Die globale Energiewende und der zunehmende Bedarf an nachhaltiger und verlässlicher Energieversorgung stellen die Gesellschaft vor immense Herausforderungen. Besonders die Übertragung großer Energiemengen über weite Strecken ist mit technischen und wirtschaftlichen Hürden behaftet. Eine der vielversprechendsten Lösungsansätze liegt in der Entwicklung glasisolierter Hochspannungs-Gleichstromkabel (HVDC), die die Zukunft der internationalen Stromvernetzung grundlegend verändern könnten. Diese innovative Technologie verspricht nicht nur signifikante Kosteneinsparungen, sondern auch eine erhöhte Effizienz und eine geringere Umweltbelastung. Glas, insbesondere in Form von hochreinem Quarzglas oder fused silica, gilt als exzellenter elektrischer Isolator und kann den Schlüssel zu revolutionären Verbesserungen der Kabelisolierung darstellen.
Der bedeutendste Vorteil glasisolierter HVDC-Kabel liegt in der außergewöhnlich hohen elektrische Durchschlagfestigkeit, die bei bis zu 500 Megavolt pro Meter liegen kann. Verglichen mit den heute gebräuchlichen XLPE-Kunststoffen, die eine Durchschlagfestigkeit von etwa 150 Megavolt pro Millimeter bieten, ermöglicht die Glasisolierung die Herstellung wesentlich dünnerer und damit leichterer Kabel. Dies führt zu einer deutlich kostengünstigeren Herstellung und reduziert zudem die Materialreichweite erheblich. Die deutlich verringerte Kabeldimension erleichtert darüber hinaus die Verlegung unter extremen Bedingungen, beispielsweise auf dem Meeresboden über tausende Kilometer. Trotz dieser ausgesprochen positiven Eigenschaften bringt der Einsatz von Glas als Isoliermaterial auch Herausforderungen mit sich, insbesondere im Hinblick auf die mechanische Flexibilität.
Glas gilt als sprödes Material, das geringere Biegefähigkeiten aufweist als herkömmliche Kunststoffisolierungen. Dieses Problem kann jedoch durch innovative Fertigungsmethoden und durch die Verwendung des sogenannten Prince-Rupert-Drop-Effekts gemildert werden. Hierbei sorgt die Oberflächenverhärtung des Quarzglases für außergewöhnliche Stabilität. Die intensiven inneren Spannungen, die während des Abkühlungsprozesses im Glas entstehen, ermöglichen eine hohe Bruchfestigkeit, vergleichbar mit vorgespannte Betonstrukturen. Daraus resultiert, dass die Kabel mechanisch belastbar genug sind, um auf dem Meeresboden nicht eingegraben werden zu müssen, sondern sicher über Spalten oder Kluften gespannt werden können.
Dies spart erheblich Kosten und Logistikaufwand bei der Verlegung. Ein weiterer zukunftsweisender Aspekt ist die Zielspannung für den Betrieb dieser HVDC-Kabel. Um große Energiemengen mit geringsten Verlusten zu transportieren, sind hohe Spannungen entscheidend. Die Planung sieht eine Betriebsspannung von etwa 14 Megavolt vor, was wesentlich höher ist als bei bestehenden unterseeischen Verbindungen, die typischerweise in der Größenordnung von 0,5 Megavolt arbeiten. Um diese Technologien realisieren zu können, wären neuartige Umrichterschaltungen erforderlich.
Der Vorteil liegt in der Skalierbarkeit moderner MOSFET-basierter Systeme, die sich mit höheren Spannungen durch einfache Stapelung von Halbleiterbauelementen kosteneffizient anpassen lassen. Zudem bieten moderne Isolationsmedien wie Transformatorenöl oder spezielle Silikahüllen für die Umrichterstationen zuverlässigen Schutz gegen elektrische Überschläge. Die Herstellung dieser Glas-isolierten HVDC-Kabel setzt ein vollkommen neues Fertigungskonzept voraus. Die Idee ist, eine mobile Produktionsanlage auf einem Schiff zu platzieren, das den Kabelstrang kontinuierlich herstellt und gleichzeitig direkt auf den Meeresboden ablegt. Dieses Verfahren kombiniert eine rund 1800 Grad Celsius heiße Schmelzofentechnologie für Quarzglas mit der automatischen Formgebung und dem Einbringen des Aluminiumleiters in einem U-förmigen Kanal.
Die Formgebung erfolgt durch gekühlte Stahldüsen, um die Glasoberfläche durch schnelles Abkühlen, ähnlich der Herstellung von Prince-Rupert-Tränen, zu härten und so die mechanische Spannung im Glas zu erzeugen. Anschließend wird das Kabel direkt hinter dem Schiff ins Wasser abgelassen, wo es auf den Meeresboden sinkt. Diese innovative Fertigungsmethode adressiert auch einige der logistischen Probleme, die bei traditionellen Unterseekabeln auftreten. Traditionelle Kabel müssen in langen, schweren Abschnitten vorgefertigt, transportiert und dann verlegt werden, was immense Kosten verursacht und durch mechanische Belastungen hohe Ausfallraten mit sich bringen kann. Durch die direkt auf dem Schiff erfolgende Produktion entfällt ein Großteil dieses Handlings.
