Die Welt der Künstlichen Intelligenz (KI) ist dynamisch, komplex und bietet Möglichkeiten, die vor wenigen Jahren noch undenkbar schienen. Mein Weg in diese spannende Branche ist ein Beispiel dafür, wie Ausdauer, Lernwille und ein neugieriger Geist eine langfristige Karriere formen können. Der Einstieg in die KI ist für viele ein Traum, doch der Weg dorthin ist selten geradlinig oder einfach. Es braucht sowohl technisches Wissen als auch die Fähigkeit, sich ständig weiterzuentwickeln und mit den schnellen Veränderungen Schritt zu halten. Meine Reise begann lange vor dem Einstieg in formelle KI-Forschung.
Während meines Studiums habe ich mich zunächst auf verschiedene technische Fachgebiete konzentriert – darunter Mikrosystemtechnik (MEMS), Hochenergiephysik, Lasertechnologie sowie eine Praxiszeit in der Batterieentwicklung bei Tesla. Diese breiten Grundlagen waren wichtig, um später die komplexen Anforderungen der KI verstehen und meistern zu können. Dennoch war die Ausrichtung auf KI damals keine Selbstverständlichkeit. Ein entscheidender Wendepunkt war der Beginn meines Promotionsstudiums im Jahr 2017, während dem Deep Reinforcement Learning gerade seinen Höhepunkt erlebte. Die Faszination für das Thema ließ mich nicht los.
Trotz des großen Interesses stieß ich am Anfang auf viele Hindernisse. Gespräche mit renommierten Professoren wie Sergey Levine und Pieter Abbeel verliefen zunächst ergebnislos, denn ich erhielt keine unmittelbaren Zugänge zu ihren Forschungsgruppen. Diese frühen Erfahrungen haben mir jedoch eine wichtige Lektion erteilt: Hartnäckigkeit zahlt sich aus und zahlreiche Türen öffnen sich erst, wenn man immer wieder die Initiative ergreift. Die erste Zeit im Promotionsprogramm verbrachte ich weitgehend ohne direkte Einbindung in die etablierten KI-Forschungsgruppen der Universität. Stattdessen war mein Netzwerk eher im Bereich Elektrotechnik angesiedelt.
Ich fokussierte mich darauf, Grundlagen durch Kurse und das eigenständige Lesen wissenschaftlicher Publikationen zu erwerben, was mir in vielen Aspekten mehr Nutzen brachte als der übliche Rat, sich im Studium nicht zu sehr auf die Kurse zu konzentrieren. Dank einer Empfehlung meines Betreuers erhielt ich schließlich die Gelegenheit, mit einem Postdoc zusammenzuarbeiten, der selbst mit einem renommierten KI-Forscher verbunden war. Gemeinsam widmeten wir uns der Anwendung von maschinellem Lernen auf Mikroroboter. Diese Arbeit war herausfordernd und von vielen Rückschlägen geprägt: Verpasste Konferenzeinreichungen, gescheiterte Experimente und stressige Treffen, in denen ich versuchte, die wesentlichen Fähigkeiten eines „typischen KI-Studierenden“ zu erlernen. Doch gerade dieser Einsatz und die Detailverliebtheit waren für die spätere Karriere von unschätzbarem Wert.
Die erste große Chance bot sich mit einem Praktikum bei FAIR (Facebook AI Research) im Jahr 2019, das früher kam, als ich es erwartet hatte. Dieses Praktikum ermöglichte mir den Übergang aus einer Außenseiterrolle hin zu einem festen Bestandteil der KI-Community. Die Arbeit dort vermittelte mir wichtige Erfahrungen im Umgang mit Experimenten, Softwareentwicklungen und der kompletten Forschungsarbeit. In weiterer Folge folgte ein weiteres Praktikum bei DeepMind, einer der weltweit führenden KI-Forschungsinstitutionen. Obwohl die Zeit dort aufgrund persönlicher Umstände und der Pandemie nicht optimal verlief, bot sie wertvolle technische Einblicke und das Knüpfen eines internationalen Netzwerks.
Diese frühen Brüche in der Karrierebahn waren entscheidend, denn sie eröffneten weitere Möglichkeiten. Eine eindrucksvolle Erkenntnis aus meiner Geschichte ist, dass einmal erlangte Chancen das Momentum beschleunigen können, wenn man kontinuierlich dranbleibt und sich weiterentwickelt. Die Promotion schloss ich zwar ab, ohne an den meist hoch angesehene Konferenzen wie NeurIPS, ICML oder ICLR veröffentlicht zu haben. Dennoch ist mein Netzwerk aus Gleichgesinnten, oft auch als „Insel der Außenseiter“ bezeichnet, eine wertvolle Gemeinschaft von Forschenden, die mit Ausdauer und Kreativität in der KI Fuß gefasst haben, obwohl sie nicht zu den klassischen Elitegruppen gehören. Mein Ziel war immer klar: eine Stelle in der Industrie als Forscher zu bekommen.
