Mikroplastik ist zu einem der dringlichsten Herausforderungen für die Meeresumwelt geworden. Diese winzigen Kunststoffpartikel, die eine Größe von einem Mikrometer bis zu fünf Millimetern aufweisen, sind allgegenwärtig in den Weltmeeren und haben Auswirkungen, die weit über die sichtbare Meeresoberfläche hinausgehen. Während die Verschmutzung an der Meeresoberfläche schon seit Jahren Gegenstand umfangreicher Untersuchungen ist, rückt nun immer stärker die Verteilung von Mikroplastik unter der Oberfläche in den Fokus der Wissenschaft. Die Erkenntnisse zu dieser subsurface Verteilung erweitern unser Verständnis von der Komplexität und dem Umfang der Plastikverschmutzung erheblich. Die Mikroplastikverteilung in der Wassersäule unter der Meeresoberfläche ist komplex und wird von vielfältigen physikalischen, chemischen und biologischen Faktoren bestimmt.
Die meisten Studien untersuchen bisher fast ausschließlich Partikel nahe der Oberfläche, also innerhalb der oberen 50 Zentimeter. Neuere Untersuchungen zeigen jedoch, dass Mikroplastik tief in die Wassersäule bis in mehrere tausend Meter Tiefe vorgedrungen ist und dort eine bedeutende Rolle spielt. Eine umfassende Synthese von Daten aus fast 1900 Messstationen weltweit, die in den letzten zehn Jahren erhoben wurden, verdeutlicht, dass Mikroplastikkonzentrationen in unterschiedlichen Wasserschichten sehr variabel sind und die Gesamtmenge an Mikroplastik im Meer deutlich unterschätzt wird, wenn nur Oberflächenmessungen berücksichtigt werden. Die Größe der Mikroplastikpartikel ist ein entscheidender Faktor bei ihrer vertikalen Verteilung. Kleine Mikroplastikpartikel zwischen einem und hundert Mikrometern sind relativ gleichmäßig über die gesamte Wassersäule verteilt und lassen nur einen langsamen Abfall ihrer Konzentration mit zunehmender Tiefe erkennen.
Diese kleine Fraktion verbleibt tendenziell länger im Wasser und zeigt eine größere Mobilität, was auf ihre geringeren Sinkgeschwindigkeiten und unterschiedliche physikalische Interaktionen zurückzuführen ist. Große Mikroplastikpartikel, zwischen hundert Mikrometern und fünf Millimetern, konzentrieren sich hingegen verstärkt an bestimmten Schichten mit hoher Dichteunterschiedlichkeit im Wasser, sogenannten Pyknoklinen. Diese Grenzschichten hemmen die vertikale Durchmischung und bewirken, dass größere Partikel hier vermehrt akkumulieren, was in der fachwissenschaftlichen Literatur klar erkennbar ist. Besonders küstennahe Gewässer weisen oft die höchsten Mikroplastikkonzentrationen auf, mit teilweise um den Faktor 30 höheren Partikelzahlen als in offenen Ozeanen. Dies hängt mit den zahlreicheren terrestrischen Plastikquellen im Küstennahbereich zusammen, aber auch mit biologischen Prozessen, die die Sinkgeschwindigkeit von Mikroplastik beeinflussen können.
Vielzellige Organismen, mikrobielle Biofilme und mineralische Beläge auf den Plastikpartikeln erhöhen deren Dichte und Ballastwirkung, sodass das Mikroplastik stark beschleunigt in tiefere Wasserschichten absinkt. Die Dominanz biogeochemischer Prozesse in küstennahen Zonen erklärt diese stark abnehmende Abundanz mit der Wassertiefe signifikant, während in oligotrophen (nährstoffarmen) offenen Ozeanen das Mikroplastik viel langsamer zur Tiefe transportiert wird. Weiterhin zeigen Studien, dass sich in subtropischen Gyren – großen Strömungssystemen, in denen schwimmendes Plastik bekanntlich akkumuliert – auch unterhalb der Oberfläche bedeutende Mikroplastikansammlungen finden. Hier sind vor allem größere Partikel in den oberen 100 Metern deutlich konzentriert, was auf die Wirkung von Oberflächenströmungen, Wind und Wetterbedingungen zurückzuführen ist. Unterhalb von 100 Metern nehmen die Konzentrationen deutlich ab, und die Akkumulationszonen verlieren ihre deutliche Ausprägung.
Diese Erkenntnisse sind wichtig, um die Dreidimensionalität der Plastikverschmutzung im Ozean besser zu erfassen und deren ökologische Folgen zu bewerten. Ein weiterer Aspekt mit potenziell weitreichenden Folgen ist die Einbindung von Mikroplastik in den marinen Kohlenstoffkreislauf. Kunststoffpartikel enthalten Kohlenstoff in ihrer Polymerstruktur und werden als sogenanntes „Plastic-Carbon“ bezeichnet. Untersuchungen zeigen, dass der Anteil dieses Plastic-Carbons im Verhältnis zum natürlichen partiellen organischen Kohlenstoff mit der Wassertiefe zunimmt. Während organischer Kohlenstoff in der oberen Wassersäule durch biologische Aktivität häufig abgebaut wird, kann der Kohlenstoff in Kunststoffen über lange Zeiträume erhalten bleiben.
