Die Stanford University gilt als eines der weltweit führenden Zentren für technologische Innovation und wissenschaftliche Forschung. Gerade in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Robotik und andere zukunftsweisende Technologien ist Stanford eine der Top-Adressen für Forscher und Studierende aus aller Welt. Doch genau diese internationale Offenheit macht die Universität zum Ziel komplexer Spionageaktivitäten, die in den letzten Jahren zunehmend unter dem Radar der Öffentlichkeit stattgefunden haben. Besonders die gezielten Operationen der Chinesischen Kommunistischen Partei (CCP) im akademischen Umfeld werfen Fragen über die Sicherheit von Forschungsdaten und intellektuellem Eigentum auf. Die Berichte über chinesische akademische Spionage an Stanford und anderen amerikanischen Hochschulen zeichnen ein eindrucksvolles Bild davon, wie weit internationale Einflussnahme im akademischen Bereich geht.
Der Fall Charles Chen hat Schlagzeilen gemacht und steht exemplarisch für eine neue Form von Spionage, die als sogenannte „nicht-traditionelle Sammlung“ bezeichnet wird. Unter diesem Decknamen infiltrierte ein Agent der chinesischen Staatssicherheit (MSS) das Studentenleben an Stanford, indem er über Jahre hinweg eine Fake-Persona als Student aufbaute. Ziel war es, vor allem weibliche Studierende, die sich mit China-bezogenen Themen beschäftigten, anzusprechen und sensible Forschungsdetails abzuschöpfen. Seine Tarnung war so ausgefeilt, dass er persönlichere Informationen erhielt, die selbst den betroffenen Studierenden zuvor nicht bewusst waren, und diese geschickt ausnutzte. Die Nutzung der chinesischen Variante von WeChat sowie unkonventionelle Kommunikationskanäle spielte dabei eine wichtige Rolle, um Erkennungsrisiken zu minimieren.
Diese Episode verdeutlicht ein viel größeres Problem: Jahreslange Berichte dokumentieren, wie das chinesische Regime unter dem Mantel des sogenannten „Made in China 2025“-Plans den Spitzenplatz der USA in Schlüsseltechnologien herausfordern will. Angesichts Stanfords besonderer Stellung im Bereich Technologie ist die Universität zu einem Top-Ziel für die gezielte Informationsbeschaffung geworden. Offizielle Stimmen aus dem US-Sicherheitsapparat, darunter ehemalige FBI-Direktoren und national Sicherheitsberater, warnen davor, dass die chinesische Regierung Zeit, Geld und Ressourcen speziell darauf verwendet, um Methoden zu fördern, mit denen Studenten und Forscher an US-Hochschulen für Spionagezwecke eingespannt werden. Die „nicht-traditionelle Sammlung“ ist dabei ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Spionagestrategie. Statt klassischer Agententätigkeit werden zivile Netzwerke genutzt, die konstruktiv und unscheinbar sensible Informationen aus Forschungseinrichtungen abziehen.
Es geht weniger darum, offiziell klassifizierte Dokumente zu entwenden, vielmehr hat die chinesische Staatssicherheit Interesse daran, die Innovationsprozesse, Entwicklungen im Forschungsdesign, technische Abläufe und auch kollaborative Kommunikationswege detailliert zu erfassen. Gerade bei Stanford, wo viele bedeutende Durchbrüche in der KI und Robotik entstanden, wird dieses Modell der Informationsbeschaffung intensiv umgesetzt. Dabei spielen viele chinesische Studierende auf dem Campus eine fragwürdige Rolle – zum Teil unfreiwillig. Der Grund liegt nicht nur in der Motivation der Studierenden allein, sondern vor allem in der starken staatlichen Kontrolle durch Gesetze wie dem chinesischen Nationalen Nachrichtendienstgesetz von 2017. Dieses schreibt ausdrücklich vor, dass jeder chinesische Bürger verpflichtet ist, Geheimdienstarbeit des Staates zu unterstützen.
Die damit einhergehenden sozialen und persönlichen Druckmittel, bis hin zu unmittelbarer Bedrohung von Familienangehörigen in der Heimat, schaffen eine Atmosphäre tiefer Angst und Zwang, der viele chinesische Studierende auf amerikanischen Universitäten belastet. Neben der legalistischen Verpflichtung wirken sich auch Förderstrukturen wie die Förderungen durch den Chinese Scholarship Council (CSC) aus. Das CSC ist einer der wichtigsten Kanäle zur Kontrolle und Steuerung chinesischer Studierender im Ausland. Neben der finanziellen Förderung werden von den Studierenden regelmäßige Lageberichte verlangt, die nicht nur akademische Fortschritte abbilden, sondern auch politische Loyalität und Verhalten überwachen. Berichte zeigen, dass diese Interaktionen oft mit direkter Überwachung durch sogenannte „Handler“ einhergehen, die die Berichterstattung auswerten und Informationen an Parteistellen weiterleiten.