Diese wurde ich schließlich bei HuggingFace fündig, wo ich vom erfahrenen Forscher Douwe Kiela rekrutiert wurde. HuggingFace verfolgt die Vision, ein offenes Pendant zu DeepMind zu schaffen, was mir auch fachlich und strategisch sehr entgegenkam. Der Start dort war eher unscheinbar. Bis zum Durchbruch von ChatGPT im Dezember 2022 waren viele meiner Beiträge kleine, inkrementelle Verbesserungen. Diese täglichen Fortschritte – egal ob große Features oder kleinere Aufräumaktionen – stellen eine wichtige Gewohnheit dar, um schließlich größere Erfolge zu erzielen.
Neben technischer Arbeit entwickelte ich eine Leidenschaft für die Kommunikation und das Verbreiten von Wissen über Open-Source-Projekte und verantwortungsbewusste KI-Nutzung. Mein Blogbeitrag über Reinforcement Learning mit menschlichem Feedback (RLHF) gewann schnell an Bedeutung und gehört bis heute zu den am besten gefundenen Ressourcen zum Thema, auch wenn er schon veraltet ist. Dieses Engagement und die Fähigkeit, notwendige, aber oft übersehene Aufgaben zu übernehmen, waren wichtige Faktoren für meinen Erfolg. Beispiele dafür sind die Entwicklung von Tools wie RewardBench, die als erste Evaluationsplattform für Belohnungsmodelle im RLHF gelten. Trotz der ständigen Angst, von anderen überholt zu werden, hat sich gezeigt, dass es lange keinen ernsthaften Wettbewerb gab – man darf die Wirkung einfacher, effizienter Lösungen nicht unterschätzen.
Später, als ich den Wechsel zu Ai2 (Allen Institute for AI) vollzog, wurde die Karrierephase greifbarer und zielgerichteter. Dort konzentriere ich mich auf Projekte mit klarer Hebelwirkung und möglichen Synergien, wie etwa das OLMo-Instruct-Programm, das neue Ansätze für Modellvorbereitung und Anleitung erforscht. Auch die Strategie für mehr Offenheit in der KI-Forschung und die Vernetzung mit anderen Wissenschaftlern sind wichtige Bestandteile meiner Arbeit. Die Philosophie dahinter ist pragmatisch. Ich setze auf kontinuierliche Entwicklung und Konstanz, anstatt auf kurzfristige Forschungs-„Moonshots“.
Langfristige Wirkung entsteht eher durch den Schritt-für-Schritt-Aufbau von Infrastruktur, Wissen und offenen Modellen, in die andere Forschende eingreifen und weiterentwickeln können. Wichtig zu erkennen ist auch, dass eine Karriere in der KI einem sich drehenden Schwungrad gleicht. Am Anfang muss viel Energie investiert werden, um erste Erfolge zu erzielen und ein Momentum aufzubauen. Hat man dieses erst einmal, kann es sich selbst tragen. Allerdings verschiebt sich mit zunehmender Bekanntheit auch der Aufwand: Es gilt, die Balance zwischen häufiger Veröffentlichung und tiefer, nachhaltiger Arbeit zu finden.
Heute verstehe ich meine Rolle auch immer mehr als Ermöglicher. Mit zunehmender Erfahrung und Reichweite kann ich anderen helfen, große Projekte zu realisieren, Hindernisse aus dem Weg zu räumen und das Arbeitsumfeld positiv zu beeinflussen. Das erfordert neue Fähigkeiten, besonders im Bereich Führung und Kommunikation, die ich noch weiter entwickeln möchte. Mein Weg zeigt, dass die Karriere in der KI nicht nur von purem Talent abhängt, sondern vor allem von Beharrlichkeit, Flexibilität und der Bereitschaft, ständig zu lernen. Schwierigkeiten wie Ablehnungen, Zeitunterschiede im internationalen Teamwork oder die Corona-Pandemie sind Hindernisse, aber keine unüberwindbaren Barrieren.
Für all jene, die mit dem Gedanken spielen, in die KI einzusteigen, gibt es einige zentrale Erkenntnisse: Bleiben Sie neugierig und offen für neue Wege, suchen Sie aktiv nach Lerngelegenheiten und Möglichkeiten, auch wenn diese nicht auf den ersten Blick perfekt erscheinen. Vernetzen Sie sich mit Menschen, die Ihre Interessen teilen, und scheuen Sie sich nicht, auch unangenehme Fragen zu stellen oder Rückschläge zu akzeptieren. Die KI-Landschaft ist heute lebendiger und zugänglicher denn je. Doch gerade deshalb ist es wichtig, sich auf nachhaltige Weise zu positionieren und Werte wie Offenheit, Zusammenarbeit und verantwortungsbewusste Forschung hochzuhalten. Nur so können wir gemeinsam die Potenziale der KI zum Wohle aller entfalten.
Dieser persönliche Erfahrungsbericht macht vor allem deutlich, dass der Weg in die KI kein Sprint, sondern ein Marathon ist. Er erfordert eine Mischung aus Willenskraft, Leidenschaft und strategischem Denken. Wer diese Kombination mitbringt, hat gute Chancen, sich in einem der dynamischsten und wirkungsvollsten Bereiche der heutigen Technologie zu etablieren und einen Beitrag zu leisten, der über das Individuum hinausgeht.