Bentley, die ikonische britische Luxusautomarke im Besitz des Volkswagen-Konzerns, durchläuft eine Phase des Umbruchs und der Anpassung an die sich verändernden Bedingungen im globalen Automobilmarkt. Frank-Steffen Walliser, der seit etwa einem Jahr CEO von Bentley ist, steht vor der komplexen Aufgabe, den Traditionshersteller durch eine Zeit erheblicher Herausforderungen zu führen. Im Mittelpunkt dieser Herausforderungen steht vor allem die Handelssituation zwischen Großbritannien und den Vereinigten Staaten, die trotz eines jüngst vereinbarten Deals von anhaltender Unsicherheit geprägt ist. Diese Unwägbarkeiten wirken sich unmittelbar auf Bentleys Geschäftsstrategie und Lieferketten aus und werfen Fragen zur Zukunft preislicher Stabilität und Planungssicherheit auf. Die Handelsbeziehungen zwischen Großbritannien und den USA sind für Bentley von großer Bedeutung, da die USA zu den wichtigsten Märkten des Unternehmens zählen.
Das politische Tauziehen um Zölle entwickelte sich zu einem Hemmschuh für den Vertrieb britischer Luxusautos. Zwar wurde zwischen Großbritannien und den USA ein Handelsdeal ausgehandelt, der die Zölle auf 10 Prozent reduzieren soll, doch das Fehlen konkreter Details und die Unsicherheit hinsichtlich der endgültigen Bestimmungen führen weiterhin zu erheblichen Herausforderungen für Bentley und andere Automobilhersteller. Frank-Steffen Walliser betont, dass trotz der Verhandlungen und der Ankündigung einer sofortigen Zollsenkung die Situation nicht finalisiert sei und der Automobilsektor sich daher in einem Zustand der Unsicherheit befindet. Normalerweise wird die Planung in dieser Branche auf Jahre im Voraus angelegt – aktuell jedoch muss Bentley monatsweise agieren und reagieren. Die Auswirkungen dieser Unsicherheit sind greifbar.
So hat Bentley bereits Maßnahmen zur Preisstabilisierung ergriffen und sämtliche bis Ende Juni gekauften Fahrzeuge preislich abgesichert. Zudem werden kundenbestellte Wagen weiterhin ausgeliefert, während gleichzeitig weitere Fahrzeugbestände in Großbritannien zurückgehalten werden, bis die endgültigen Zollregelungen klar definiert und umgesetzt sind. Erst dann beabsichtigt Bentley, diese Bestände freizugeben und wieder in den US-Markt einzuspeisen. Dieser vorsichtige Umgang mit der Situation zeugt von einem strategischen Risiko- und Vorsorgebewusstsein, um Kosten durch schwankende Zölle nicht weiterzugeben und die Kundenbindung zu stärken. Bentleys Jahreszahlen reflektieren die Herausforderungen, vor denen das Unternehmen steht.
Für das vergangene Geschäftsjahr verzeichnete Bentley einen Umsatzrückgang von zehn Prozent auf 2,65 Milliarden Euro (etwa 3,06 Milliarden US-Dollar). Die Gewinnmarge, gemessen an der Umsatzrendite, sank zudem von 20,1 Prozent auf 14,1 Prozent. Diese Entwicklung ist jedoch nicht allein auf die Zollproblematik zurückzuführen. Vielmehr durchläuft Bentley einen tiefgreifenden Wandel seiner Produktpalette im Zuge der Elektrifizierung und Modernisierung. Alte Modelle werden sukzessive aus dem Programm genommen und neue, teils elektrifizierte Fahrzeuge eingeführt.
Dies führt naturgemäß zu einer Übergangsphase mit temporären Einbußen im Absatz. Trotzdem bleibt die Nachfrage nach Bentley-Fahrzeugen stark und die neue Produktpalette wird von den Kunden positiv aufgenommen. Das zeigen nicht nur der stetige Auftragseingang, sondern auch die prominente Präsenz der Marke in der Popkultur, etwa in populären Fernsehsendungen wie „Yellowstone“ und „Landman“. Dabei genießen Bentley-Modelle eine besondere Stellung als Statussymbole, die exklusives Design mit technischer Innovation verbinden und so die Attraktivität der Marke im Luxussegment unterstreichen. Eine besondere Aufmerksamkeit gilt bei Bentley aktuell dem neuen Bentayga Speed, einem SUV, der nicht nur das meistverkaufte Modell des Unternehmens ist, sondern mit seiner neuesten Version als die schnellste und leistungsstärkste Ausführung in die Geschichte von Bentayga eingehen soll.
