Die Welt der Retro-Handhelds hat in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Aufschwung erlebt. Insbesondere Geräte aus China, die eine erschwingliche und leistungsfähige Möglichkeit bieten, klassische Spiele aus der Ära des Game Boys, der PlayStation 1 und sogar der GameCube zu erleben, erfreuen sich großer Beliebtheit bei Retro-Enthusiasten. Einer der bekanntesten Hersteller in diesem Segment ist Anbernic. Die Marke hat sich einen Namen gemacht durch vielseitige und gut verarbeitete Gaming-Handhelds, die dank leistungsstarker Hardware auch komplexere Emulatoren problemlos ausführen. Doch diese Erfolgsgeschichte könnte nun in den USA vor einem ernsten Problem stehen: Durch die jüngsten, erheblich verschärften US-Zölle auf Produkte aus China hat Anbernic angekündigt, den Versand seiner Geräte in die Vereinigten Staaten komplett einzustellen.
Diese Entscheidung trifft viele US-Kunden unvorbereitet. Retro-Handhelds von Anbernic wie das RG 34XX, das preislich bei etwa 70 US-Dollar liegt und optisch an den Game Boy Advance erinnert, sowie das leistungsstärkere RG 406H mit einem Tiger T820 Prozessor für bis zu PlayStation 2-Level Emulation, sind in den USA bisher über asiatische Händler oder direkt vom Hersteller problemlos erhältlich gewesen. Mit dem Versandstopp zwingt Anbernic Fans und Händler zu einem Umdenken. Das Unternehmen hat zwar Lagerbestände in den USA, die ohne zusätzliche Zollgebühren versandt werden können, doch diese Vorräte sind begrenzt und werden voraussichtlich schnell erschöpft sein. Der Auslöser für diese Entwicklung sind die protektionistischen Maßnahmen der US-Regierung unter der Führung von Präsident Donald Trump, die in Form hoher Zölle auf chinesische Produkte umgesetzt werden.
In manchen Produktkategorien liegen die Abgaben sogar bei über 200 Prozent, was Produkte wie die Retro-Handhelds finanziell fast unerschwinglich macht. Diese drastischen Zollmaßnahmen verfolgen das Ziel, die in China stattfindende Produktion zu verteuern, um heimische Hersteller zu schützen oder zu stärken. In der Praxis führt dies jedoch zu erheblichen Einschränkungen für Verbraucher und Händler, die auf preisgünstige Importe angewiesen sind. Für Retro-Gaming-Fans bedeutet das sichtbare Veränderungen. Die preiswerte Verfügbarkeit einer Vielzahl an Marken und Modellen schrumpft.
Zusätzlich entfällt die Möglichkeit, neuere Modelle zu erwerben, da diese bisher ausschließlich aus China versandt wurden. Besonders problematisch ist dies für Geräte wie das kürzlich vorgestellte RG 557, das aufgrund der Einführung der Zölle komplett vom US-Markt fernbleiben könnte. Kurzfristige Alternativen aus inländischer Produktion existieren bislang kaum, sodass Retro-Gaming-Communities in den USA vor größere Herausforderungen gestellt werden. Anbernics Entscheidung wirkt sich dabei nicht nur auf die unmittelbaren Kunden aus, sondern steht beispielhaft für eine ganze Branche von Herstellern chinesischer Handhelds. Andere Anbieter wie Retroid oder ASUS spüren ebenfalls den Druck der Zollpolitik.
Bereits hat Retroid angekündigt, bestimmte Farbvarianten seines Retroid Pocket Classic nicht mehr in die USA zu senden. Auch höherpreisige Geräte wie die Steam Deck von Valve oder der ASUS ROG Ally könnten mittelfristig von Preissteigerungen betroffen sein, sobald die Zölle und handelspolitischen Restriktionen weiter Bestand haben. Doch die Konsequenzen betreffen nicht nur die Retro-Handheld-Community. Auch die großen Gaming-Hardware-Hersteller wie Nintendo und Sony geraten ins Visier der Zollpolitik. Die Veröffentlichung und Vorbestellung der Nintendo Switch 2 in den USA ist beispielsweise von den Restriktionen betroffen, was zu verzögerten Verkaufsstarts führt.
