Der Aktienmarkt hat in den letzten Wochen eine bemerkenswerte Erholung erlebt, nachdem die Ankündigung der US-Regierung, die zuvor verhängten Gegenzölle auszusetzen, für eine Entspannung an den Börsen sorgte. Besonders die Nachricht von Präsident Trumps Zollaussetzung im April 2025 hat Anleger motiviert und führte zu einer raschen Gegenbewegung der Kursverluste, die zunächst durch die sogenannten "Liberation Day"-Tarife ausgelöst wurden. Diese Importzölle, die zu Beginn des Jahres zusätzliche Belastungen signalisierten, hatten dazu geführt, dass wichtige Indizes wie der S&P 500 zeitweise um bis zu 19 Prozent gefallen waren – nur knapp an der sogenannten Bärenmarkt-Schwelle vorbei. Dadurch hatten sich zahlreiche Investoren in eine vorsichtige Haltung zurückgezogen und Erwartungen hinsichtlich der wirtschaftlichen und unternehmerischen Entwicklung gedämpft. Vor diesem Hintergrund hat der erfahrene Wall-Street-Analyst Sam Stovall, Chief Investment Strategist bei CFRA, seine Marktprognosen deutlich überarbeitet.
Stovall sieht trotz der weiterhin bestehenden wirtschaftlichen Unsicherheiten weiterhin Potenzial für positive Renditen im S&P 500 für das laufende Jahr 2025. Seine Einschätzung bietet damit einerseits Zuversicht, andererseits warnt er aber auch vor den Herausforderungen, die der aktuelle konjunkturelle Kontext mit sich bringt. Ein zentrales Merkmal der gegenwärtigen Aktienrallye ist, dass sie vor dem Hintergrund einer sich abschwächenden Wirtschaft erfolgt. Während der Aktienmarkt Kurse und Kapitalzuflüsse wieder stetig ansteigen sieht, zeigen viele volkswirtschaftliche Indikatoren auf der Makroebene nach wie vor keine klare Erholung. Die Arbeitslosigkeit ist im Vergleich zu 2023 spürbar gestiegen und liegt aktuell bei etwa 4,2 Prozent, was zwar historisch immer noch als niedrig gilt, zugleich aber eine gewisse Vorsicht rechtfertigt.
Die Inflation, gemessen am Kern-PCE-Index (ohne Energie und Lebensmittel), liegt bei 2,6 Prozent im März 2025 und bleibt zwar über dem von der Federal Reserve angestrebten Ziel von zwei Prozent, ist jedoch weit entfernt von den starken Inflationsraten der Vorjahre 2023 und 2024. Das reale Bruttoinlandsprodukt (BIP) wies für das erste Quartal einen Rückgang von 0,3 Prozent aus, was auf eine leichte Kontraktion hindeutet, allerdings bereinigt um Effekte wie den Außenhandel und Goldtransaktionen, zeigt sich ein moderates Wirtschaftswachstum von etwa 2 Prozent. Neben diesen Basisdaten werfen insbesondere die sogenannten Frühindikatoren ergänzende Bedenken auf. Das Institute for Supply Management (ISM) meldete für den April einen Rückgang des verarbeitenden Gewerbes von 50,9 auf 48,7 Punkte, was eine Kontraktion signalisiert, da Werte unter 50 auf einen Schrumpfungsprozess hindeuten. Beim Dienstleistungssektor zeigte sich ebenfalls eine Schwäche, wobei die aktuellen Daten für April noch ausstehen, jedoch schon der März mit 50,8 Punkten ein Minus gegenüber dem Vorquartal mit 52,8 bedeutete.