An Tiefen von bis zu 2000 Metern wurden Anteile von bis zu fünf Prozent Plastic-Carbon am Gesamtpartikel-Kohlenstoff registriert. Dies könnte Auswirkungen auf globale biogeochemische Prozesse und insbesondere auf die Altersbestimmung von organischem Kohlenstoff mit Hilfe von radiokarbondatierung haben. Die Erforschung der Mikroplastikverteilung in der Wassersäule steht jedoch vor großen methodischen Herausforderungen. Die verwendeten Probenahmeverfahren variieren stark, sowohl bei der eingesetzten Technik zur Probennahme als auch bei der Analyse, etwa hinsichtlich der Maschen- oder Filtriergröße und der Identifikation von Plastiktypen. Solche Unterschiede verursachen eine Schwankungsbreite der gemessenen Konzentrationen von mehreren Größenordnungen, was den direkten Vergleich von Studien erschwert und die Abschätzung des globalen Bestands an Mikroplastik verkompliziert.
Fortschritte in bildgebenden Verfahren, wie etwa der Verwendung von Mikro-Fourier-Transform-Infrarotspektroskopie, ermöglichen inzwischen eine präzise Identifikation von Mikroplastikpartikeln auch im kleinsten Größenbereich, reduzieren menschliche Fehlklassifikationen und verbessern die Konsistenz der Daten. Zur Verbesserung der Situation wird von Wissenschaftlern eine Standardisierung der Messmethoden gefordert. Dazu gehört sowohl die Vereinheitlichung der Probenahmeverfahren, um Tiefenprofile mit ausreichend räumlicher und zeitlicher Auflösung zu erstellen, als auch die Harmonisierung der analytischen Methoden zur Charakterisierung von Partikeln. Auch der vermehrte Einsatz von autonomen Plattformen und Sensoren könnte zukünftig zu häufigeren und großräumigeren Messungen in verschiedenen Tiefen führen, wodurch sich ein klareres Bild der Mikroplastikverteilung ergeben würde. Neben den rein physikalischen und chemischen Prozessen tragen biologische Mechanismen entscheidend zur vertikalen Bewegung von Mikroplastik bei.
Biofilm-Bildung auf den Plastikoberflächen ändert deren Dichte, Aggregation mit organischen Partikeln wie beispielsweise Meeresmikroorganismen schafft sogenannte „Meeresschnee“-Aggregate, die im Wasser absinken. Zudem nehmen Zooplankton und andere Organismen Mikroplastik auf und scheiden es in Form von Fäkalpellets aus, die eine wichtige Rolle bei der schnellen Abwärtsbewegung des Plastikmaterials spielen können. Über diese biologischen Transportwege gelangt Mikroplastik in tiefere Meereszonen und kann sich dort nur langsam abbauen. Die polymerchemische Zusammensetzung des Mikroplastiks in der Wassersäule ist vielfältig. Vorherrschend sind Kunststoffarten, die auf Polyethylen, Polypropylen, Polyester und Polyamid basieren.
Interessanterweise findet sich eine stärkere Dominanz dichterer Polymerarten wie Polyester und Nylon in offshore Regionen. Gründe hierfür sind die unterschiedlichen Zerfallsraten dieser Materialien sowie die Quellen, wie beispielsweise Fischereibetriebe, die insbesondere Nylon als Netzwerkmaterial verwenden. Solche Materialunterschiede beeinflussen zudem auch das Verhalten der Mikroplastikpartikel hinsichtlich Sinkgeschwindigkeit und Fragmentierung. Die Erkenntnisse über die frühzeitige Fragmentierung und die Unerlässlichkeit aller Größenklassen von Mikroplastik verdeutlichen die Dringlichkeit weiterer Forschungen. Einerseits gilt es, die bisher vorhandenen Datenlücken, insbesondere in Bezug auf Tiefenverteilung und Langzeitverhalten, zu schließen.
Andererseits muss die ökologische Auswirkung auf marine Lebensgemeinschaften und biogeochemische Zyklen umfassender untersucht werden. Die dauerhafte Persistenz von Mikroplastik in der Wassersäule könnte noch unbekannte Folgen für maritime Nahrungsnetze und den globalen Kohlenstoffkreislauf bergen. Schließlich unterstreicht die Verteilung des Mikroplastiks in der Wassersäule auch die Notwendigkeit, dass globale Umwelt- und Meerespolitik diesen Aspekt der Plastikverschmutzung in zukünftige Maßnahmen integrieren sollte. Über die reine Kontrolle und Reduktion von oberflächennahem Plastikmüll hinaus sind Strategien gefragt, die auch die Verteilung von Kunststoffen in Tiefe und ihre biologische Interaktion adressieren. Nur so kann ein ganzheitliches Verständnis erreicht und die Belastung der Ozeane langfristig verringert werden.
Insgesamt zeigt die Untersuchung der subsurface Mikroplastikverteilung ein weitaus komplexeres Bild der Meeresverschmutzung als bisher angenommen. Es bedarf erheblicher Anstrengungen in Forschung, Methodik und politischem Handeln, um die Auswirkungen auf die Meeresökosysteme zu minimieren und den CO2-Kreislauf in den Ozeanen stabil zu halten. Die Wissenschaft steht am Anfang einer neuen Ära in der Erforschung von Mikroplastik, die sowohl für den Schutz der Meere als auch für das Verständnis globaler Umweltprozesse von zentraler Bedeutung sein wird.