Spintronik ist eine aufstrebende Technologie, die die Spin-Eigenschaften von Elektronen nutzt, um Daten schneller und energieeffizienter zu verarbeiten als herkömmliche elektronische Geräte. Im Zentrum dieser Innovation stehen Materialien, die Spinwellen erzeugen und kontrollieren können, um Informationen ohne herkömmlichen Stromfluss zu übertragen. Hämatit, ein eisenreiches Mineral, das in der Erdkruste weit verbreitet ist, rückt dabei vermehrt in den Fokus von Forschern als nachhaltige Alternative zu den bislang verwendeten Materialien. Diese Entdeckung verspricht nicht nur erhebliche Fortschritte in der Entwicklung ultraflacher und schneller Speichertechnologien, sondern auch eine umweltfreundlichere Lösung für die Herausforderungen der modernen Informations- und Kommunikationstechnologien. Die Grundlage moderner Elektronik basiert auf der Bewegung von Elektronen, was jedoch mit erheblichen Energieverlusten durch Joulesche Wärme verbunden ist.
Spintronik dagegen nutzt sogenannte Spinwellen oder Magnonen — quasiteilchenähnliche Anregungen, die spinbasierte Informationen ohne Ladungsträger transportieren können. Diese Methode ermöglicht nicht nur geringeren Energieverbrauch, sondern auch schnellere Verarbeitungsgeschwindigkeiten. Allerdings war man bei der Umsetzung bisher durch die Materialien limitiert, die solche Spinwellen stabil und kontrolliert erzeugen können. Hämatit stellt hier eine bemerkenswerte Innovation dar. Als seit Jahrtausenden bekanntes Mineral war seine magnetische Wirkung bislang für Anwendungen nicht stark genug.
Doch das Team des Labors für nanoskalige Magnetmaterialien und Magnonik an der EPFL hat in Kooperation mit Wissenschaftlern der Beihang Universität in China herausgefunden, dass Hämatit unglaublich komplexe Spinwelleneigenschaften besitzt, die für die Informationstechnologie von morgen entscheidend sein können. Die Forschung baut auf einem Durchbruch aus dem Jahr 2023 auf, bei dem es gelang, Daten durch Spinwellen zu senden und zu speichern, anstatt elektrischen Strom zu verwenden. Das ist ein entscheidender Schritt zur Reduzierung von Energieverlusten und somit zur Schaffung nachhaltiger Hardware. Was Hämatit besonders macht, ist sein Verhalten bei der Erzeugung zweier verschiedener Magnon-Moden. Während viele traditionelle Magnetmaterialien lediglich eine Magnonmode unterstützen, weist Hämatit zwei unterschiedliche, interferierende Magnon-Modi auf.
Diese Interferenz erzeugt ein spezielles, dynamisch kontrollierbares Muster von Spinwellen. Die praktische Bedeutung dieser Eigenschaft besteht darin, dass Spinströme mit gegenüberliegenden Polarisationen auf demselben Gerät hin- und hergeschaltet werden können. Dadurch könnte man magnetische Bits in einem Nanomagneten wiederholt von 0 auf 1 und umgekehrt setzen, was essenziell für das Überschreiben von digitalen Daten ist. Das Forschungsprojekt begann mit einer unerwarteten Entdeckung: Mitarbeiter an der Beihang Universität registrierten ungewöhnliche elektrische Signale in einem mit Hämatit beschichteten Platin-Streifen, die sich von bekannten Magnetmaterialien deutlich unterschieden. Nach einer intensiven Analyse in der EPFL wurde das Geheimnis hinter diesen Signalen enthüllt – die Interferenz zweier Magnon-Modi im Hämatit.
Die experimentelle Methode umfasste den Einsatz von Lichtstreuungsmikroskopie, die es ermöglichte, die genauen Mustervariationen der Spinwellen zu verfolgen und so die Grundlage der elektrischen Signale zu verstehen. Die Bedeutung dieser Erkenntnis geht über das reine Verständnis der Spinphysik hinaus. Sie eröffnet neue Möglichkeiten für nachhaltige Informationstechnologien, denn Hämatit ist ein extrem erdreiches, umweltfreundliches Mineral. Es ersetzt Materialien wie Yttrium-Eisen-Granat, die zwar hervorragend für Mikrowellenanwendungen optimiert wurden, jedoch vergleichsweise aufwendig und selten sind. Zudem ist Hämatit preiswert und leicht verfügbar, was Produktionskosten senkt und die Skalierung neuer Technologien erleichtert.
Darüber hinaus ist die Fähigkeit von Hämatit, bei ultrahohen Frequenzen Spinwellen zu verarbeiten, von großer Bedeutung für die Zukunft der Datenverarbeitung. Die stetig steigenden Anforderungen an Datenübertragung und Speicherung erfordern Geräte, die nicht nur schnell, sondern auch energieeffizient sind. Die Spinwellen-Technologie macht es möglich, die Daten transportierend und speichernd mit minimalem Energieaufwand zu arbeiten, was in Zeiten von Klimawandel und Ressourcenknappheit ein entscheidender Vorteil sein kann. Damit entstehen perspektivisch Anwendungen, die weit über normale Computerchips hinausgehen. Die Spintronik verspricht neue Arten von Speichern, ultraschnelle Signalverarbeitungseinheiten sowie neuartige Sensoren.
Geräte, die auf Hämatit basieren, könnten so auch in der Telekommunikation, bei Quantencomputern oder im Bereich der Künstlichen Intelligenz eine wichtige Rolle spielen. Außerdem bieten sie einen nachhaltigen Weg, die Abhängigkeit von seltenen und oftmals umweltschädlich gewonnenen Rohstoffen zu reduzieren. Die Forschung befindet sich zwar noch in einem frühen Stadium, doch die Aussicht, Nanomagnete auf Hämatit-Geräte zu montieren und somit das wiederholte Überschreiben von Daten praktisch zu demonstrieren, ist vielversprechend. Damit könnten herkömmliche Methoden der Informationsspeicherung revolutioniert werden und ein wichtiger Beitrag zu nachhaltiger Technologieentwicklung geleistet werden. Insgesamt zeigt die Untersuchung von Hämatit als Material für Spintronik, wie Wissenschaften über alte, bekannte Mineralien neues Wissen schaffen können, das aktuelle gesellschaftliche Herausforderungen adressiert.