Die Herausforderung besteht jedoch darin, das Kabel über die gesamte Verlegungslänge von mehreren tausend Kilometern mit einer konstanten Geschwindigkeit, beispielsweise zwei Kilometer pro Stunde, herzustellen und gleichzeitig Wetterbedingungen, Seegang sowie Bewegung des Schiffes auszugleichen. Um die Belastungen durch Seeschwankungen wie Wellen, Rollen und Pitch während der Kabelverlegung zu minimieren, wird ein ausgeklügeltes System aus großen Schwimmkörpern und gelochten Rollen vorgeschlagen, die das Kabel stützen und die Zugkräfte reduzieren. Dieses passive System nutzt die Schwerkraft, um sanfte Kräfte auf das Kabel auszuüben und schützt es währenddessen vor übermäßigem Dehnen oder Biegen. Die Konstante Überwachung und Stabilisierung der Produktionsanlage ist essenziell, um ungewollte Biegungen oder Verdrehungen des noch heißen, zerbrechlichen Glas-Isolators zu vermeiden. Ein besonders interessanter Aspekt der glasisolierten HVDC-Kabel ist die Nachhaltigkeit und die wirtschaftlichen Vorteile.
Die Materialkosten sind vor allem dank des Hauptrohstoffs Sand, also Siliziumdioxid, vergleichsweise gering. Für die Herstellung eines 80 Millimeter dicken Kabels über die Atlantikstrecke würden rund 40.000 Tonnen Sand benötigt. Diese Ressource ist im globalen Maßstab reichlich verfügbar und kosteneffizient. Die Betriebskosten beschränken sich vorwiegend auf den Schiffsbetrieb und die Energieversorgung des Glasofens an Bord.
Bei angenommenen Tageskosten von etwa 80.000 US-Dollar für Schiff und zusätzlichen 20.000 US-Dollar für den Glasofen und die Begleittechnik ergibt sich ein Gesamtkostenszenario, das im Vergleich zu konventionellen Kabelbauprojekten extrem günstig ist. Die Investitionskosten für die Einrichtung des Schiffswerks werden zwar zunächst mit etwa 100 Millionen US-Dollar veranschlagt, amortisieren sich aber durch die um ein Vielfaches geringeren Material- und Installationsehren im Laufe der Zeit. Solche Kabel könnten pro Leitung 10 Gigawatt Energie über den Atlantik transportieren, was ausreicht, um rund 20 Millionen Haushalte zuverlässig zu versorgen.
Sie würden damit einen zentralen Baustein für die globale Energieinfrastruktur darstellen, die erneuerbare Energie aus abgelegenen, wind- oder sonnenreichen Regionen kostengünstig und effizient in Energieverbrauchszentren bringt. Dadurch ergeben sich enorme Umwelteffekte, da fossile Kraftwerke ersetzt und CO2-Emissionen drastisch reduziert werden können. Es gibt jedoch auch noch zahlreiche offene Fragen und Herausforderungen auf dem Weg zur Marktreife. Die Reinheit des eingesetzten Quarzglases muss untersucht werden, um Verluste und Durchschläge zu vermeiden. Auch die Langzeitstabilität der Kabel unter Umwelteinflüssen wie Meeresströmungen, Druck, chemischer Erosion und mechanischem Abrieb erfordert intensive Forschung.
Die Reparatur und Wartung solcher Glas-isolierter Kabel gestaltet sich schwieriger als bei klassischen Kunststoff-Isolierungen, zumal Schäden an der Oberflächenhärtung die gesamte Kabelintegrität gefährden könnten. Eine mögliche Strategie ist das Verlegen mehrerer paralleler Kabelwege mit leicht variierenden Routen zur Erhöhung der Betriebssicherheit. Auch die elektrische Schutzeinrichtung stellt eine technische Schwierigkeit dar, da bisher keine Flugelemente oder Schalter für Betriebsspannungen von 14 Megavolt verfügbar sind. Lösung ist hier vor allem ein intelligentes Systemdesign, welches auf schnelle Abschaltung in den Umrichterstationen setzt und vorsieht, Kabel als Verbraucherelemente im Fehlerfall zu opfern, um die stationäre Infrastruktur zu schützen. Konzeptionell kann eine erste Machbarkeitsstudie mit kleineren Demonstrationskabeln schon heute auf relativ einfache Weise durchgeführt werden.
Kleine, kontinuierlich arbeitende Glasöfen mit geringer Leistung sind bereits preiswert erhältlich, und Aluminiumleiter lassen sich in Labor- oder Hobbyumgebungen relativ leicht produzieren. Ein kleines Boot könnte so einen Versuchskabelstrang aufbauen und mit Hochspannungsprüfungen validieren, um die technische Umsetzbarkeit nachzuweisen. Im Fazit bietet die Entwicklung glasisolierter HVDC-Unterseekabel eine der spannendsten Innovationen für die globale Energieinfrastruktur der Zukunft. Die Kombination aus herausragenden Isoliereigenschaften, mechanischer Stabilität durch spezielle Oberflächenhärtung und mobilen Fertigungskonzepten eröffnet völlig neue Dimensionen für die kostengünstige, effiziente und nachhaltige Übertragung erneuerbarer Energien über Kontinente hinweg. Die entscheidenden nächsten Schritte bestehen darin, Demonstratoren zu bauen, Verfahren für die Qualitätskontrolle und Massenproduktion zu verfeinern sowie die politischen, ökologischen und technischen Rahmenbedingungen für eine breite Umsetzung zu schaffen.
Sollte dieses Konzept erfolgreich realisiert werden, könnte es der Schlüssel für eine vernetzte, klimafreundliche Energieversorgung sein, die den Anforderungen einer wachsenden globalen Bevölkerung gerecht wird und zugleich die Grundlagen für eine nachhaltige Zukunft legt.