Die Tiefsee vor der Küste Westaustraliens birgt viele Geheimnisse, von denen viele noch darauf warten, entdeckt zu werden. Eine der jüngsten und aufregendsten Entdeckungen ist die Enthüllung einer neuen Art des Flapjack-Oktopus – ein ungewöhnliches Wesen, das mit seiner Fähigkeit zur Formveränderung und seinen markanten Eigenschaften die Wissenschaftsgemeinschaft in Erstaunen versetzt hat. Dieser neu entdeckte Oktopus wurde Opisthoteuthis carnarvonensis genannt, in Anlehnung an das Gebiet, in dem er gefunden wurde: der Carnarvon Canyon, ein Tiefseegraben, der sich zwischen 1044 und 1510 Metern unter der Meeresoberfläche befindet.Die Entdeckung wurde im Mai 2025 von Forschern, darunter Dr. Tristan Verhoeff vom Tasmanischen Museum und der Kunstgalerie, bekanntgegeben.
Verhoeff ist ein engagierter Systematischer Taxonom, der nicht nur diese spezielle Art beschrieben hat, sondern auch an der Identifikation zahlreicher weiterer Neuheiten mitgewirkt hat. Seine Arbeit zeigt, wie reich und unbekannt die Tiefsee im australischen Raum tatsächlich ist.Flapjack-Oktopusse gehören zur Familie der sogenannten „Dumbo-Octopusse“ oder Cirraten, die sich durch ihre kleinen, weichen und gelatinösen Körper auszeichnen. Der neue Carnarvon-Flapjack-Oktopus hat eine Körperlänge von bis zu 40 Millimetern und weist eine charakteristische orange-braune Färbung auf. Zudem besitzen diese Meeresbewohner im Vergleich zu ihrem Körper große Augen, die ihnen dabei helfen, in den nur spärlich vom Tageslicht erhellten Tiefen ihrer Umgebung Nahrung zu erspähen.
Ihre Nahrung besteht vorwiegend aus kleinen Krebstieren und Würmern.Besonders spannend ist die Fähigkeit dieses Oktopus, seine Körperform zu verändern. Diese Formwandlung ist nicht nur namensgebend – der Bezug auf ein „Flapjack“, also eine Pfannkuchen-artige Form –, sondern dient dem Tier auch zur Tarnung und Anpassung an seine Umwelt. Je nach Situation kann sich der Oktopus zu einer flachen, breit ausgebreiteten Form transformieren, die an einen Pfannkuchen erinnert, oder sich zu einer kleinen, kuppelförmigen Gestalt aufrichten, ähnlich einem winzigen, gelatinösen Regenschirm. Diese verblüffende Verformbarkeit macht ihn zu einem echten Formwandler der Tiefsee.
Interessanterweise unterscheiden sich Dumbo-Oktopusse auch in weiteren Verhaltensmerkmalen von ihren bekannteren Verwandten. So produzieren sie beispielsweise keine Tinte zur Verteidigung und sind offenbar nicht in der Lage, ihre Farbe zu ändern, was viele andere Oktopusarten zu Tarnzwecken beherrschen. Ihre Fortpflanzungsweise ist darauf ausgelegt, in der Tiefsee zu überleben, wo Wachstum und Reproduktion langsamer ablaufen als in flacheren Meeresgebieten. Zudem sind diese Tiere sehr zerbrechlich und weich gebaut, was ihre Erforschung besonders herausfordernd macht.Die bisher bekannten Arten der Dumbo-Oktopusse umfassen weltweit etwa fünfzig beschriebene Spezies, von denen fünfzehn in australischen Gewässern heimisch sind.
Australien gilt damit als eines der Länder mit der größten Vielfalt an dieser besonderen Gruppe der Tiefsee-Kraken. Viele Arten wurden erst in den vergangenen Jahren entdeckt, was darauf hindeutet, dass die Tiefsee vor der australischen Küste ein Hotspot unbekannter biologischer Vielfalt ist.Die neue Art aus dem Carnarvon Canyon unterstreicht zudem die enorme Bedeutung der kürzlich eingerichteten Meeresschutzgebiete in dieser Region, wie des Carnarvon Canyon Marine Parks und des Gascoyne Marine Parks. Diese Schutzgebiete wurden bislang unzureichend erforscht und bieten nun dank wissenschaftlicher Expeditionen wie denen des Forschungsschiffs RV Investigator wichtige Einblicke in die Ökosysteme der Tiefsee. Seit 2022 läuft eine Reihe von Forschungsexpeditionen, deren Ziel es ist, das Meer vor Westaustralien besser zu erkunden und dessen biologische Vielfalt zu dokumentieren.
Die Expeditionen mit der RV Investigator markieren Meilensteine in der wissenschaftlichen Erschließung der Tiefseeareale dieser Region. Es handelt sich um erste detaillierte Vermessungen und Untersuchungen der Lebensräume und Stillleben im Carnarvon- und Gascoyne-Canyon, die sich bis zu 5000 Meter Tiefe erstrecken. Solche Untersuchungen sind unerlässlich, um Schutzmaßnahmen zielgerichtet umsetzen zu können und um zu verstehen, wie empfindliche Ökosysteme auf Umweltveränderungen reagieren.Dr. Venetia Joscelyne, Teamleiterin der CSIRO Marine National Facility, betont die Relevanz der Forschung.
Die Vielzahl neu beschriebener Arten aus nur einem einzigen Forschungsprojekt zeigt, wie viel tiefer das Verständnis für die Tiefsee und ihre Bewohner noch sein könnte. Alleine von Probensammlungen, die in den letzten zehn Jahren mithilfe der RV Investigator gesammelt wurden, gehen Wissenschaftler davon aus, dass mehr als 1000 bisher unbekannte Arten darauf warten, beschrieben zu werden.Diese Erkenntnisse sind nicht nur für die reine Wissenschaft bedeutsam, sondern dienen zugleich als wichtige Grundlage für den Schutz und die nachhaltige Nutzung mariner Ressourcen. Insbesondere angesichts globaler Umweltveränderungen und zunehmender menschlicher Eingriffe in marine Lebensräume wie etwa Fischerei oder Verschmutzung wird das Monitoring der marinen Biodiversität immer wichtiger.Die Entdeckung des Carnarvon-Flapjack-Oktopus ist ein eindrucksvolles Beispiel für die erstaunliche Artenvielfalt, die in den Tiefen der Weltmeere verborgen liegt.
Sie erinnert daran, dass auch im 21. Jahrhundert noch zahlreiche marine Lebewesen unbekannt sind und darauf warten, von der Wissenschaft entdeckt zu werden. Die Fähigkeit dieses Oktopus, seine Körperform flexibel an seine Umgebung anzupassen, zeugt von den vielfältigen Überlebensstrategien, die sich im Laufe der Evolution im Meer entwickelt haben.Insgesamt erweitert der Fund unseren Blick auf die Tiefsee als Ökosystem und macht deutlich, wie wichtig kontinuierliche wissenschaftliche Untersuchungen und der Schutz sensibler Meereszonen für den Erhalt der marinen Biodiversität sind. Die besondere Morphologie und das ungewöhnliche Verhalten des Carnarvon-Flapjack-Oktopus laden Forscher zu weiteren Studien ein, um seine Lebensweise, seine Rolle im Ökosystem und seine Anpassungen an die extremen Bedingungen der Tiefsee besser zu verstehen.