Der US-Aktienmarkt galt lange Zeit als der unangefochtene Favorit unter Anlegern weltweit. Doch ein erfahrener Marktstratege von Jefferies, Christopher Wood, stellt diese Einschätzung zunehmend in Frage. Nach jahrelanger Beobachtung und Analyse der Finanzmärkte glaubt Wood, dass die besten Zeiten für US-Aktien bereits hinter uns liegen. Seiner Ansicht nach hat der US-Markt im Vergleich zu anderen globalen Märkten im Dezember letzten Jahres seinen Höhepunkt erreicht. Diese Einschätzung basiert auf einer Vielzahl von Faktoren, die nicht nur die Bewertung der Aktien, sondern auch geopolitische und wirtschaftliche Entwicklungen umfassen.
Eine wesentliche Komponente seiner Analyse ist die Auswirkung der Handels¬politik der USA unter der Führung von Donald Trump. Insbesondere die eingeführten Zölle haben laut Wood dem Ansehen der USA als sicherer Hafen am Finanzmarkt erheblichen Schaden zugefügt. Das Bild der amerikanischen Ausnahme¬stellung und der wirtschaftlichen Überlegenheit hat dadurch erheblich gelitten. Diese narrative Veränderung beeinflusst nicht nur die Wahrnehmung von Investoren, sondern schlägt sich auch in messbaren Größen wie dem US-Dollar-Index nieder, der seit Einführung der Zölle deutlich gefallen ist. Eine Schwäche des US-Dollars, die bis zu acht Prozent im Jahresvergleich beträgt, spiegelt das nachlassende Vertrauen wider und wirkt sich gleichzeitig auf Investment¬entscheidungen und Kapitalflüsse aus.
Immer mehr Anleger trauen dem Dollar nicht mehr zu, langfristig seine Vormachtstellung zu behaupten. Neben den Währungseinflüssen hat auch die Dominanz der USA am globalen Aktien¬markt einen Wendepunkt erreicht. Im vergangenen Jahr belief sich der Anteil des US-Marktes am weltweiten Markt etwa auf 67 Prozent – eine außerordentlich hohe Quote, die selbst bei robustem Wirtschaftswachstum als zu extrem gilt. Eine derartige Überrepräsentation kann zu einer Marktblatt-Verzerrung führen und warnt strategisch langfristig vor einer beginnenden Korrektur oder einem Nachlassen der Dynamik. Hinzu kommt, dass der S&P 500, eine wichtige Benchmark für US-Aktien, historisch gesehen eine überhöhte Bewertung aufweist.
Gemessen am Kurs-Umsatz-Verhältnis erreichen viele Unternehmen Spitzenwerte, die auf Überbewertung hinweisen und ein erhöhtes Risiko für Anleger bergen. Bewertungsblasen sind häufig Vorboten von Marktkorrekturen, weshalb eine vorsichtige Positionierung ratsam ist. Wood sprach zudem davon, dass die „Erzählung der amerikanischen Exzeptionalität“ – die Überzeugung, dass die USA weiterhin internationale Märkte outperformen werden – im letzten Quartal des vergangenen Jahres stark zugenommen habe. Ironischerweise ist diese wachsende Zuversicht nach seiner Meinung genau das Signal eines bevorstehenden „massiven Tops“ gewesen. Dieses Phänomen tritt häufig bei Finanzmärkten auf, wenn eine optimistische Stimmung ihre Höhe erreicht hat und die Anleger sich in Sicherheit wiegen, kurz bevor sich der Trend umkehrt.
Trotz der jüngsten Markt-Rally, die teilweise von Spekulationen über einen möglichen Kurswechsel in Trumps Zollpolitik getrieben wurde, bleibt Wood skeptisch. Selbst wenn eine Abschwächung oder Rücknahme der Zölle erfolgt, sei der entstandene Schaden an der US-Wirtschaftsreputation wahrscheinlich dauerhaft. Dies macht eine Investition in andere Märkte attraktiver. Für Investoren bedeutet dies konkret, dass eine Diversifikation über den US-Markt hinaus erheblich an Bedeutung gewinnt. Länder wie Deutschland, Frankreich und andere europäische Staaten bieten solide Märkte mit interessanten Wachstums¬perspektiven.
Ebenso sind asiatische Märkte, insbesondere China und Japan, aufgrund ihrer wirtschaftlichen Dynamik und der zunehmenden Globalisierung nicht zu vernachlässigen. Eine breite Streuung verringert das Risiko, das sich aus der Überbewertung und den geopolitischen Unsicherheiten in den USA ergibt. Christopher Wood betonte in einem Schreiben an seine Kunden, dass internationale Nettoinvestitionen in den US-Markt in den letzten Jahren stark zurückgegangen seien. Dieses Verhalten lässt auf eine veränderte Anlegerpräferenz schließen, die weniger auf traditionelle Sicherheit und mehr auf Chancen in wachstumsstärkeren Regionen setzt. Anleger sollten sich also mit anderen Märkten auseinandersetzen, um von langfristigen Trends zu profitieren und mögliche Verluste im US-Bereich auszugleichen.
Die wirtschaftspolitische Entwicklung, insbesondere der Protektionismus, hat die US-Wirtschaft in der globalen Wahrnehmung verändert. Diese Entwicklung könnte dazu führen, dass der US-Markt Herausforderungen gegenübersteht, wie sie in den letzten Jahrzehnten kaum gesehen wurden. Wachstumsmotoren verlieren an Schwung, wenn Handelsbarrieren und politische Spannungen das Investitionsklima verschlechtern. Während viele Investoren weiterhin auf die Stärke des heimischen Marktes bauen, empfiehlt der erfahrene Stratege, einen kritischeren Blick über den Tellerrand zu wagen. Die kommenden Jahre könnten von einer stärkeren internationalen Kapitalallokation geprägt sein, bei der Wertpotenziale außerhalb der USA in den Fokus rücken.
Zusammengefasst ist die Einschätzung von Christopher Wood ein Weckruf für Anleger und Analysten. Die Zeiten des unbegrenzten Wachstums und der US-Marktdominanz könnten vorüber sein. Stattdessen zeigen sich Chancen in internationalen Märkten, die bisher weniger Beachtung fanden. Wer in der Lage ist, die Trends frühzeitig zu erkennen und sein Portfolio entsprechend anzupassen, profitiert am meisten von der globalen Neuausrichtung. Die Realität des heutigen Weltmarktes verlangt Flexibilität, fundierte Analysen und die Bereitschaft, neue Wege einzuschlagen.
Wer dies schafft, kann sich in einer Zeit des Wandels erfolgreich positionieren und von den zukünftigen Entwicklungen profitieren.