In einem bedeutenden Rechtsstreit rund um die Investmentgesellschaft Vanguard Group hat ein US-Bundesgericht den geplanten Vergleich in Höhe von 40 Millionen US-Dollar mit den betroffenen Investoren abgelehnt. Grund für die Ablehnung war, dass unmittelbar vorangehend eine ähnliche, sogar umfangreichere Einigung mit der US Securities and Exchange Commission (SEC) getroffen wurde, die bereits erhebliche Mittel zur Entschädigung der Anleger vorsieht. Der zuständige Richter John Murphy vom US-Bezirksgericht in Philadelphia bewertete den Vergleich als nicht fair, angemessen und aus Investorensicht nicht vorteilhaft. Dabei ließ er keine Zweifel daran, dass die Schadensersatzleistung, zu der sich Vanguard durch die SEC verpflichtet hatte, den Anlegern eine bessere finanzielle Entschädigung gewährleiste als der Vergleich mit den Klägern. Die SEC-Einigung hat ein Volumen von 135 Millionen US-Dollar, wobei nach Abzug der bereits eingeplanten 40 Millionen US-Dollar und individueller Ansprüche Vanguard letztendlich rund 106,4 Millionen US-Dollar auszahlen wird, inklusive einer zivilrechtlichen Geldbuße von 13,5 Millionen US-Dollar.
Die größere Summe und direktere Mittelverteilung ohne zusätzliche Abzüge für Anwaltskosten mache die Separaterledigung der Treuhandfondsinvestoren unattraktiv. Der Kläger John Hughes, der gegen den Vergleich Einwände erhoben hatte, wurde in der Gerichtsentscheidung positiv berücksichtigt. Hughes kritisierte, dass durch die Vergleichszahlung von 40 Millionen US-Dollar rund 13 Millionen US-Dollar für Anwaltsgebühren abgezogen würden, während dies bei der SEC-Regelung nicht der Fall sei. Dies führe faktisch dazu, dass Anleger weniger ausbezahlt bekommen als bei der SEC-Vereinbarung. Der Richter erklärte in seiner 25-seitigen Entscheidung, dass die betroffenen Parteien die mathematischen Gegebenheiten nicht ignorieren könnten – die SEC-Regelung sei eindeutig für die Investoren lukrativer.
Die Entscheidung wirft auch ein Licht auf die Schwierigkeiten, die sich beim Versuch ergeben, parallel laufende regulatorische und zivilrechtliche Verfahren zu vereinbaren. Vanguard argumentierte, dass eine Zurückweisung des Vergleichs durch eine Klagepartei die Fähigkeit von Unternehmen erschweren könne, solche parallelen Fälle in Zukunft zu regeln. In diesen Verfahren geht es um Vorgänge aus dem Jahr 2020, als Vanguard die Mindestanlagebeträge in besonders günstigen Zielterminfonds für institutionelle Kunden von 100 Millionen auf 5 Millionen US-Dollar senkte. Viele institutionelle Anleger nutzten die günstigeren Fonds und wechselten von höherpreisigen Einzelhandelsfonds ab, was bei den Einzelhandelsfonds zu Kapitalabflüssen führte. Diese Gelder mussten durch Verkäufe von Vermögenswerten realisiert werden, wodurch steuerpflichtige Kapitalerträge auf die verbleibenden Anleger entfielen – ein Umstand, der den Anlegern unnötige steuerliche Belastungen auferlegte.
Zielterminfonds sind Mischfonds, die Aktien, Anleihen und Bargeld enthalten und so konstruiert sind, dass sie mit zunehmendem Alter des Anlegers risikomindernder agieren. Gleichzeitig sind diese Fonds auch auf Steuereffizienz ausgelegt, was bei Vanguard in diesem Fall aber nicht vollständig gewährleistet war. Vanguard, mit Sitz in Valley Forge, Pennsylvania, verwaltet laut Angaben vom Januar 2025 ein Vermögen von 10,4 Billionen US-Dollar, was die Bedeutung des Falls auch aus Sicht der Finanzwelt unterstreicht. Der Streitfall trägt den offiziellen Namen „In re Vanguard Chester Funds Litigation“ und wird im Bezirk östliches Pennsylvania verhandelt. Die aktuelle Entwicklung unterstreicht die Komplexität von Prozessvergleichen in der Finanzbranche und stellt Fragen zur optimalen Schadenbegrenzung für Anleger.
Das Urteil verdeutlicht, dass Vergleiche, auch wenn sie auf den ersten Blick lukrativ erscheinen, aus Sicht der Gerichte vor allem im Kontext existierender behördlicher Einigungen kritisch hinterfragt werden müssen. Zudem zeigt es, wie wichtig das genaue Verhältnis von Entschädigungssumme und Abzug von Anwaltsgebühren für die tatsächlichen Rückflüsse an Anleger ist. Rechtsbeobachter sehen in der Entscheidung ein Signal, dass Gerichte künftig noch genauer prüfen werden, ob Vergleichssummen den tatsächlichen Wert und Vorteil für Anleger wiederspiegeln oder lediglich im Interesse der Prozessparteien vereinbart werden. Für Investoren in Zielterminfonds ist die Angelegenheit ein bedeutender Präzedenzfall. Sie zeigt, wie Managemententscheidungen großer Fondsanbieter tiefgreifende Auswirkungen auf die steuerliche Belastung und letztlich auf die Rendite haben können.
Gleichzeitig wird deutlich, dass regulatorische Interventionen der SEC ein wichtiges Korrektiv darstellen können. Insgesamt verdeutlicht der Fall die feinen Nuancen bei der Verwaltung großer Investmentvermögen und die Wichtigkeit einer sorgfältigen Balance zwischen der Anpassung von Produkten an Marktbedürfnisse und dem Schutz der Anlegerinteressen. Für Anleger, Finanzberater und Juristen enthält die Gerichtsentscheidung wichtige Lehren über die Bedeutung von Transparenz, Fairness und dem Nutzen bindender Behördenvereinbarungen im Bereich der Investmentfonds. Der Fall gegen Vanguard wird voraussichtlich auch weiterhin die Aufmerksamkeit der Finanzwelt und der Rechtsprechung auf sich ziehen. Die komplexen juristischen Abläufe und die Wechselwirkungen zwischen regulatorischen und zivilrechtlichen Verfahren könnten in Zukunft dazu führen, dass mehr Firmen und Gerichte umfassender auf solche Zusammenhänge achten.