Bemerkenswert ist dabei, dass der Bentayga Speed mit einem turboaufgeladenen V8-Motor ausgestattet ist – ein Motor, der klassisch mit Verbrennungskraftstoff läuft und nicht hybridisiert ist. Der CEO Frank-Steffen Walliser hebt hervor, dass es sich hierbei vermutlich um eines der letzten Fahrzeuge mit dieser Art von Antrieb handelt. Gleichzeitig sieht er die Chance, mit diesem Modell etwas „sehr Einzigartiges“ zu schaffen, das bewusst abseits des Mainstreams verortet wird. Dieses Konzept richtet sich an eine Klientel, die Wert auf das traditionelle Feeling und die Dynamik eines leistungsstarken Benzinmotors legt, auch wenn Bentley parallel den Weg hin zur Elektrifizierung weiterverfolgt. Die Entscheidung, noch einmal einen neuen, rein benzinbetriebenen Hochleistungswagen anzubieten, spiegelt eine interessante Mischung aus Tradition und Innovation wider.
Während die gesamte Automobilindustrie immer schneller in Richtung Elektrifizierung steuert, bewahrt Bentley mit dem Bentayga Speed das Vermächtnis klassischer Motorentechnik. Es ist ein Zeichen dafür, dass trotz des aktuellen Megatrends keine vollkommene Abkehr von Verbrennungsmotoren erfolgt, sondern neben einem zukunftsorientierten Elektroangebot auch die Bedürfnisse und Wünsche klassischer Luxusautokäufer bedient werden. Gleichzeitig arbeitet Bentley intensiv an der Transformation seiner Fahrzeugpalette, um bei der Elektromobilität führend zu sein. Es sind bereits Hybridmodelle auf dem Markt, und ambitionierte Pläne für komplett elektrische Modelle stehen in den Startlöchern. Diese doppelte Strategie ermöglicht der Marke, sich auf unterschiedlichen Märkten und Kundensegmenten flexibel und erfolgreich zu positionieren.
Der Wandel hin zur Elektromobilität ist jedoch mit erheblichen Herausforderungen verbunden, insbesondere hinsichtlich der langfristigen Profitabilität und der Wahrung des hohen Luxusanspruchs, den Bentley-Kunden erwarten. Die geopolitischen und handelsrechtlichen Rahmenbedingungen spielen in dieser Transformationsphase eine bedeutende Rolle. Die Unsicherheit rund um den US-UK-Handelsdeal und die fortsätzliche Existenz von Zöllen erschweren strategische Entscheidungen und wirken sich auf Produktion, Lieferketten, Preisgestaltung und die Markteinführung neuer Modelle aus. Der Brexit und die damit einhergehenden handelspolitischen Veränderungen haben bereits zu Verwerfungen geführt, die durch zusätzliche US-Zölle verstärkt werden könnten. Für eine Marke wie Bentley, die sowohl stark exportorientiert als auch auf exklusive Kundschaft ausgerichtet ist, sind stabile und langfristig planbare Handelsbeziehungen essenziell.
Darüber hinaus stellt sich für Bentley die Herausforderung, weiterhin konkurrenzfähig zu bleiben, ohne an exklusivem Charakter zu verlieren. Im Luxussegment zählen nicht nur technische Innovationen, sondern auch Emotionalität, Handwerkskunst und Einzigartigkeit. Bentley hat es geschafft, diese Werte mit moderner Technologie und Nachhaltigkeitsansprüchen zu verbinden, was sich in einer anhaltend starken Nachfrage zeigt. Die nächsten Jahre werden entscheidend sein, um die Balance zwischen Innovation und Traditionsbewahrung zu finden. Das politische und wirtschaftliche Umfeld wird maßgeblich bestimmen, wie schnell und mit welcher Intensität sich Bentley auf die Elektromobilität ausrichten kann und wie die Marke international positioniert wird.
Die Entwicklung neuer Modelle, die Einführung umweltfreundlicher Antriebe und die Sicherung stabiler Handelsbedingungen sind die Schlüsselthemen. Am Ende steht Bentley vor einem Spannungsfeld, das viele Premiumhersteller betrifft: Die Notwendigkeit, sich auf eine nachhaltige und technologisch zukunftsfähige Art neu zu erfinden, ohne die exklusive Markenidentität und die Begehrlichkeit des Kunden zu verlieren. Die aktuellen Handelsunsicherheiten sind dabei ein zusätzlicher Faktor, der den Wandel erschwert, aber auch eine Gelegenheit bietet, durch kluge Strategien und klare Fokussierung den Marktführerschaftsanspruch zu untermauern. Bentleys neue Modelle, insbesondere der Bentayga Speed als letzter großer Benziner mit V8-Turbomotor, zeugen von der Fähigkeit der Marke, Tradition und Moderne zu verbinden. Gleichzeitig ist das Unternehmen bemüht, durch sorgfältige Planung und Flexibilität in der Handelslogistik auf Unsicherheiten zu reagieren und so seine Position auf dem globalen Luxusautomobilmarkt zu behaupten.
Die Zukunft von Bentley bleibt spannend, geprägt von ambitionierten Zielen, technologischen Herausforderungen und der Suche nach Stabilität in einem dynamischen weltweiten Wirtschaftsumfeld.