In der Welt moderner, verteilter Softwarearchitekturen ist Observability längst kein optionales Feature mehr, sondern eine unerlässliche Voraussetzung zur Sicherstellung von Zuverlässigkeit und Performance. Die Fähigkeit, Systeme durch Metriken, Logs, Traces und andere Telemetriedaten zu beobachten, bildet das Herzstück effektiver Fehlerbehebung und systematischer Optimierung. Trotz aller Fortschritte im Bereich Standardisierung und Datenerfassung bleibt ein entscheidender Aspekt erstaunlich vernachlässigt: das Abfragen über verschiedene Signale hinweg. Dieses Cross-Signal-Querying ist essenziell, doch in der Praxis beschäftigt sich kaum jemand damit intensiv. Warum ist das so, und welche Konsequenzen hat es für Entwickler und Betreiber? OpenTelemetry hat als branchenweiter Standard die Grundlage für eine universelle Telemetriedatenaufnahme geschaffen.
Es ermöglicht theoretisch eine nahtlose Verknüpfung aller Signalsysteme, von der Messung einzelner Metriken bis zu detaillierten Ablaufverfolgungen. Doch die Realität der gängigen Observability-Plattformen zeigt ein anderes Bild. Die meisten Tools ermöglichen zwar die Darstellung unterschiedlicher Signale nebeneinander, etwa Metriken und Traces in einer Benutzeroberfläche, stehen beim tatsächlichen Abfragen jedoch an Grenzen. Anstatt umfassender Analysewerkzeuge findet sich vor allem eine oberflächliche Verknüpfung, die oft auf manuelle, mühsame Prozesse angewiesen ist. Die Folge sind fragmentierte Einblicke, die eher eine Illusion von Korrelation darstellen als echte, datengetriebene Erkenntnisse.
Ein zentraler Grund für dieses Defizit liegt in der Komplexität von Cross-Signal-Queries selbst. Die Umsetzung erfordert zum einen Sub-Queries, also die Fähigkeit, die Ergebnisse einer Abfrage als Input für eine weitere zu nutzen. Zum anderen sind Daten-Joins unerlässlich, um Daten aus unterschiedlichen Quellen auf Basis gemeinsamer Attribute zusammenzuführen. Fehlen diese Funktionen, müssen Ingenieure zeitintensive und fehleranfällige Workarounds anwenden: Sie laufen mehrere Abfragen nacheinander, exportieren Ergebnisse, verknüpfen sie manuell und verlieren dabei wertvolle Zeit und Kontext. Im Alltag bedeutet das beispielsweise, dass Entwickler zunächst die Benutzeridentifikatoren ermitteln müssen, die eine ungewöhnlich hohe Fehlerquote produzieren, um anschließend erst die korrespondierenden Logs zu durchforsten.
Ebenso erschwert es die Analyse von langsamen Traces, bei der zunächst die problematischen Ablaufverfolgungen identifiziert werden müssen, bevor zugehörige Logs überhaupt in Betracht gezogen werden können. Ohne echte Sub-Query-Fähigkeiten ist dieser Prozess fragmentiert und gibt den Nutzern kaum Gelegenheit, tiefergehende, automatisierte Einblicke zu gewinnen. Ebenso problematisch sind fehlende Joins über Signale hinweg. Moderne Systeme verarbeiten Daten unterschiedlicher Art und Frequenz. Metriken erfassen oft aggregated Werte in festen Intervallen, während Logs und Traces hochgranulare Events mit unterschiedlichen Zeitstempeln liefern.
Um beispielsweise zu erkennen, welche API-Endpunkte besonders durch datenbankintensive Aufrufe belastet werden, müssen verteilte Traces mit den dazugehörigen Metriken verknüpft werden. Ohne Joins bleibt diese Analyse auf separaten Darstellungen, die nur mühsam zusammengeführt werden können und wichtige Zusammenhänge schwer erkennbar lassen. Diese Lücken in der Observability führen häufig zu dem, was manche Experten als „Correlation Theater“ bezeichnen. Dabei handelt es sich um eine oberflächliche Inszenierung von Korrelationen, bei der systemübergreifende Zusammenhänge zwar sichtbar scheinen, aber nicht tatsächlich als abfragbare Datenbasis vorliegen. Die Folge ist, dass Ingenieure zwar verschiedene Telemetriedaten via UI nebeneinander betrachten können, echte, automatisierte und wiederholbare Abfragen jedoch ausbleiben.
