrichtungen zum schnellen und effektiven Mischen oder Füllen.