Die Werbebranche erlebt derzeit eine tiefgreifende Veränderung, die maßgeblich von den großen Technologiekonzernen wie Meta, Google und Amazon vorangetrieben wird. Mit der Einführung neuer KI-basierter Werbetools, die kreative Prozesse automatisieren und optimieren, geraten die langjährig etablierten Werbeagenturen zunehmend unter Druck. Diese Entwicklung hat weitreichende Implikationen für die gesamte Branche und stellt die Frage in den Raum, wie traditionelle Agenturen in einer zunehmend automatisierten Welt bestehen können. Die großen Tech-Giganten investieren massiv in die Entwicklung von Tools, die das Erstellen und Schalten von Werbekampagnen weitgehend automatisieren. Meta hat beispielsweise angekündigt, bis Ende 2026 ein System auf den Markt zu bringen, das den gesamten Prozess von der Kreation bis zur Ausspielung der Werbung mittels Künstlicher Intelligenz übernimmt.
Ähnliche Entwicklungen sind auch bei Google und Amazon zu beobachten, die ebenfalls Plattformen mit automatisierten Kreativwerkzeugen für Werbetreibende bereitstellen. Selbst Unternehmen wie Comcast, das unter anderem NBCUniversal und den Streaming-Dienst Peacock betreibt, bietet ab Sommer kostenlose KI-Tools an, um die kreative Produktion von Werbespots für Streaming-Anwendungen zu vereinfachen. Diese Digitalisierung und Automatisierung der Werbekreation birgt für die großen Werbeagenturen erhebliche Risiken. Agenturen, die über Jahrzehnte ein Geschäftsmodell aufgebaut haben, das auf menschlichem Kreativinput und umfangreichen Teams basiert, sehen sich gezwungen, ihre Arbeitsweise grundlegend zu überdenken. Die traditionelle Abrechnung nach Stunden, die den Kernpunkt vieler Agenturverträge bildet, wird zunehmend hinterfragt, da KI-Tools den Produktionsprozess nicht nur beschleunigen, sondern auch günstiger gestalten.
Mit der Möglichkeit, Werbekampagnen direkt und ohne große Zwischenhändler zu gestalten und zu implementieren, verringert sich der Bedarf von Unternehmen, externe Agenturen für kreative Dienstleistungen zu engagieren. Besonders kleine und mittelständische Unternehmen dürften von der einfachen Handhabung der KI-Tools profitieren, da sie oftmals nicht über eigene große Marketingabteilungen verfügen und kosteneffiziente Lösungen suchen. Experten wie Michael Nathanson von MoffettNathanson betonen, dass sich die Agenturbranche anpassen muss, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Anpassungen könnten beispielsweise darin bestehen, stärker ergebnisorientierte Vergütungsmodelle einzuführen oder sich auf strategische und beratende Dienstleistungen zu konzentrieren, die über die reine Kreativ- und Produktionsarbeit hinausgehen. Die Rolle der Agenturen könnte sich somit weg von ausführenden Kreativpartnern hin zu strategischen Partnern für Marken entwickeln.
Auch wenn der Fokus vieler KI-Tools auf Performance-Marketing liegt – also der messbaren Steigerung von Handlungen wie Klicks oder Downloads – bleibt die Entwicklung von Markenidentitäten weiterhin eine Domäne, bei der menschliche Kreativität und emotionale Kompetenz unverzichtbar sind. Große Marken mit hohen Anforderungen an Markenimage und Konsistenz werden auch in Zukunft auf Agenturen setzen, die ihnen helfen, eine einzigartige Marke zu gestalten und langfristig zu schützen. Dennoch wird sich durch die technologische Entwicklung auch in diesem Bereich der Druck erhöhen, innovative und effiziente Arbeitsweisen einzuführen. Interessanterweise hat Meta-CEO Mark Zuckerberg in einer kontrovers diskutierten Äußerung erklärt, dass kreative Dienstleistungen durch AI-Werkzeuge zukünftig entbehrlich werden könnten. Dies führte zu Widerstand in der Agenturszene, woraufhin Metas Chief Marketing Officer Alex Schultz klarstellte, dass das Unternehmen die Agenturen weiterhin als wichtige Partner sieht und mit ihnen zusammenarbeitet, um neue Technologien zu entwickeln und zu implementieren.
Die Widerstands- und Anpassungsfähigkeit der etablierten Agenturlandschaft wird ein entscheidendes Kriterium für die Zukunftsfähigkeit sein. Während einige Agenturen die Chancen der KI nutzen, um ihre Kreativprozesse zu ergänzen und effizienter zu gestalten, könnten andere durch die rapide Technologisierung ihre Marktposition verlieren. Der Trend weist darauf hin, dass große Agenturnetzwerke in ihren bisherigen Strukturen vermutlich verkleinert und auf schlankere Teams mit hoher Spezialisierung umgestellt werden müssen. Zudem beobachten Branchenkenner, dass bestimmte Sektoren besonders offen für die Anwendung von KI-Werbetools sind. Beispielsweise experimentieren Luxusmarken wie Gucci und LVMH bereits mit KI-generierten Anzeigen, um angesichts rückläufiger Verkaufszahlen insbesondere in Märkten wie China Kosten zu senken und Kampagnen zu beschleunigen.
Auch Schönheitsunternehmen wie L’Oréal arbeiten in Kooperation mit Technologiepartnern wie Nvidia daran, KI für kreative Zwecke einzusetzen und ihr Marketing effizienter zu gestalten. Die Frage, wie die Werbebranche mittelfristig auf den disruptiven Einfluss der KI reagieren wird, beschäftigt sowohl Investoren als auch Marketingverantwortliche. Derweil sind die Aktien großer Agenturholdinggesellschaften wie Publicis, Omnicom, WPP oder Interpublic unter Druck geraten, zeigen jedoch auch Zeichen der Erholung. Die Unsicherheit im Markt spiegelt die Unklarheit wider, welche Unternehmen den Wandel erfolgreich bewältigen und welche vom technologischen Fortschritt überholt werden. Letztendlich zeichnet sich ab, dass die neuen AI-Tools nicht einfach den Untergang traditioneller Agenturen bedeuten, sondern vielmehr den Anstoß zu einer tiefgreifenden Transformation der Branche geben.
Das Zusammenspiel von künstlicher Intelligenz und menschlicher Kreativität wird in Zukunft anders funktionieren, wobei der Fokus vermehrt auf strategischem Denken, Markenführung und dem Schmieden langfristiger Kundenbeziehungen liegen könnte. Für Unternehmen bedeutet dies, dass sie ihre Marketingstrategien neu justieren müssen, um die Vorteile der Automatisierung zu nutzen und gleichzeitig auf die Bedeutung kreativer Expertise nicht zu verzichten. Agenturen, die es schaffen, KI-Technologien effektiv zu integrieren und gleichzeitig ihre kreativen Kernkompetenzen zu stärken, werden sich am besten positionieren, um im neuen Wettbewerbsumfeld zu prosperieren. Die Einführung von KI in der Werbebranche stellt somit eine Chance dar, Effizienzen zu steigern, Kosten zu senken und individuellere, datenbasierte Kampagnen zu realisieren. Gleichzeitig erfordert sie von allen Akteuren eine hohe Flexibilität und Innovationsbereitschaft.
Das Zeitalter der automatisierten Werbung hat begonnen – und es wird die Werbelandschaft grundlegend verändern.