Die zelluläre Verjüngung ist eines der faszinierendsten und vielversprechendsten Forschungsgebiete der modernen Biomedizin. Alterung gilt als Hauptursache zahlreicher chronischer Erkrankungen, darunter Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, neurodegenerative Leiden und viele weitere Gesundheitsprobleme, die vor allem in der heutigen alternden Gesellschaft weiter zunehmen. Daher könnte die Fähigkeit, den Alterungsprozess zu verlangsamen oder sogar umzukehren, revolutionäre Auswirkungen auf die Medizin und die Lebensqualität von Millionen Menschen haben. Bisher war die zelluläre Verjüngung jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden, vor allem bezüglich der Sicherheit und der unerwünschten Nebenwirkungen. Ein viel diskutierter Ansatz basierte auf der Nutzbarmachung der sogenannten Yamanaka-Faktoren – eine Kombination mehrerer Gene, die Zellen dazu bringen können, in einen jungfräulichen, pluripotenten Zustand zurückzukehren.
Während diese Methode beeindruckende Verjüngungseffekte zeigte, birgt sie erhebliche Risiken aufgrund der Aktivierung von Pluripotenzwegen, die zur Entartung in Tumorzellen und zu Funktionsverlusten führen können. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich nun eine bahnbrechende Entwicklung ab: Die Entdeckung eines einzigen genetischen Faktors, bekannt unter dem Arbeitstitel SB000, der eine sichere zelluläre Verjüngung ermöglicht, und das ohne die mit den Yamanaka-Faktoren verbundenen Gefahren. Der entscheidende Vorteil von SB000 liegt darin, dass dieser Faktor in der Lage ist, Zellen über verschiedene Keimblätter hinweg zu verjüngen – also menschliche Fibroblasten und Keratinozyten – und dabei vollständig ihre somatische Identität beizubehalten. Im Gegensatz zu den Yamanaka-Faktoren schaltet SB000 nicht die Pluripotenzprogramme an, die Zellen in einen „em bryonalen“ Zustand versetzen könnten, was bisher die größte Hürde für einen sicheren therapeutischen Einsatz darstellte. Mit Hilfe modernster Technologien wie einem neu entwickelten transcriptomischen Alterskalender konnten Forscher den Faktor SB000 mithilfe eines groß angelegten Screening-Verfahrens identifizieren, das gezielt auf das Reparieren und Verjüngen von Zellen abzielte und nicht lediglich auf die Aktivierung der Pluripotenzgene.
Die Bedeutung eines transcriptomischen Alterskalenders liegt darin, dass er eine schnelle und detailreiche Messung des biologischen Alters auf Molekularebene ermöglicht. Dies ist insbesondere deshalb innovativ, weil herkömmliche Methoden zur Altersbestimmung beispielsweise durch DNA-Methylierung, relativ langsam und aufwendig sind. Mit dem neuen Ansatz konnte die Forschung eine noch nie dagewesene Granularität und Geschwindigkeit in der Identifikation von vielversprechenden therapeutischen Kandidaten erreichen. Die Anwendung von SB000 führte bei menschlichen Fibroblasten zu einer deutlichen Umkehr zahlreicher Epigenetischer Uhren sowie zu einer Verjüngung auf Einzelzellebene, gemessen an transcriptomischen Altersmarkern. Gemeinsam mit dem Rückgang von Genen, die mit Zellalterung und chronischer Entzündung verbunden sind, kristallisierte sich ein klarer Verjüngungseffekt heraus, der ohne Verlust der zellulären Identität einherging.
Ein weiterer Meilenstein ist, dass SB000 diese Wirkung auch in Zellen anderer Keimblätter, wie etwa in Hautzellen (Keratinozyten) zeigt, was auf eine breite Anwendbarkeit des Faktors hindeutet. Die Forschung ergab, dass die Effektivität des Faktors in diesen Zellen sogar vergleichbar oder sogar besser als bei den klassischen Yamanaka-Faktoren war. Dieses Ergebnis ist besonders wichtig, weil es die Möglichkeit eröffnet, therapeutische Ansätze zu entwickeln, die sicher, zielgerichtet und breit einsetzbar sind, ohne die Gefahr von Zellentartung oder Funktionsverlust. Die Bedeutung dieser Entdeckung für die Medizin und insbesondere für die Behandlung altersbedingter Erkrankungen ist enorm. Altersprozesse wirken sich auf nahezu alle Organsysteme aus und treiben die Entstehung komplexer Krankheiten voran.
Die Möglichkeit, Zellalterung gezielt und sicher zu modifizieren, könnte eine ganz neue Ära der personalisierten Medizin einläuten. Neben der Prävention von Erkrankungen kann die gezielte Zellverjüngung auch therapeutische regenerative Ansätze fördern, etwa in der Wundheilung, bei degenerativen Erkrankungen und in der Organfunktion. Die Forschung zu SB000 wurde maßgeblich von Shift Bioscience Ltd., einem britischen Biotechnologieunternehmen, vorangetrieben, das sich auf die Entdeckung und Entwicklung sicherer Verjüngungsfaktoren spezialisiert hat. Gefördert durch Innovate UK und weitere namhafte Institutionen, arbeiteten interdisziplinäre Teams daran, die komplexen molekularen Mechanismen hinter dem Alterungsprozess zu entschlüsseln und therapeutische Interventionen zu optimieren.
Die Veröffentlichung der Ergebnisse als Preprint zollt dieser Arbeit eine hohe Bedeutung in der wissenschaftlichen Gemeinschaft und bildet die Grundlage für weiterführende experimentelle und klinische Studien. Natürlich stehen solche innovativen Ansätze noch am Beginn eines langen Überprüfungs- und Entwicklungsprozesses. Es gilt, die langfristige Sicherheit sowie die Wirksamkeit in komplexen Organismen nachzuweisen und mögliche Nebenwirkungen auszuschließen. Dennoch stellt die Identifikation eines einzelnen Rejuvenationsfaktors einen wesentlichen Durchbruch dar, der potenziell die Grenzen der regenerativen Medizin neu definiert. Die Herausforderung besteht nun darin, diesen Faktor in therapeutische Anwendungen zu übertragen, die Patienten langfristig und zuverlässig zugutekommen.
Für viele Menschen weltweit könnte eine solche Fortschritt die Lebensqualität und das gesunde Altern revolutionieren. Altersbedingte Krankheiten verursachen nicht nur individuelles Leid, sondern auch immense gesellschaftliche und wirtschaftliche Kosten. Fortschritte in der Zellverjüngung versprechen, Krankheiten an ihrer Wurzel zu packen und organische Funktionen über ein deutlich längeres Zeitfenster hinweg intakt zu halten. Damit eröffnet sich auch die Perspektive auf einen ganz neuen Ansatz in der medizinischen Prävention, der bis dato nicht realisierbar war. Neben den medizinischen Vorteilen wirft die zellulare Verjüngung aber auch ethische und soziale Fragen auf.