James Harden ist ohne Zweifel einer der herausragenden Spieler der NBA, dessen Karriere von beeindruckenden individuellen Leistungen geprägt ist. Sechzehn Jahre im Profibasketball, zahlreiche All-Star Nominierungen, ein MVP-Titel und unzählige Highlights sprechen für sich. Doch trotz all dieser Erfolge zieht sich durch Hardens Laufbahn ein immer wiederkehrendes Thema: seine Wirkung in den Playoffs und besonders die Frage, ob er auf die großen Momente vorbereitet ist oder schlichtweg nicht der Anführer ist, den Mannschaften in den Saisonfinalen benötigen. Mit seinem Wechsel zu den LA Clippers in der abgelaufenen Saison rückte Harden erneut ins Rampenlicht. Als Clipper übernahm er eine zentrale Rolle in einem Team, das nicht unbedingt mit hohen Erwartungen in die Saison startete.
Dabei gelang es ihm, seine Qualitäten als Scorer und Spielgestalter zu zeigen und die Clippers auf eine respektable Regular-Season-Bilanz zu führen. Doch es ist das Ende der Spielzeit, wo Jeffreys Narrativ um Harden sich zuspitzt: Frühzeitige Playoff-Aus, mangelnde Führungspräsenz und eine wiederkehrende, enttäuschende Bilanz bei entscheidenden Spielen. Besonders der Verlauf der Serie gegen die Denver Nuggets verdeutlichte jene Herausforderungen, vor denen Harden steht. Die Serie gegen Denver, die mit einer bitteren 101-120 Heimniederlage in Game 7 endete, war ein Spiegelbild von Hardens Playoff-Muster. Nachdem er nach einer Niederlage in Game 1 mit starken 32 Punkten und 11 Assists gegenüber den Medien sprach, zog er sich in drei weiteren verlorenen Spielen medienseitig zurück.
Diese Zurückhaltung, gerade in schwierigsten Phasen, wirft bei Fans und Experten Fragen über seine Rolle als Leader auf. Denn Führung zeigt sich besonders in Momenten der Schwäche und des Rückschlags – Eigenschaften, die Harden scheinbar nicht regelmäßig demonstriert. Während der entscheidenden Wochen zeigte Harden phasenweise durchaus Engagement. Spiel 6, den die Clippers gewannen, war ein Beispiel: 28 Punkte bei über 46 Spielminuten. Trotzdem konnte diese starke Leistung nicht auf den letzten Auftritt in der Serie übertragen werden.
Der Rückgang bei den Feldwurfversuchen und Punkten, insbesondere in entscheidenden Spielen, unterstreicht Hardens famose aber inkonstante Performance in den Playoffs. Neben seinen individuellen Statistiken lässt sich aus Hardens Verhalten eine tiefere Problematik ableiten. Leadership ist nicht nur eine Frage von Punkten und Minuten. Es geht auch um Kommunikation, Verantwortung und die Fähigkeit, ein Team durch Widrigkeiten zu manövrieren. In dieser Hinsicht erscheint Harden nicht immer als der Anführer, den die Clippers in kritischen Momenten brauchen.
Er überlässt die öffentlichen Erklärungen anderen Schlüsselpersonen wie Coach Tyronn Lue, Kawhi Leonard oder Präsident der Basketballoperationen Lawrence Frank. Das wirft Fragen auf, ob er die Leadership-Rolle vollumfänglich annimmt oder ob es an der Bereitschaft mangelt, sich den unangenehmen Fragen und der Kritik zu stellen. Der Clippers-Besitzer Steve Ballmer hatte bei Game 7 eine besondere Geste gezeigt, indem er eine Fansupporters-Section mitstattete. Diese Aktion verdeutlichte die Hoffnung und Zuversicht, die die Organisation in das Team und auch in Harden setzte. Das Ergebnis dieser Hoffnung war jedoch bitter.
Der Franchise, die nach den dunklen Jahren unter Donald Sterling auf einen Neubeginn setzt, fehlt es erneut an tiefem Playoff-Erfolg – und der Stachel sitzt besonders bei Harden, der bereits mit mehreren Mannschaften ähnliche Ausgänge in entscheidenden Spielen erlebt hat. Coach Tyronn Lue lobte zwar Hardens Einsatz und seine Rolle, die Mannschaft zusammenzuhalten – besonders bis zur Rückkehr Kawhi Leonards – doch auch Lue gestand, dass dieses Aus gegen Denver ihn emotional stark belastete. Leonard selbst, der nach verschiedenen Verletzungen in Spiel 7 eine der schwierigsten Begegnungen seiner Karriere hatte, machte keinen Hehl daraus, dass das Team besser hätte auftreten müssen. Er hob hervor, dass trotz der Niederlage der Clippers vieles zeige, dass sie mehr Potenzial hätten, als es das Ergebnis widerspiegelt. Lawrence Frank, Clippers-Manager, äußerte sich nach der Saison ebenfalls kritisch über das Halbfinal-Aus.
