Die Elektromobilität erlebt weltweit ein rasantes Wachstum. Mit der steigenden Anzahl an Elektrofahrzeugen nimmt auch der Bedarf an zuverlässigen, sicheren und vielseitigen Ladelösungen exponentiell zu. Dabei spielen Softwarelösungen eine entscheidende Rolle, vor allem in Form von Firmware für die Steuerung der Ladegeräte, auch bekannt als EVSE (Electric Vehicle Supply Equipment). Ein besonders innovativer Ansatz ist die Nutzung von Open-Source-Firmware, die speziell für Mikrocontroller (MCUs) entwickelt wurde. Diese Lösung verspricht Flexibilität, Anpassungsfähigkeit und Kosteneffizienz – essentielle Faktoren für den Durchbruch der Elektromobilität.
Open-Source-Firmware für EV-Ladegeräte bietet eine hardwareunabhängige Architektur, die es Entwicklern, Unternehmen und Forschern ermöglicht, Ladegeräte verschiedenster Hersteller und Modelle miteinander zu verknüpfen und weiterzuentwickeln. Open-Source bedeutet in diesem Zusammenhang, dass der Quellcode frei verfügbar und modifizierbar ist, was die gemeinsame Weiterentwicklung in der Community fördert und die Innovationsgeschwindigkeit erhöht. Eines der führenden Projekte in diesem Bereich ist die von Pazzk Labs entwickelte EVSE-Firmware, die unter der GPLv3-Lizenz veröffentlicht wird und somit sowohl für den persönlichen als auch nicht-kommerziellen Gebrauch frei ist. Gleichzeitig gibt es eine kommerzielle Lizenz, die erweiterte Funktionen und professionellen Support bietet, was insbesondere Unternehmen zugutekommt, die fertige Lösungen auf den Markt bringen möchten. Die Firmware unterstützt zahlreiche verschiedene Ladeverfahren und Kommunikationsprotokolle, darunter zukunftsweisende Standards wie ISO 15118 für die automatische Fahrzeugauthentifizierung und das sogenannte Plug&Charge, aber auch etablierte Standards wie IEC 61851.
Neben der Unterstützung von Backend-Authentifizierung auf Basis von OCPP (Open Charge Point Protocol) ermöglicht die Software auch das Laden ohne vorherige Authentifizierung, was vielen Nutzern ein besonders unkompliziertes Erlebnis bietet. Ein Kernaspekt der Firmware ist die hohe Sicherheit. Dazu gehören unter anderem die Erkennung von Fehlerströmen über GFCI-Sensoren (Ground Fault Circuit Interrupter), die Erkennung eines festhängenden Relais sowie die kontinuierliche Überwachung von Ein- und Ausgangsleistung. Diese Sicherheitsfeatures sind essenziell, um Unfälle zu verhindern und die langfristige Zuverlässigkeit der Ladeinfrastruktur zu gewährleisten. Besonders interessant ist die modulare Architektur.
Diese erlaubt es, Funktionen einfach hinzuzufügen oder zu entfernen, abhängig von den individuellen Anforderungen. Beispielhaft können Audio-Funktionen, LCD-Displays oder RFID-Leser eingebunden werden. Damit bietet die Firmware eine enorme Flexibilität, um verschiedenste Hardware-Setups und Anwendungsbereiche abzudecken. Die Netzwerkfähigkeit ist ebenfalls ein wichtiger Bestandteil. Unterstützt wird unter anderem die Anbindung über Ethernet, Wi-Fi und Bluetooth Low Energy (BLE).
Automatische Wiederverbindung und die Verwaltung der Netzwerkverbindungen erleichtern den Betrieb und die Integration in größere Systeme, wie etwa ein Flottenmanagement oder Backend-Dienste. Ein weiterer Pluspunkt ist die Kompatibilität mit vielen unterschiedlichen Mikrocontroller-Plattformen. Das macht es möglich, die Firmware sowohl auf kostengünstigen Entwicklungsboards als auch auf professionellen Host-Systemen einzusetzen. Für Entwickler bietet das die Gelegenheit, schnell zu prototypisieren und verschiedene Szenarien zu simulieren, beispielsweise komplexe Ladesitzungen basierend auf den Protokollen ISO 15118 und OCPP. Neben der Firmware stellt das Projekt auch Referenzhardware als Open-Source zur Verfügung, womit Interessierte nicht nur die Software, sondern auch passende Hardwaremodule verwenden oder anpassen können.
Dies fördert den Aufbau einer eigenen Ladeinfrastruktur und erleichtert den Einstieg in die Entwicklung neuer Produkte. Die Community spielt bei Open-Source-Projekten eine zentrale Rolle, und auch im Bereich der EVSE-Firmware trägt die Zusammenarbeit maßgeblich zum Erfolg bei. Entwickler können Fehler melden, Funktionen vorschlagen oder direkt zur Verbesserung des Codes beitragen. Ebenso profitieren Unternehmen von der gemeinsamen Wissensbasis, was eine schnellere Markteinführung und Kosteneinsparungen ermöglicht. Für Forscher eröffnet das Projekt neue Möglichkeiten, experimentelle Ladestrategien und neue Protokolle zu testen.
Ohne die Abhängigkeit von proprietären Systemen lassen sich Innovationen wesentlich einfacher implementieren und validieren. Angesichts der wachsenden Umweltauflagen und des Nachhaltigkeitsdrucks bietet Open-Source-Firmware für EV-SE eine Lösung, die nicht nur technologisch fortschrittlich, sondern auch ökonomisch und ökologisch sinnvoll ist. Gerade kleine und mittelständische Unternehmen oder Start-ups können von der freien Verfügbarkeit profitieren, um Produkte zu entwickeln, die den Anforderungen der Zukunft entsprechen, ohne teure Lizenzgebühren zahlen zu müssen. Bei der Nutzung der Firmware ist jedoch Vorsicht geboten. Die Steuerung von Hochvoltelektronik und Energieflüssen bringt immer Sicherheitsrisiken mit sich.
Falsche Konfigurationen oder fehlerhafte Installationen können zu Schäden an der Hardware oder sogar Gefahren für Benutzer führen. Daher ist es unerlässlich, vor dem Einsatz sorgfältige Tests durchzuführen und geltende Normen und Sicherheitsvorschriften strikt einzuhalten. Aus rechtlicher Perspektive empfiehlt sich bei kommerziellen Anwendungen eine professionelle Prüfung sowie gegebenenfalls eine technische Zertifizierung. Das EV-Ladegerät ist ein sicherheitskritisches Gerät, das nicht nur reibungslos arbeiten, sondern auch hohe Schutzanforderungen erfüllen muss. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Open-Source-Firmware für EV-Ladegeräte auf Mikrocontrollerbasis ein wichtiger Baustein ist, um die Ladeinfrastruktur der Zukunft zu gestalten.