Dabei geht es ebenso um die Überwachung von Diskussionen zu sensiblen Themen auf dem Campus, von Meinungsäußerungen bis hin zu sozialen Kontakten. Die Tatsache, dass Familienangehörige in China oft unmittelbar von Repressalien bedroht werden, wenn Studierende sich widersetzen, verschärft die prekäre Situation. Diese dynamische Drucksituation wird in verschiedenen Interviews von Personen bestätigt, die anonym aufgezeigt haben, dass diese direkte Einbindung bei der Erforschung sensibler Technologien wie Künstlicher Intelligenz und Robotik besonders ausgeprägt ist. Die Sorge vor solchen Repressalien ist so groß, dass Betroffene nur unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen überhaupt mit Fachjournalisten oder Sicherheitsbehörden sprechen. Der Fall um die Stanford-Studentin Chen Song verdeutlicht diese Problematik literarisch: Sie wurde 2020 strafrechtlich verfolgt, weil sie ihre Verbindungen zum chinesischen Militär bei der Beantragung eines Forschungsvisums verschwiegen hatte.
Zudem berichtete sie an die chinesischen Behörden über Details ihrer Arbeit an Stanford. Solche Fälle werden von US-Behörden als Teil eines systematischen Versuchs bewertet, Forschungskapazitäten und technologische Entwicklungen aus amerikanischen Universitäten herauszutragen und gezielt auszuspionieren. Im akademischen Umfeld ist die Reaktion auf diese Ereignisse dennoch oft zwiespältig. Einerseits existiert eine Kultur der Angst, die sowohl aus Furcht vor Repressalien vonseiten der chinesischen Regierung als auch vor möglichen Vorwürfen der Rassendiskriminierung entsteht. Viele Fakultätsmitglieder und Forschende sprechen daher nur anonym über ihre Erfahrungen mit mutmaßlichen Spionageakteuren.
Außerdem führt die Angst, als verdächtig eingestuft zu werden, häufig zu einer Zurückhaltung bei der Meldung von Vorfällen. Dies hat auch zur Auflösung der sogenannten „China Initiative“ 2022 beigetragen, einem US-Regierungsprogramm zur Eindämmung von chinesischer Spionage, das unter Vorwürfen des Racial Profiling massiv kritisiert wurde. Die Akademie steht somit vor einem schwierigen Balanceakt: Forschungsoffenheit und internationale Zusammenarbeit sollen gewahrt bleiben, gleichzeitig müssen Sicherheit und Schutz geistigen Eigentums strikt gewährleistet werden. Der öffentlicher Diskurs ist von den Ängsten und Unsicherheiten geprägt, die aus diesen Konflikten entstehen. Die Tatsache, dass die chinesische Spionage als „eines der größten Transfers von Wohlstand in der Geschichte“ bezeichnet wird, unterstreicht die Tragweite.
Die Antwort auf diese Herausforderung muss sowohl von den Universitäten als auch von den politischen Institutionen kommen. Konkrete Schutzmaßnahmen gegen nicht-traditionelle Spionage erfordern umfassendere Awareness-Schulungen für Studierende und Forschende sowie die Entwicklung von Überwachungsmechanismen, die nicht diskriminierend sind, sondern sich auf sachliche Indikatoren konzentrieren. Auch die transnationale Zusammenarbeit von US-Behörden mit Hochschulen zur frühzeitigen Erkennung und Intervention ist essenziell. Gleichzeitig fordern Experten ein Ende der vorherrschenden Kultur des Schweigens, da sie nur den Einfluss der Spionageakteure begünstige. Zusammenfassend ist die chinesische akademische Spionage an der Stanford University Teil eines strategischen, langfristig angelegten Informationsbeschaffungskampfs, der weit über die Grenzen einzelner Institutionen hinausgeht.
Die Mischung aus staatlicher Kontrolle, studentischen Netzwerken und moderner Technologie ermöglicht eine bislang kaum dagewesene Tiefe der Einflussnahme. Die Folge daraus ist nicht nur der Verlust von Wettbewerbsvorteilen im globalen Technologierennen, sondern auch eine ernsthafte Gefährdung der akademischen Freiheit und des wissenschaftlichen Fortschritts. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen von Bildungseinrichtungen, Behörden und politischer Leitung, um diesem wachsenden Problem wirksam entgegenzutreten und die Integrität amerikanischer Forschung sicherzustellen.