Gleichzeitig erhöht Sony die Preise für ihre PlayStation 5 und Dienste wie PS Plus in mehreren Regionen, um die gestiegenen Kosten zu kompensieren. Dies zeigt, dass die Auswirkungen der Zollpolitik weitreichend sind und die gesamte Videospielbranche vor neue Herausforderungen stellen. Ein Aspekt, der in diesem Kontext oft diskutiert wird, ist die Frage, ob die US-amerikanische Industrie durch den Schutz heimischer Wirtschaftszweige gestärkt werden kann. Es bleibt abzuwarten, ob sich in den USA eine Produktion von Retro-Handhelds etablieren kann, die qualitativ und preislich mit chinesischen Produkten konkurrieren kann. Entwicklung, Fertigung und Logistik von derartigen spezialisierten elektronischen Geräten erfordern allerdings beträchtlichen Aufwand und Know-how, was in kurzer Zeit nur schwer realisierbar erscheint.
Die Retro-Gaming-Community zeigt sich in dieser Situation gespalten. Während einige versuchen, auf die noch verfügbaren US-Lagerbestände zurückzugreifen oder nach alternativen Händlern außerhalb der USA Ausschau halten, hoffen andere auf eine Entspannung der Zollpolitik oder die Entwicklung von innovativen, lokal hergestellten Retro-Geräten. Der Trend hin zu Cloud-Gaming-Angeboten und digitalen Retro-Spielen auf modernen Geräten könnte durch die angespannte Lieferlage auch weiter an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus dürfen Verbraucher die langfristigen Folgen der Handelskonflikte für die Preise und Verfügbarkeit von Spielen und Hardware nicht unterschätzen. Steigende Importkosten wirken sich unmittelbar auf die Kaufkraft aus und könnten zu einer Verknappung und einem Preisanstieg bei Retro-Handhelds und klassischen Spielen führen.
Für Sammler und Enthusiasten könnte dies die Leidenschaft komplizierter gestalten, indem der Zugang zu beliebten Geräten und Spielen erschwert wird. Für Händler in den USA bedeutet der Versandstopp von Anbernic eine Herausforderung im Hinblick auf Lagerhaltung und Nachschub. Einige Händler könnten sich dazu gezwungen sehen, ihr Sortiment um alternative Produkte zu erweitern oder auf andere Marken umzusteigen, die eventuell noch nicht von den Zöllen betroffen sind. Gleichzeitig werden technische Innovationen im Bereich der emulierten Retro-Hardware eine wichtige Rolle spielen, um den Markt auch künftig spannend zu halten. Insgesamt zeigt der Fall Anbernic die Brisanz und die direkten Auswirkungen von Handelskonflikten auf den modernen Konsumentenmarkt.
Was auf den ersten Blick wie ein politisch abstraktes Thema erscheint, bringt deutliche Veränderungen für die Gaming-Community und die Technologiebranche mit sich. Retro-Handhelds, die bisher zu einem erschwinglichen Preis und in großer Vielfalt erhältlich waren, könnten künftig ein selteneres und teureres Gut werden. In der Zwischenzeit bleibt für Retro-Enthusiasten offen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Möglicherweise werden kreative Lösungen gefunden, neue Anbieter treten auf den Plan, oder doch eine stärkere lokale Produktion entsteht, um die Versorgungslücke zu schließen. Bis dahin gilt es, die verbliebenen Lagerbestände zu nutzen und die Entwicklungen auf dem Markt genau zu beobachten.
Die Retro-Handheld-Szene steht an einem Wendepunkt, der sowohl Herausforderungen als auch Chancen mit sich bringt.