Die Linux-Welt erlebt derzeit einen spannenden Wandel, insbesondere im Segment der Red Hat Enterprise Linux (RHEL) Klone. Rocky Linux und AlmaLinux, zwei der namhaftesten Vertreter dieser Kategorie, haben vor kurzem ihre Version 10 veröffentlicht – eine wichtige Entwicklung, die den Status quo im Unternehmens-Linux-Markt verändert. Seit Red Hat 2021 CentOS Linux eingestellt hat, sind diese beiden Distributionen für viele Unternehmen und Anwender zu den bevorzugten Alternativen geworden. Doch mit der Veröffentlichung der neuesten Versionen zeigen sich erstmals klare Differenzen in Technik, Hardware-Unterstützung und strategischer Ausrichtung. Diese Divergenz wird die Wahl zwischen Rocky Linux 10 und AlmaLinux 10 künftig maßgeblich beeinflussen und bietet Anwendern unterschiedliche Vorteile und Kompromisse.
Rocky Linux 10 – Der Weg der Strenge Rocky Linux 10 trägt den Codenamen „Red Quartz“ und orientiert sich stark an den Anforderungen und Spezifikationen von RHEL 10. Die Entwickler setzen auf eine hohe Kompatibilität mit der Hardware und Software, an deren Unterstützung sich Red Hat selbst orientiert. So fordert Rocky Linux 10 – wie RHEL 10 – mindestens x86-64-v3 CPUs, was bedeutet, dass die Generation Intel Haswell und neuer erforderlich ist. Ältere Prozessoren, die unter der x86-64-v2 Architektur fallen, werden nicht mehr unterstützt und gelten somit als veraltet für den produktiven Einsatz. Die strikten Systemanforderungen sind ein wichtiges Signal an Unternehmen, die auf Stabilität und aktuellste Technik setzen.
Auch in Sachen plattformübergreifende Hardware unterstützt Rocky Linux 10 nur noch neuere Geräte. Im Vergleich zum Vorgänger wurde die Unterstützung älterer Raspberry Pi-Modelle entfernt. Zwar unterstützt Rocky nach wie vor den Raspberry Pi 4 und 5, doch die Modelle Pi 3 und Pi Zero sind nicht mehr kompatibel. Diese Entscheidungen untermauern den Fokus auf Zukunftssicherheit und sind im Unternehmenskontext nachvollziehbar, da eine stabile und moderne Plattform essenziell ist. AlmaLinux 10 – Der breitere Ansatz Im Gegensatz dazu verfolgt AlmaLinux mit Version 10, Codename „Purple Lion“, einen anderen Ansatz.
Die Distribution bietet eine eigene Version für die x86-64-v2 Architektur an und bleibt somit kompatibel mit älterer Hardware, wie der Intel Nehalem Reihe aus dem Jahr 2008. Diese Strategie spiegelt die Priorität wider, Anwendern und Firmen breitere Flexibilität zu bieten, besonders jenen, die nicht sofort auf die neuste Hardware upgraden können oder wollen. Die Unterstützung älterer Prozessoren ist für viele kleinere Unternehmen, gemeinnützige Organisationen oder Bildungseinrichtungen ein entscheidender Vorteil. Sie ermöglicht es, vorhandene Ressourcen länger zu nutzen und zugleich auf eine aktuelle Enterprise-Distribution zu setzen. AlmaLinux hält also die Brücke zwischen Stabilität, Kontinuität und moderner Technologie offen, was die Verbreitung der Distribution weiter fördert.
Technologische Gemeinsamkeiten und Unterschiede Trotz der unterschiedlichen Philosophien nutzen beide Distributionen denselben Kernel 6.12 und bieten die GNOME 47 Desktop-Umgebung mit Wayland als Standarddisplayserver an. Die Speicherauslastung im Leerlauf liegt bei etwa 1,2 GB RAM, was zeigt, dass beide Systeme ausgewachsene Desktop-Ausführungen sind, die weniger auf schlanke Systeme abzielen. Beide Distributionen installieren standardmäßig Cockpit, das webbasierte Systemmanagement-Tool, das eine komfortable Verwaltung auch für weniger erfahrene Administratoren ermöglicht. Im Kern bleiben Rocky Linux und AlmaLinux also eng am Quellcode von Red Hat orientiert, was vor allem die Stabilität und Verlässlichkeit gewährleistet.
Red Hat setzt mit der RHEL 10 Version schon seit neuestem auf innovative Features, die bei den Klonen weitestgehend fehlen. Dazu gehört zum Beispiel der neue KI-basierte Assistent „Red Hat Enterprise Linux Lightspeed“. Dieses Tool erlaubt es, direkt in der Shell per kurzer Kommandos Hilfe zu erhalten oder Konfigurationshinweise zu bekommen. Die Funktion basiert auf einer Retrieval-Augmented Generation (RAG) Technik, die eine intelligentere und kontextbezogene Hilfestellung gewährleisten soll. Rocky Linux und AlmaLinux bieten diese Assistenz im Gegensatz zu RHEL 10 derzeit nicht an.