Komplexe Analysen sind dadurch auf manuelle Arbeit oder proprietäre, aufwendig konfigurierte Dashboards angewiesen – ein ineffizienter Zustand, der der wachsenden Komplexität moderner Systeme nicht gerecht wird. Doch warum wurden Sub-Queries und Joins bisher kaum implementiert oder propagiert? Die technische Herausforderung ist hoch. Telemetriedaten entstehen in unterschiedlichen Systemen, werden häufig in optimierten Datenbanken für eine bestimmte Signalart gespeichert und differieren stark hinsichtlich Struktur und Volumen. Einheitliche Query-Engines, die performant und skalierbar über heterogene Datenquellen hinweg operieren können, erfordern erhebliche Entwicklungsinvestitionen. Zudem lag das Hauptaugenmerk vieler Anbieter auf isolierten Funktionsverbesserungen in einzelnen Bereichen wie Metriken oder Traces, anstatt eine holistische Lösung zu entwickeln.
Auch die Benutzerfreundlichkeit stellt eine Hürde dar. Ein flexibles Query-System, das komplexe Sub-Queries und Joins ermöglicht, verlangt von den Nutzern tiefere Kenntnisse der zugrundeliegenden Datenmodelle. Das erschwert die breite Akzeptanz und führt dazu, dass die meisten Teams bei den bisherigen, einfacheren Lösungen verbleiben, die zwar begrenzte Insights bieten, aber eine niedrigschwellige Nutzung erlauben. Erst mit besserer Integration, intuitiven Abfragesprachen und automatischer Kontextbildung können Cross-Signal-Abfragen ihr volles Potenzial entfalten. Auf der positiven Seite zeigt sich inzwischen ein wachsendes Bewusstsein für diese Lücke.
Plattformen wie SigNoz arbeiten daran, Multi-Signal-Abfragen in einer einheitlichen Benutzeroberfläche verfügbar zu machen. Dabei wird OpenTelemetry als Grundlage genutzt, um Daten aus Logs, Metriken und Traces in einer gemeinsamen Datenbank zu speichern und über eine zusammenhängende Query-Engine zugänglich zu machen. Das Ziel ist es, echte, wiederholbare Cross-Signal-Queries mit Sub-Queries und Join-Funktionalität zu ermöglichen – um bislang manuelle Diagnoseprozesse zu automatisieren und umfassendere Einsichten zu generieren. Die Vorteile von Cross-Signal-Abfragen sind vielfältig und sprechen für sich. Erstens erlauben sie die Beantwortung komplexer Fragen über Systemzustände, die einzelne Signaltypen alleine nicht leisten können.
Fragen wie "Welche Nutzer erzeugen die meisten Fehler und wie korrelieren diese Fehler mit spezifischen Datenbanktimeout-Events?" können nur durch kombinierte Abfragen beantwortet werden. Zweitens verbessern sie die Effizienz von Incident-Response-Teams, da weniger manuelle Datenaggregation notwendig ist und Zusammenhänge schneller sichtbar werden. Drittens sind sie ein entscheidender Baustein für die Automatisierung von Beobachtungsprozessen in CI/CD-Pipelines und für selbstheilende Systeme. Im Endeffekt zeigt sich, dass das „Warum niemand über Cross-Signal-Abfragen spricht“ weniger an mangelnder Bedeutung liegt, sondern vielmehr an der hohen Komplexität und den infrastrukturellen Herausforderungen. Die Branche steht an einem Wendepunkt, an dem eine technologische und methodische Weiterentwicklung dringend erforderlich ist.
Historisch haben Observability-Plattformen fragmentierte Ansätze verfolgt, doch um dem rasant steigenden Bedarf an tiefgehender Systemtransparenz gerecht zu werden, müssen innovative Lösungen entstehen, die Multi-Signal-Abfragen nahtlos und performant beherrschen. Für Unternehmen und Entwicklerteams bedeutet das, bei der Auswahl von Observability-Tools zunehmend auf diese Fähigkeiten zu achten. Der reine Fokus auf UI-Visualisierungen oder isolierte Signalbetrachtungen wird langfristig nicht ausreichen. Stattdessen ist eine Plattform gefragt, die nicht nur Daten sammelt und anzeigt, sondern auch komplexe analytische Fragestellungen automatisiert unterstützt. Dies wird einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil darstellen, da Unternehmen häufiger und schneller auf Systemausfälle reagieren, Performance-Engpässe erkennen und Ursachen beheben können.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Cross-Signal-Abfragen eine Schlüsseltechnologie für die Zukunft von Observability sind. Sie sind die Brücke zwischen isolierten Datenfragmenten und umfassenden, verständlichen Systemzusammenhängen. Bis diese Technologie breit zur Verfügung steht, müssen Ingenieure weiterhin mit manuellen und unzureichenden Methoden arbeiten, die nur eine Oberflächenkorrelation simulieren. Doch angesichts der technologischen Entwicklungen und dem zunehmenden Interesse an ganzheitlichen Lösungen besteht berechtigte Hoffnung, dass bald echte Cross-Signal-Queries zum Standard gehören – und damit eine neue Ära der Observability eingeläutet wird.