Russlands Wirtschaft steht vor erheblichen Herausforderungen, die sich inzwischen auch in den Transportstatistiken abzeichnen. Große Exportunternehmen wie Rusal, Gazpromneft und wichtige Stahlproduzenten haben in jüngster Vergangenheit ihre geplanten Transportvolumina auf der Schiene deutlich gesenkt. Dies geht aus einem vertraulichen Dokument der Russischen Eisenbahn hervor, das Reuters einsehen konnte. Die Einschnitte spiegeln nicht nur eine gedämpfte Nachfrage wider, sondern werfen ein Licht auf die langsamer werdende Entwicklung der sogenannten Kriegswirtschaft des Landes. Die Russische Eisenbahn, die als staatliches Monopol den Großteil des Schienengüterverkehrs im Land kontrolliert, plant im Jahr 2025 ihre Ausgaben um weitere 32,5 Milliarden Rubel, umgerechnet etwa 408 Millionen US-Dollar, zu senken.
Dies entspricht rund 3,5 Prozent weniger als ursprünglich vorgesehen. Mit den geplanten Ausgaben von rund 858,4 Milliarden Rubel beabsichtigt der Verkehrsträger, sich an die geänderte Prognose für die Frachten anzupassen. Schon im Vorfeld des Jahres 2025 wurde ein Budgetvorteil von 40 Prozent bei den Investitionen im Vergleich zu 2024 angekündigt, ausgelöst von den massiv gestiegenen Zinskosten aufgrund der restriktiven Geldpolitik. Die Frachtonnen, die auf den Schienen befördert werden, sind ein hilfreicher Indikator für die industrielle Aktivität in Russland, das merklich exportorientiert ist. Ein Rückgang der transportierten Gütermengen bedeutet fast immer eine verlangsamte Produktion und verminderte Exporttätigkeit.
2024 war das Transportvolumen bereits auf den tiefsten Stand seit 15 Jahren gefallen. Für 2025 prognostiziert die Russische Eisenbahn, dass rund 36,7 Millionen Tonnen weniger als die Anfangsprognose von 1,24 Milliarden Tonnen befördert werden. Unter den Verursachern dieser Entwicklung finden sich Schwergewichte wie Rusal im Aluminiumsektor sowie die Stahlriesen Severstal und Magnitogorsk Iron and Steel Works (MMK). Ein Vergleich mit den Zahlen aus dem Vorjahr zeigt weiterhin die Tendenz eines Rückgangs. Von Januar bis April 2025 fiel das Transportvolumen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,8 Prozent.
Gleichzeitig bleibt das Gesamtvolumen in diesem Jahr nur unwesentlich höher als die 1,18 Milliarden Tonnen aus 2024. Das deutet darauf hin, dass auf kurze Sicht keine Entspannung oder Umkehr des Trends zu erwarten ist. Ein zentrales Thema in der Ursachenforschung für diese Entwicklung ist der anhaltend hohe Zinssatz, der die Kreditkosten für Unternehmen massiv in die Höhe treibt. Seit Oktober hält die Zentralbank Russlands den Leitzins auf einem außerordentlich hohen Niveau von 21 Prozent. Diese Geldpolitik bremst Investitionen und verursacht Verzögerungen im Baugewerbe und damit verbundene wirtschaftliche Bereiche.
Für die Industrie bedeutet dies, dass Kredite für Investitionen in Produktion und Transportanlagen unverhältnismäßig teuer geworden sind, was die Bereitschaft und Fähigkeit zur Produktion reduziert. Besonders betroffen sind diejenigen Branchen, die traditionell große Mengen an Rohmaterialien und Fertigwaren über das Schienennetz verschicken. Die Stahlproduzenten Severstal, MMK, TMK, NLMK und Evraz reagieren auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit einer Reduktion der Frachtladungen. Dies ist nicht nur eine Reaktion auf interne Marktfaktoren, sondern auch auf den Verlust wesentlicher Exportmärkte aufgrund von westlichen Sanktionen. Besonders der Markt für hochwertige Stahlprodukte, die normalerweise zu höheren Preisen erzielt werden können, ist nahezu zusammengebrochen.
