In der politischen Landschaft der Vereinigten Staaten tobt ein stürmischer Wahlkampf, der nicht nur die Wähler mobilisiert, sondern auch die Finanzmärkte in Aufruhr versetzt. Neun Wochen vor der Präsidentschaftswahl am 5. November 2024 stehen zwei prominente Kandidaten im Mittelpunkt: der ehemalige Präsident Donald Trump und die amtierende Vizepräsidentin Kamala Harris. Beide bringen unausweichliche Unsicherheiten für die Börsen mit sich, die Analysten und Investoren gleichermaßen in Alarmbereitschaft versetzen. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass die Wahl zwischen Trump und Harris weitreichende Auswirkungen auf die Wirtschaft haben könnte.
Trump, der für seine aggressive Wirtschaftspolitik und protektionistischen Ansätze bekannt ist, wird wahrscheinlich eine Fortsetzung seiner Strategie der Steuererleichterungen und Deregulierungen anstreben. Auf der anderen Seite könnte eine Wahl von Kamala Harris die amerikanischen Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen, darunter eine Erhöhung des Gewinnsteuersatzes und ein strengerer regulatorischer Rahmen. Die politische Unsicherheit, die mit dem bevorstehenden Wahlkampf einhergeht, hat die Märkte bislang übermäßig verunsichert. Ryan Sweet, Chefökonom bei Oxford Economics, beschreibt die gegenwärtige Situation als „eine Zeit massiver Unsicherheit“, besonders während der Vorwahlen. Die Tatsache, dass Harris erst relativ spät als Kandidatin der Demokraten ins Rennen geht, verschärft diese Unsicherheit.
Gleichzeitig bleibt unklar, inwieweit Trump seine Wahlversprechen tatsächlich umsetzen kann, sollte er an die Macht zurückkehren. Ein Sieg der Republikaner würde vermutlich weitreichende steuerliche Erleichterungen und eine Deregulierung von Branchen, insbesondere im Energiesektor, zur Folge haben. Diese Maßnahmen könnten die Aktienkurse vorübergehend anheben. Analysten der UBS warnen jedoch vor den potenziellen Gefahren, die Trump mit sich bringen könnte, wie etwa eine Zunahme von Handelskriegen und höheren Zöllen. Diese protektionistischen Maßnahmen könnten die Inflation anheizen und langfristig das Wirtschaftswachstum bremsen.
Auf der anderen Seite könnte ein Sieg der Demokraten unter Harris die Unternehmenssteuern erhöhen und die Unternehmen vor zusätzliche Herausforderungen stellen. Die geplante Erhöhung des Gewinnsteuersatzes von 21 auf 28 Prozent würde für viele Firmen einen Treffer bedeuten. Zudem ist zu erwarten, dass Harris während ihrer Amtszeit konsequent das Antitrust-Recht durchsetzen und so Fusionen und Übernahmen strenger kontrollieren wird. Diese regulatorischen Hürden könnten insbesondere Banken und verschiedene andere Sektoren stark belasten. Die Frage ist: Welchen Einfluss wird die politische Ausrichtung der Regierung auf die Märkte haben? Ein Gesamtgewinner für die Demokraten könnte für viele Analysten das schlechteste Szenario darstellen.
Die Banken, die bislang von einem liberalen wirtschaftlichen Umfeld profitiert haben, müssten sich möglicherweise auf eine härtere Aufsicht einstellen, was nachhaltig negative Auswirkungen auf ihre Aktienkurse zur Folge haben könnte. Dennoch gibt es auch Stimmen, die argumentieren, dass Harris’ Politik weniger volatil und vorhersehbar ist und daher eine gewisse Stabilität für den Finanzmarkt bieten könnte. Die Börse reagiert oft empfindlich auf politische Ereignisse, und die Entwicklungen im Wahlkampf scheinen diesen Trend zu bestätigen. Nach einem starken Auftritt von Kamala Harris in einer Debatte berichten Analysten über ein leichtes Plus für sie auf den Wettmärkten. Indes geben Aktien, die traditionell als „Trump-Trade“ gelten, nach.
Eine der sichtbarsten Reaktionen war der Rückgang des Bitcoin-Kurses und der Aktien von Trumps Social-Media-Plattform Truth Social, was darauf hindeutet, dass der Markt auf politisch laute Stimmen sensibel reagiert. Ein weiteres zu beachtendes Szenario ist die Möglichkeit eines gespaltenen Kongresses nach den Wahlen. Analysten schätzen die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten im Abgeordnetenhaus und die Republikaner im Senat die Oberhand gewinnen, auf 50 Prozent. Ein solcher Ausgang könnte eine legislative Blockade zur Folge haben, was für den Finanzmarkt wiederum positiv sein könnte. Ein gespaltenes Parlament könnte extreme politische Maßnahmen und bedeutende Veränderungen im wirtschaftlichen Umfeld abmildern und für eine gewisse Stabilität sorgen.
Langfristig sollten Anleger jedoch nicht nur die unmittelbaren politischen Wahlen im Auge behalten, sondern auch andere fundamentale wirtschaftliche Faktoren, die die USA prägen. Dazu zählen die Geldpolitik der Federal Reserve, die Entwicklung des Konsumverhaltens, die Produktivität und demografische Veränderungen. Die Fed hat bislang ihren Leitzins nicht gesenkt, was den Märkten einen gewissen Spielraum für Zinsanpassungen gibt. Eine mögliche Zinssenkung könnte die Aktienkurse ankurbeln, was zu einer Erholung bestimmter Sektoren führen könnte, die stark auf Fremdfinanzierung angewiesen sind. Die Entwicklung des Konsums zeigt sich bislang resilient, obwohl die steigenden Zinsen den Druck auf die Verbraucher erhöhen.
Die zunehmenden Kreditkartenschulden und die fallende Sparquote deuten jedoch darauf hin, dass eine wirtschaftliche Anpassung erforderlich ist, falls der Arbeitsmarkt nicht stabil bleibt. Dies könnte wiederum eine Herausforderung für die nächste Regierung darstellen, unabhängig von der gewählten Partei. Die Produktivität ist ein weiterer Schlüsselfaktor. Während die künstliche Intelligenz derzeit als potenzieller Treiber für zukünftiges Wachstum betrachtet wird, zeigen sich die vollen Effekte wohl erst in den kommenden Jahren. Die Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung bleibt jedoch ein dauerhaftes Problem, welches gesellschaftliche Spannungen erzeugt und die Bereitschaft fördert, extreme politische Maßnahmen zu ergreifen.