Parallel dazu hat sich das Verbrauchervertrauen auf ein 13-Jahres-Tief eingependelt; der Conference Board’s Consumer Confidence Expectations Index fiel auf 54,4 und liegt damit wesentlich unter der Schwelle von 80, die häufig als Warnsignal für eine bevorstehende Rezession interpretiert wird. Die grundlegende Ursache für das sinkende Vertrauen liegt in den steigenden Ängsten der Verbraucher hinsichtlich Arbeitsplatzsicherheit sowie der weiterhin vorhandenen Inflationserwartungen. Vor allem diese konträren Signale zwischen einer sich belebenden Börse und einer sich verlangsamenden Realwirtschaft machen die aktuelle Situation zu einer Herausforderung für Marktteilnehmer. Sam Stovall weist darauf hin, dass bereits historisch betrachtet Aktienmärkte oft als „Leading Indicator“ fungieren, das heißt, die Börsenbewegungen antizipieren häufig wirtschaftliche Wendepunkte. Die derzeitige Erholung könne somit bereits eine Markterwartung auf einen irgendwann folgenden Aufschwung darstellen, auch wenn sich die Konjunkturdaten erst noch verbessern müssten.
Dies führe dazu, dass Anleger trotz gegenwärtiger wirtschaftlicher Unsicherheiten in Risikopositionen zurückkehren, um von möglichen Gewinnen am Aktienmarkt zu profitieren. Die Rolle der geopolitischen Faktoren darf dabei nicht unterschätzt werden. Die vorläufige Aussetzung der Zollpolitik, die einen Handelskonflikt zwischen den USA und China zumindest temporär entschärft, hat eine positive Stimmung in den Märkten erzeugt. Dieser Schritt verhindert vorerst zusätzliche Preissteigerungen und schützt Unternehmen vor weiter steigenden Kosten, wodurch sich auch die Gewinnprognosen der Unternehmen stabilisieren könnten. Gleichzeitig bleibt die Unsicherheit über die langfristige Entwicklung der Handelsbeziehungen eine potenzielle Risikogröße, da eine Wiederaufnahme von Handelskonflikten oder neue protektionistische Maßnahmen die Märkte erneut belasten könnten.
Im Verhältnis zur aktuellen Rasanz der Erholung stellen sich viele Investoren die Frage, wie nachhaltig das aktuelle Marktumfeld ist und welche Sektoren in den kommenden Monaten eine besonders wichtige Rolle spielen könnten. Traditionelle defensive Branchen wie Versorger oder Basiskonsumgüter bieten zwar weiterhin Sicherheit, investieren Anleger jedoch vor allem in technologiegetriebene Werte, wie sie im Nasdaq-Index stark vertreten sind. Dies reflektiert das Vertrauen in Innovationsbranchen und digitale Wachstumsfelder, aber auch die erhöhte Volatilität und Sensitivität gegenüber wirtschaftlichen oder politischen Nachrichten scheint damit verbunden zu sein. Die Volatilitätsindizes (wie der VIX), die als „Angstbarometer“ der Märkte gelten, zeigten in jüngster Zeit eine leichte Beruhigung, sprechen aber für eine weiterhin vorhandene Unsicherheit unter Börsenteilnehmern – eine gesunde, aber aufmerksamkeitsfordernde Marktdynamik. Für Privatanleger und institutionelle Investoren ist es jetzt wichtiger denn je, eine klare Strategie zu verfolgen.
Während defensive Diversifikation und das Management von Risikoelementen wie Inflation, Zinserhöhungen und geopolitischen Spannungen in den Vordergrund rücken, empfiehlt Stovall, auch Chancen in ausgewählten Wachstumsbranchen zu nutzen. Eine langfristige Perspektive und Geduld sind entscheidend, ganz besonders wenn vorübergehende wirtschaftliche Herausforderungen Investitionsgelegenheiten eröffnen. Abschließend zeigt die aktualisierte Marktprognose von Sam Stovall, dass trotz eines komplexen wirtschaftlichen Umfelds Potenzial für eine positive Entwicklung an den Aktienmärkten besteht. Entscheidend wird sein, wie die Wirtschaftsdaten in den kommenden Monaten auf die Handelspolitik, Inflationstrends und die Verbraucherstimmung reagieren. Anleger sollten dabei eine gesunde Mischung aus Vorsicht und Chancenbewertung walten lassen, um von der weiterhin bestehenden Dynamik zu profitieren und gleichzeitig Risiken zu begrenzen.
Die Börse bleibt ein ständiger Balanceakt zwischen Optimismus und Realismus – und gerade in Zeiten wie diesen ist professionelle Analyse und strategisches Handeln unerlässlich.