Seiner Meinung nach spiegelte Game 7 nicht den Charakter und die Rückschlagsstärke wider, mit der sich das Team in der gesamten Saison ausgezeichnet hatte. Dankbarkeit für Hardens wichtige Beiträge und seine Stabilität in der regulären Saison standen im Vordergrund, dennoch war die Frustration über das playofftechnische Totalversagen deutlich zu spüren. Hardens Alter – bald 36 – und sein Spieler-Option-Vertrag für die kommende Saison werfen zudem Fragen zur Zukunft auf. Das Management zeigte sich jedoch bislang zuversichtlich, dass er bei den Clippers bleiben wird, wenngleich man auch an Alternative- und Notfallplänen arbeitet, um auf eventuelle Veränderungen zu reagieren. Die Herausforderung für die Franchise wird sein, das Team sinnvoll und wettbewerbsfähig zu halten, ohne bei Hardens Verpflichtung zu viel aufzugeben.
Ein weiterer Fokus liegt auf der Zusammensetzung des Backcourts neben Harden. Der Verlust von Offensiv- und Defensivstärke bei Spielern wie Kris Dunn im Playoff-Verlauf und die Rolle von Norman Powell, der zwar eine All-Star-ähnliche Saison vor Verletzungen spielte, aber defensiv und im Ballhandling Defizite zeigt, sind Probleme, die nicht übersehen werden dürfen. Die Frage, ob ein backcourt mit zwei ehemaligen Stars in den Dreißigern mit defensiven Fragezeichen nachhaltig Erfolg haben kann, beschäftigt die Clippers und ihre Fans ebenso wie die allgemeine Strategie des Kaders. Zweifelsohne besitzt Harden nach wie vor Fähigkeiten, die ein Team in der Regular Season voranbringen können. Die große Frage bleibt aber, ob dieser Spieler auch bereit und in der Lage ist, in den Playoffs der dominante Anführer zu sein, den eine Mannschaft benötigt, um tief im Turnier zu bestehen.
Die Betrachtung seiner Karriere zeigt eine Trennungslinie zwischen herausragendem Individualspieler und maßgeblichem Playoff-General. Sein Umgang mit Kritik – zuletzt vor der Saison, als er die Spielstilkritik zurückwies und dabei auf Spieler wie Luka Dončić verwies, die ähnliche Spielweisen pflegen und ihr Team in tiefe Playoffphasen führten – zeigt, dass Harden selbstbewusst ist, was seine Kompetenzen angeht. Doch das Vertrauen alleine genügt nicht, um sich den Erwartungen und dem Druck einer Franchise mit Ansprüchen wie den Clippers zu stellen. Die Debatte um James Harden bleibt daher ein facettenreiches Thema, das weit über die Statistiken der Regular Season hinausgeht. Es geht um Erwartungen, Führungsqualitäten, Kommunikation und vor allem darum, ob ein hochbezahlter, etablierter Star auf höchstem Niveau bereit ist, seiner Rolle als Mannschaftskapitän auch in den schwierigsten Momenten gerecht zu werden.
Die kommenden Spielzeiten werden zeigen, ob Harden diese Herausforderungen besser meistert und die Los Angeles Clippers die Früchte seiner Erfahrung und seines Könnens ernten können oder ob die bekannten Muster weiter Bestand haben und den Traum vom großen Erfolg weiter verhindern. Letzten Endes ist James Harden ein Spieler mit enormem Talent und beeindruckender Basketballintelligenz, doch die ganz große Bühne der NBA erfordert mehr als das: Einen Leader, der seine Mannschaft durch Höhen und Tiefen zieht, der auch in schwierigen Zeiten klare Worte findet und mit der nötigen Entschlossenheit vorangeht. Die Clippers und deren Fans wollen hoffen, dass Harden nicht nur in der Saison den Unterschied macht, sondern auch, wenn es darauf ankommt – wenn echte Heldenzeit ist.