Die Jobsuche in der Softwareentwicklung kann ein holpriger und oft frustrierender Prozess sein. Noch komplexer wird es, wenn Unternehmen sogenannte Take-Home-Aufgaben einsetzen, um ihre Kandidaten zu beurteilen. In meinem Fall habe ich eine solche Aufgabe bei Kagi Search, einem Unternehmen, das als äußerst renommiert gilt, nicht bestanden. Dieser Erfahrungsbericht erzählt von den Anforderungen, meiner Herangehensweise, den Schwierigkeiten, die mir begegnet sind, und der Enttäuschung über den Ablauf des Bewerbungsverfahrens. Die Reflexion über diese Erlebnisse führt zudem zu einer kritischen Analyse der aktuellen Praktiken von Unternehmen bei der Auswahl von Entwicklern und einem Appell für bessere Alternativen.
Take-Home-Aufgaben: Was steckt dahinter? In der Softwareindustrie sind Take-Home-Aufgaben inzwischen eine gängige Methode für die Kandidatenauswahl. Dabei erhalten Bewerber eine programmiertechnische Aufgabe, die sie zuhause lösen müssen, oft unter hohem Zeitaufwand und ohne finanzielle Kompensation. Ziel ist es, die technischen Fähigkeiten der Bewerber, aber auch deren Eigeninitiative und Problemlösungsstrategien besser einschätzen zu können. Diese Art von Assessment stellt jedoch häufig eine riesige Herausforderung dar, vor allem wenn die Vorgaben unpräzise und die Anforderungen sehr umfangreich sind. Meine Bewerbung bei Kagi Search: Hoffnung und erste Schritte Kagi Search, bekannt für innovative Suchtechnologien, suchte nach einem Backend-Entwickler mit tiefgehenden Kenntnissen in Go, Containerisierung, Skalierung und der Zusammenarbeit mit Site Reliability Engineers.
Nachdem ich meinen Lebenslauf eingereicht hatte, erhielt ich schnell die Einladung, eine Take-Home-Aufgabe zu absolvieren, die meine Fähigkeiten demonstrieren sollte. Die Aufgabe war eine minimalistische E-Mail-Anwendung, die entweder im Terminal oder als Webanwendung realisiert werden sollte. Die Anforderungen waren dabei erstaunlich offen und ungenau, sie beinhalteten grundlegend das Senden und Empfangen von einfachen Klartext-E-Mails. Breite Anforderungen und offene Vorgaben: Fluch oder Segen? Ein entscheidendes Problem bei dieser Aufgabe war die große Offenheit der Anforderungen. Es war unklar, wie tief oder komplex die Lösung sein sollte, was einen erheblichen Spielraum ließ.
Ich kontaktierte den zuständigen Hiring Manager mehrfach mit Nachfragen, um etwas mehr Klarheit zu erhalten, erhielt jedoch nur ausweichende Antworten. Die einzige Aussage war, dass die zusätzlich eingebrachten Features und die Qualität der Dokumentation die Bewertung positiv beeinflussen würden. Es gab jedoch keinerlei konkreten Anhaltspunkt, was wirklich erwartet wird. Mein Vorschlag: Eine durchdachte, technisch anspruchsvolle Lösung Um meine Professionalität zu zeigen, unterbreitete ich einen detaillierten Plan, wie ich die Aufgabe umsetzen wollte. Mein Konzept sah eine in Go geschriebene Webanwendung mit einem einfachen, funktionalen Frontend vor.
Dabei wollte ich eine Backend-Architektur mit einem echten Datenbank-Management und Integration eines externen E-Mail-Service-Providers wie Postmark entwickeln. Zusätzlich legte ich Wert darauf, die Infrastruktur über AWS mit Pulumi bereitzustellen, um neben dem Backend-Know-how auch Cloud- und Infrastrukturkenntnisse zu demonstrieren. Meine Zielsetzung war nicht nur die Funktionalität, sondern auch eine Präsentation des gesamten technischen Spektrums, das für moderne Backend-Entwickler relevant ist. Dazu gehörten Sicherheit durch HTTPS, Benutzer-Authentifizierung sowie eine saubere Trennung von Frontend und Backend. Die Reaktion von Kagi Search auf den Vorschlag war sehr spärlich.
Obwohl ich explizit um Feedback und Informationen über die Erfolgsaussichten meiner Idee bat, erhielt ich lediglich eine kurze, allgemein positive Antwort, ohne auf meine Fragen konkret einzugehen. Dies ließ mich zunächst hoffnungsvoll stimmen, stellte sich aber später als trügerisch heraus. Wochen harter Arbeit und das Ergebnis Trotz der fehlenden Rückmeldung investierte ich eine ganze Woche Vollzeit in die Umsetzung meiner Lösung. Ich stellte sicher, dass das Projekt sowohl lokal lauffähig als auch in der Cloud deployed wurde, damit der Bewerberprozess einen unkomplizierten Zugriff darauf ermöglichte. Die Dokumentation war umfassend und deckte neben Setup-Anweisungen auch Gedanken zu möglichen Erweiterungen ab.
