In der heutigen digital vernetzten Welt ist LinkedIn für viele Berufs- und Karrierewege fast unverzichtbar geworden. Die Plattform fungiert als digitales Schaufenster, auf dem man nicht nur sich selbst präsentiert, sondern auch berufliche Kontakte knüpft, Chancen findet und Kompetenzen demonstriert. Dennoch gibt es Menschen, die einen bewussten Schritt zurücktreten, sich von LinkedIn lösen und einen anderen, ruhigeren und authentischeren Weg des Arbeitens wählen. Ash Mercer ist einer von ihnen. Er hat LinkedIn vor einigen Jahren gelöscht – ohne großes Aufsehen, ohne Manifest.
Einfach so. Und dabei ist seine Entscheidung nachvollziehbar und zugleich inspirierend. Das Gefühl, auf LinkedIn wie eine Marke behandelt zu werden, dominiert häufig den Eindruck vieler Nutzer. Es entsteht eine Erwartung, sich und sein berufliches Ich so zu präsentieren, dass es poliert, optimiert und marktorientiert erscheint – eine Version, die nicht zwingend mit der eigenen Persönlichkeit oder den eigentlichen Prioritäten im Einklang steht. Mercer beschreibt diese Diskrepanz als die Herausforderung, die er auf LinkedIn erlebte: sein berufliches Profil wurde zur „Marke“, zum Produkt, und das eigentliche tiefe Engagement mit der Arbeit und den eigenen Leidenschaften trat in den Hintergrund.
Der Sprung ins „Offline“-Berufsleben, fernab der LinkedIn-Bühne, kann zu Beginn verunsichern. Die Sorge, wichtige Chancen zu verpassen oder den Anschluss zu verlieren, spielt dabei häufig eine große Rolle. Doch Mercer macht deutlich, dass vieles von dem, was man verliert, in Wirklichkeit nie einem selbst gehörte. Es waren Chancen, auf die man sich nie wirklich beworben hat, Aufmerksamkeit von Personen, deren Wert man mit der Zeit hinterfragt, und das oberflächliche Gefühl, beruflich „relevant“ zu sein. Was stattdessen gewonnen wird, klingt schlicht und wichtig zugleich: mehr Zeit und tiefere Konzentration auf die tatsächliche Arbeit, die einem am Herzen liegt.
Der Entfall der ständigen Selbstinszenierung erlaubt es zudem, sich zurückzuziehen, um das eigene Schaffen für sich sprechen zu lassen – lautlos, aber wirksam. Doch warum sehnen sich trotzdem so viele Berufsakteure nach Sichtbarkeit und Reichweite? Die Antwort liegt in der Wahrnehmung sozialen und beruflichen Erfolgs im digitalen Zeitalter. Sichtbarkeit wirkt auf den ersten Blick als Synonym für Chancen, Wachstum und Optimierung. LinkedIn – als professionelles Netzwerk – verstärkt dieses Denken durch Features wie Empfehlungen, Endorsements und regelmäßige Newsfeeds. Dieser Druck, ständig präsent und sichtbar zu sein, ist mitunter zermürbend und kann ablenken von den eigentlichen Inhalten und Zielen.
Die Entscheidung, bewusst ohne LinkedIn zu arbeiten, ist deshalb auch eine Entscheidung für weniger Hektik. Weniger Hektik bedeutet nicht weniger Effizienz oder Kompetenz, sondern vielmehr, eine klare Grenze zwischen öffentlicher Berufsidentität und persönlichem Arbeitsleben zu ziehen. Wenn man sich weniger um die ständige Selbstvermarktung kümmern muss, entsteht Raum für tieferen Fokus, kreative Freiheit und eine authentischere Arbeitsweise. Es ist wichtig zu betonen, dass diese Herangehensweise nicht für alle gelten muss. Man muss LinkedIn nicht zwangsläufig komplett verlassen, um Vernetzung und beruflichen Erfolg zu fördern.
Ash Mercer fordert vielmehr eine kritische Selbstreflexion darüber, für wen man seine professionelle Identität wirklich aufbaut. Wer ist das Publikum? Und wie relevant ist diese Sichtbarkeit tatsächlich für die eigenen Ziele? Für manche Berufsprofile mag die Reichweite auf LinkedIn der Schlüssel zu neuen Chancen sein, für andere kann sie eine Ablenkung darstellen, die die eigentliche Arbeit behindert. Arbeitszufriedenheit und Fortschritt können auch fernab von großen Plattformen entstehen – durch Netzwerke im realen Leben, durch individuelle Projekte und durch sorgsam gepflegte Beziehungen. Das Arbeiten ohne LinkedIn bedeutet somit auch, die Freiheit zu haben, den eigenen Weg jenseits von Skalierung und Optimierung zu gestalten. Es öffnet den Raum für ein Leben und Arbeiten, das weniger auf Klickzahlen, Likes oder Followern basiert, sondern mehr auf Qualität, Tiefe und Sinnhaftigkeit.
Es ist diese innere Unabhängigkeit, die Ash Mercer als langfristigen Gewinn sieht. Eine Arbeit, die mehr auf den eigenen Maßstäben beruht und weniger auf den Erwartungen eines breiten Publikums. Das ist ein mutiger Schritt, weil er gegen den Strom des Digitalen arbeitet, das oft Wachstum und Sichtbarkeit als höchste Güter verherrlicht. Doch gerade darin liegt auch eine Chance für viele Fachkräfte und Kreative. In einer Welt voller Informationsflut und permanenter Selbstdarstellung kann der Rückzug zum kleinen, klaren und authentischen Raum helfen, die eigene Energie neu zu fokussieren.
Er bietet die Möglichkeit, sich von oberflächlichen Bewertungen zu lösen und das zu schaffen, was wirklich zählt – erfolgreichen, erfüllenden und nachhaltigen Beruf. Abschließend lässt sich sagen, dass es bei der Verwendung oder dem Verzicht auf LinkedIn nicht um richtig oder falsch geht, sondern um die bewusste Wahl. Unsere berufliche Identität und unser Engagement sollten vor allem uns selbst dienen, nicht einem Algorithmus oder einem Publikum, das wir kaum kennen. Wer sich traut, das eigene berufliche Profil ruhiger und ohne großen Öffentlichkeitshype zu pflegen, kann dabei gewinnen: Zeit, Fokus, sowie die Freiheit, das eigene Werk für sich selbst sprechen zu lassen. Die modernen Werkzeuge zur Vernetzung und Präsentation sind mächtig und hilfreich, doch sie sind kein Muss.
Manchmal genügt es, in der Stille zu arbeiten und seine Erfolge auf andere Weise sichtbar zu machen. Wichtig ist, dass man sich darüber klar wird, was man wirklich braucht und wofür man arbeitet. Erst dann kann man den eigenen Weg gehen – mit oder ohne LinkedIn.