Damit haben sie zwar etwas weniger Komfortfunktionen, punkten allerdings durch geringeren Ressourcenverbrauch und weniger Abhängigkeiten von Cloud-Diensten. Marktstrategien und Unternehmensrichtlinien Ein weiterer Punkt, der sowohl Anwender als auch Unternehmen interessiert, sind Zertifizierungen und Compliance. Red Hat selbst garantiert mit offiziellen Siegeln und Compliance-Standards wie FedRAMP oder FIPS, dass RHEL auch für sicherheitskritische und regulierte Umgebungen bestens geeignet ist. Rocky Linux hat mit dem Backer CIQ (Computing Infrastructure Qualification) ebenfalls begonnen, den Weg zu professionellen Zertifizierungen einzuschlagen. CIQ hat bereits spezielle Versionen von Rocky Linux vorgestellt, darunter die Hardened Edition, die hohen Sicherheitsanforderungen gerecht werden soll, sowie eine KI-optimierte Variante für spezielle Workloads.
Damit positioniert sich Rocky Linux zunehmend als Enterprise-Distribution mit vergleichbarem professionellen Support und Compliance-Standards. Zudem arbeiten die Entwickler auch an HPC-Tools (High Performance Computing), was den Einsatz in wissenschaftlichen und datenintensiven Projekten erleichtert. AlmaLinux geht einen anderen Weg und setzt stark auf Partnerschaften, die Live-Patching und Security Hardening ermöglichen. Mit Partnern wie TuxCare können AlmaLinux-Anwender von Sicherheitsupdates profitieren, ohne das System neu starten zu müssen, was für Unternehmensumgebungen ein großer Vorteil ist. Zudem ist AlmaLinux in staatlichen und reglementierten Organisationen leichter einzusetzen, da hier FedRAMP-konforme Lösungen und Zertifikate bereits angeboten werden.
Die unterschiedlichen Philosophien spiegeln sich damit auch in der Ausrichtung der Partner-Ökosysteme und dem Support wider. Während Rocky Linux vor allem beim Upstream-nahem, schnellen Feature- und Zertifizierungs-Update punktet, setzt AlmaLinux mehr auf Kompatibilität, Langzeit-Support und flexible Wartung – ein wichtiges Stichwort für Unternehmen, deren Prioritäten auf Stabilität und Kontinuität liegen. Technische Details mit Blick aufs Detail Die Installations-ISOs aller drei betrachten RHEL 10, Rocky Linux 10 und AlmaLinux 10 sind allesamt sehr groß und beginnen bei über 7 GB. RHEL selbst liegt mit etwa 8,5 GB noch höher. Nach der Installation sind die Systeme dann jedoch bedeutend schlanker.
Rund 4,4 GB benötigt eine typische RHEL 10 Installation, Rocky Linux ist minimal kleiner, und AlmaLinux ein wenig größer, was vermutlich mit der Unterstützung älterer Hardware und der zusätzlichen Pakete zusammenhängt. Die Möglichkeit, auf älterer Hardware, wie bei AlmaLinux der x86-64-v2 Architektur, auch virtuelle Maschinen mit Tools wie VirtualBox zu betreiben, ist ein wesentlicher Vorteil und sorgt für höhere Kompatibilität. Rocky Linux folgt hier strikt der Vorgabe von RHEL und setzt auf die neueren CPUs und modernere Kernel-Funktionen. Perspektiven und Fazit Die Entwicklungen bei Rocky Linux 10 und AlmaLinux 10 zeigen deutlich, dass der einstige Clone-Markt – initiiert als Reaktion auf den CentOS-Rückzug – heute reifer und diversifizierter ist. Es entstehen klare Profilunterschiede sowohl technisch als auch im Support- und Compliance-Bereich.
Rocky Linux bleibt dem Upstream von Red Hat besonders nahe, baut ein starkes Partner-Ökosystem auf und fokussiert sich auf zukunftsträchtige Hardware und KI-Funktionen. Dagegen baut AlmaLinux seine Nische vor allem mit breiterer Hardwareunterstützung, flexiblem Sicherheitsmanagement und stabilen Langzeitservices aus. Für Unternehmen und IT-Verantwortliche heißt das: Die Wahl zwischen Rocky Linux 10 und AlmaLinux 10 sollte von den individuellen Anforderungen abhängen. Wer maximale Kompatibilität zu Red Hat mit neuester Hardware und moderner Managementfeatures wie dem KI-Assistenten will, ist bei Rocky gut aufgehoben. Wer hingegen auch ältere Infrastruktur nutzen möchte, den Wert von Live-Patching schätzt und Wert auf nachhaltige Partnerschaften legt, findet in AlmaLinux 10 eine starke Alternative.
Die Zukunft der RHEL-Klone wird sicherlich von weiterem Wettbewerb und Spezialisierung geprägt sein. Beide Distributionen beweisen jedoch, dass sie ernste Kandidaten im Unternehmenssegment und der Open-Source-Community sind. Ihre stetige Weiterentwicklung und Anpassung zeigen, wie lebendig und anpassungsfähig der Linux-Markt bleibt – besonders bei Lösungen für Unternehmen, die von Stabilität, Sicherheit und Performance gleichermaßen leben.