Für einen praktischen Eindruck hatte ich zudem ein Demo-Video erstellt, um das User-Interface und die Funktionalitäten zu erläutern. Nach der Abgabe folgte eine lange Stille, dann kam die offizielle Absage per automatisierter E-Mail. Auf meine Bitte um Feedback erhielt ich eine weitere automatische Antwort, dass kein individuelles Feedback zu dieser Phase gegeben wird. Es wurde zudem mitgeteilt, dass andere Kandidaten mit einfacheren und aus ihrer Sicht stärkeren Lösungen bevorzugt wurden. Das Gefühl der Enttäuschung und die frustrierende Kommunikation Es war enttäuschend zu sehen, dass sogar eine so umfangreiche und durchdachte Lösung offenbar nicht den Erwartungen entsprach und abgelehnt wurde, ohne dass ich zumindest eine klare Begründung erhielt.
Die Tatsache, dass Kagi Search das Jobangebot weiterhin publik hielt, lässt zweifeln, wie fair und transparent der Auswahlprozess wirklich ist. Noch problematischer wurde es, als ich bemerkte, dass die Anforderungen auf der Website nach meiner Abgabe sogar verschärft wurden, was die Diskrepanz zwischen der Bewerbererfahrung und den Vorstellungen des Unternehmens verstärkte. Kritik an der Praxis der Take-Home-Aufgaben Die Durchführung umfangreicher Programmieraufgaben im Rahmen von Bewerbungsverfahren ist nicht nur zeitintensiv, sondern auch psychisch belastend, insbesondere für Bewerber, die sich in einer schwierigen Lebenssituation befinden. Für viele bedeutet das Investieren vieler Stunden oder sogar einer ganzen Woche ohne finanzielle Kompensation eine erhebliche Belastung. Die Praxis führt dazu, dass Talente von vornherein abgeschreckt und viele potenziell gute Entwickler zu Unrecht aussortiert werden.
Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Firmen Aufgaben zu komplex oder undurchsichtig gestalten und Bewerbern wenig Unterstützung oder klare Erwartungen bieten. Dies erschwert es den Kandidaten, sich angemessen vorzubereiten oder zu entscheiden, ob sie wertvolle Zeit investieren wollen. Vorschläge für ein besseres Auswahlverfahren Es gibt Alternativen zu Take-Home-Assignments, die sowohl die Fähigkeiten des Entwicklers besser widerspiegeln als auch zeitlich und inhaltlich effizienter sind. Ein Beispiel ist der Live-Code-Review, der entweder synchron oder asynchron stattfinden kann. Dabei wird tatsächlicher Code diskutiert – etwa ein früheres Projekt oder eine kleine, vorbereitete Codeprobe.
Dies ermöglicht tiefere Gespräche über Designentscheidungen, Architektur und Problembehandlung ohne unnötigen Zeitdruck oder das falsche Format. Auch technische Interviews mit realitätsnahen Fragestellungen und abgestimmter Dauer können helfen, Kandidaten zu evaluieren, ohne sie auszubeuten. Schlussendlich sollte der Mensch hinter dem Code im Mittelpunkt stehen, nicht das bloße Lösen algorithmischer Rätsel in beengter Zeit. Fazit: Mit dem Blick nach vorne Die Erfahrung mit Kagi Search hat mir gezeigt, wie schwierig und manchmal unfair der Bewerbungsprozess in der heutigen Zeit sein kann. Der Spagat zwischen professioneller Darstellung der eigenen Fähigkeiten und der Angst, wertvolle Zeit zu verschwenden, ist groß.
Ich plädiere dafür, dass Unternehmen sensibler mit den Ressourcen und der Lebenslage der Kandidaten umgehen und kreativere, menschlichere Wege der Bewertung finden. Gleichzeitig möchte ich Kandidaten ermutigen, sich nicht entmutigen zu lassen, auch wenn Rückschläge schmerzhaft sind. Nicht jede Absage spiegelt das tatsächliche Potenzial wider – oft ist der Auswahlprozess selbst das Problem. Es lohnt sich, gute Lösungen vorzuschlagen, professionell zu kommunizieren und nach Feedback zu fragen, auch wenn dieses nicht immer gewährt wird. Für alle, die sich gerade in der Suche nach einer Stelle befinden, gilt: Setzt Prioritäten, schützt eure Zeit und fordert Wertschätzung für eure Arbeit.
Die Tech-Branche braucht Talente, und diese sollten nicht durch veraltete oder ausbeuterische Verfahren verlorengehen. Lassen wir uns gemeinsam für bessere Auswahlprozesse einsetzen und eine Kultur schaffen, in der wahres Können vor Show steht.