Der Rückgang der russischen Stahlproduktion und des Exports ist bereits seit 2024 sichtbar und setzt sich auch 2025 fort. Dies bestätigen Daten der World Steel Association sowie Forschungen lokaler Analysefirmen wie Chermet Corporation. Die geringere Produktion folgt dem gesunkenen globalen und lokalen Bedarf, was die Exporterlöse deutlich mindert und damit die Wirtschaftskraft des gesamten Sektors drückt. Neben der Stahlindustrie zeigt sich auch im Aluminiumsektor eine Abschwächung der Nachfrage und damit der Transportvolumina. Der Aluminiumriese Rusal, der zu den größten globalen Produzenten zählt, meldet ebenfalls Rückgänge.
Diese Entwicklung ist typisch für die derzeitige wirtschaftliche Situation in Russland, wo reduzierte Investitionen, Engpässe durch Sanktionen und ein geringeres Handelsvolumen die Produktion und Distribution von Rohstoffen und Energieträgern beeinflussen. Auch wenn manche der betroffenen Unternehmen bislang keine detaillierten Kommentare abgeben oder sich nicht äußern wollten, zeichnen sich die wirtschaftlichen Auswirkungen dennoch deutlich ab. Die einzelnen Branchen haben mit zweistelligen Rückgängen bei den Exporterlösen zu kämpfen, was sich unmittelbar auf die Produktion, Beschäftigung und Investitionstätigkeit auswirkt. Besonders für ein Land, dessen Wirtschaft stark vom Export abhängig ist, sind diese Signale alarmierend. Der Rückgang in der Schienenfracht ist somit eng verbunden mit einem komplexen Mix aus internen wirtschaftlichen Herausforderungen, geopolitischen Schwierigkeiten und externen Marktbedingungen.
Die restriktive Geldpolitik und hohe Zinsen schaffen eine finanzielle Belastung für Unternehmer und Investoren, die zu geringeren Investitionen und einer verlangsamten Produktion führen. Gleichzeitig haben westliche Sanktionen die russischen Exporteure daran gehindert, Zugang zu wichtigen, profitablen Absatzmärkten zu behalten oder zu gewinnen. Vor diesem Hintergrund ist es auch nachvollziehbar, warum die Russische Eisenbahn versucht, ihre eigenen Investitionspläne anzupassen und zunächst Ausgaben zu kürzen. Eine geringere Nachfrage nach Transportdienstleistungen muss mit entsprechend angepasster Infrastrukturfinanzierung beantwortet werden, um einem Überangebot und ineffizientem Kapitaleinsatz vorzubeugen. Das bedeutet jedoch zugleich auch weniger Wachstumsmöglichkeiten und eine weitere Schwächung der Wirtschaftskraft eines bereits unter Druck stehenden Landes.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Rückgang der Schienengüterverkehre, verursacht durch die Reduktion der Frachten von Großexporteuren Russlands, ein deutliches Indiz für die wirtschaftliche Abschwächung des Landes ist. Insbesondere Metall- und Energiesektoren, die traditionell den Löwenanteil des Exportvolumens ausmachen, sehen sich mit sinkender Nachfrage und eingeschränktem Zugang zu internationalen Märkten konfrontiert. Die Auswirkungen der hohen Zinsen und der großen geopolitischen Unsicherheiten zeigen sich deutlich im Transport- und Investitionsverhalten. Es bleibt offen, in welchem Maße Russland in Zukunft seine wirtschaftliche Lage stabilisieren und welche Rolle die Schieneninfrastruktur dabei spielen wird. Ohne Behandlung der strukturellen Herausforderungen und Lösung der externen Hemmnisse wird die Tendenz wohl eher einer weiteren Verlangsamung entsprechen.
Für internationale Beobachter und Marktteilnehmer sind die Entwicklung der Schienengüterströme daher ein besonders wichtiger Indikator für die gesamtwirtschaftliche Situation Russlands.