Mohammed bin Salman, oft einfach als MBS bezeichnet, hat sich in den letzten Jahren zu einer der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Figuren im Nahen Osten entwickelt. Im Alter von nur 36 Jahren hat er bereits maßgeblichen Einfluss auf die Zukunft Saudi-Arabiens genommen und steht kurz davor, als König die absolute Macht in einem der wichtigsten Länder der arabischen Welt zu übernehmen. Doch sein Aufstieg und seine Herrschaft sind geprägt von tiefgreifenden Reformen, weltweiten politischen Spannungen und schwerwiegenden Anschuldigungen, die sein internationales Ansehen stark beeinträchtigt haben. MBS ist der Sohn von König Salman, der seit einigen Jahren eher im Hintergrund agiert. Seit 2019 ist der König kaum noch öffentlich präsent, was den Kronprinzen faktisch zum Machtzentrum des Königreichs gemacht hat.
Mohammed bin Salman hat in einem relativ kurzen Zeitraum eine Transformation im Land eingeleitet, die Saudi-Arabien nachhaltige Veränderungen bringen soll. Seine Vision für das Königreich ist in dem Entwicklungsplan „Vision 2030“ verankert, der die Abhängigkeit von Öl reduzieren, die Wirtschaft diversifizieren und mehr Möglichkeiten für junge Saudis schaffen will. Unter seiner Führung eröffnete das Land seine Wirtschaft für ausländische Investitionen und führte gesellschaftliche Veränderungen ein, die in der Region einzigartig sind. Besonderes Augenmerk legt MBS auf die Modernisierung des sozialen Lebens in Saudi-Arabien. Er hob das strenge Verbot für Frauen auf, Auto zu fahren, und erleichterte den Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen.
Unter seiner Führung wurden auch die Maßstäbe für Entertainment und Kultur gelockert, was zum Beispiel die Zulassung von Konzerten internationaler Künstler und Kinos einschließt. Diese Schritte sind Teil eines größeren Plans, das konservative Land nach außen hin offener und moderner zu präsentieren. Trotz all dieser Bemühungen bleibt MBS eine polarisierende Figur. Von vielen internationalen Beobachtern wird er als autoritär wahrgenommen, dessen Machtanspruch kaum Einschränkungen kennt. Ein einschneidendes Ereignis, das sein Image weltweit negativ beeinflusst hat, war die Ermordung des saudisch-amerikanischen Journalisten Jamal Khashoggi im Jahr 2018.
Khashoggi, ein Kritiker der saudischen Regierung, wurde im saudischen Konsulat in Istanbul brutal getötet. US-Geheimdienste und saudische Ermittler sehen in MBS die treibende Kraft hinter diesem Mord. Der Kronprinz hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen und gesagt, dass er keine direkte Verantwortung trage. Dennoch bleibt der Fall ein dunkler Schatten, der sein Ansehen stark belastet. Auch im Inland zeigte MBS seine Entschlossenheit, seine Macht zu konsolidieren.
2017 startete er eine beispiellose Anti-Korruptionskampagne, bei der Hunderte prominente Persönlichkeiten, darunter Mitglieder seiner eigenen Familie und Geschäftsleute, in dem luxuriösen Ritz-Carlton-Hotel in Riad festgehalten wurden. Obwohl offiziell von Korruptionsbekämpfung die Rede war, wird vermutet, dass es sich auch um eine strategische Säuberung handelte, um rivalisierende Kräfte und potentielle Gegner auszuschalten. Die Kombination aus Reformen und autoritärer Herrschaft macht MBS zu einer komplexen Figur, die gleichermaßen Bewunderung und Furcht hervorruft. Während westliche Länder, insbesondere die USA unter Präsident Joe Biden, seine Politik kritisch sehen und persönliche Kontakte auf Eis gelegt haben, ist sein Einfluss im Königreich unumstritten. Diplomaten und lokale Experten betonen, dass sein Weg zur Thronfolge feststeht und keine ernsthaften Widerstände bestehen.
Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass das saudische Machtgefüge traditionell stark zentralisiert ist und der Kronprinz über weitreichende Unterstützung verfügt. Auf wirtschaftlicher Ebene steht Saudi-Arabien unter MBS vor immensen Herausforderungen. Die Abhängigkeit vom Ölgeschäft macht das Land anfällig für globale Schwankungen auf dem Energiemarkt. Die „Vision 2030“ soll helfen, diese Abhängigkeit zu verringern, indem neue Industrien wie Tourismus, Technologie und Unterhaltung gefördert werden. Internationale Investitionen und Großprojekte wie die geplante futuristische Stadt NEOM sind Beispiele für den Wandel, den Saudi-Arabien unter seiner Führung anstrebt.
Diese Initiativen haben das Potenzial, die Wirtschaft tiefgreifend zu verändern und auch das internationale Image der Nation zu verschieben. Trotz der Reformen sind politische Freiheiten weiterhin stark eingeschränkt. Kritiker der Regierung werden rigoros verfolgt, und Meinungsfreiheit findet im Land kaum Raum. Menschenrechtsorganisationen dokumentieren regelrechte Repressionsmaßnahmen gegen Dissidenten, Aktivisten und unabhängige Medien. Die Balance zwischen Modernisierung und strenger Kontrolle scheint eines der zentralen Dilemmata von MBS’ Herrschaft zu sein.
International spielt Saudi-Arabien unter MBS eine strategisch wichtige Rolle, nicht zuletzt wegen seiner enormen Ölreserven und seiner politischen Position im Nahen Osten. Die Beziehungen zu den USA, einem langjährigen Verbündeten, bleiben trotz Spannungen bestehen. Gleichzeitig verfolgt der Kronprinz eine aktivere Außenpolitik, die Einfluss auf regionale Konflikte wie in Jemen und Syrien nimmt und seine Stellung in der muslimischen Welt stärkt. Ein weiterer Schwerpunkt seiner Außenpolitik ist der Umgang mit dem Iran. Die Rivalität zwischen Saudi-Arabien und dem Iran prägt die geopolitischen Spannungen in der Region und beeinflusst zahlreiche Konflikte.
Unter MBS wurde eine härtere Linie gegen Teheran verfolgt, was nicht nur zu militärischen Auseinandersetzungen, sondern auch zu diplomatischen Krisen führte. In der Summe ist Mohammed bin Salman ein Symbol für den Widerspruch zwischen Tradition und Moderne, Reform und Repression, Fortschritt und Machtkalkül. Sein Charakter und seine Politik spiegeln die komplizierte Realität des modernen Saudi-Arabiens wider – ein Land, das tief in seinen konservativen Strukturen verwurzelt ist, aber zunehmend eine neue Identität sucht. Die kommenden Jahre werden entscheidend sein, um zu beobachten, ob Mohammed bin Salman die Transformation seines Landes erfolgreich gestalten kann oder ob die inneren Widersprüche und äußeren Herausforderungen sein Königreich und seine Macht infrage stellen werden. Als zukünftiger König wird er eine Schlüsselrolle auf der globalen Bühne einnehmen, und sein Handeln wird weit über die Grenzen Saudi-Arabiens hinaus von Bedeutung sein.
Die Welt blickt gespannt auf eine der prägendsten Persönlichkeiten des 21. Jahrhunderts, deren Entscheidungen nicht nur die arabische Welt, sondern auch die internationale Politik maßgeblich beeinflussen.