John L. Young verstarb am 28. März 2025 im Alter von 89 Jahren in New York City. Er hinterlässt ein Vermächtnis, das weit über seine Lebenszeit hinaus Wirkung zeigt: als Mitbegründer von Cryptome, einer der ersten Online-Bibliotheken, die sich dem Sammeln und Veröffentlichen geheimer und vertraulicher Dokumente verschrieben hatte. Young erkannte früh die Bedeutung des Internets als Werkzeug zur Demokratisierung von Informationen — eine Vision, die heute mehr als relevant erscheint.
Geboren in Westtexas und ausgebildet als Architekt, begann Youngs Lebensweg ursprünglich fernab der digitalen Welt. Die Kombination aus philosophischem Studium und architektonischer Ausbildung legte den Grundstein für sein analytisches Denken und seine Fähigkeit, komplexe Systeme zu verstehen und zu gestalten. Sein Interesse an öffentlicher Sicherheit, Gesundheit und Wohlergehen führte ihn in die Welt des Aktivismus, bereits bevor die digitale Revolution begann. Die Gründung von Cryptome 1996 zusammen mit seiner Frau Deborah Natsios markierte einen Wendepunkt, der die Art und Weise veränderte, wie Menschen Zugang zu Informationen erhielten. Cryptome positionierte sich schnell als eine essentielle Ressource für diejenigen, die nach Transparenz strebten.
Es bot eine Plattform, auf der Dokumente aus den Bereichen Meinungsfreiheit, Privatsphäre, Kryptografie, nationale Sicherheit und Geheimdienste gesammelt und veröffentlicht wurden. Unter dem Motto „Die größte Bedrohung für die Demokratie ist offizielle Geheimhaltung, die einige wenige gegenüber der Mehrheit bevorzugt“ setzte sich die Plattform dafür ein, die Macht der Regierungen und Konzerne durch Informationsfreiheit einzuschränken. In den 1990er Jahren, einer Zeit der sogenannten „Crypto Wars“, gewann Cryptome besondere Bedeutung. Die juristischen und gesellschaftlichen Kämpfe um die Freigabe von Verschlüsselungstechnologien waren entscheidend für die Entwicklung des Internets zu einem sicheren und freien Raum. Cryptome dokumentierte diese Auseinandersetzungen nahezu in Echtzeit und wurde zur unverzichtbaren Informationsquelle für Aktivisten, Juristen und Medienvertreter gleichermaßen.
Die Archivierung von Dokumenten und Informationen erlaubte es Forschern und der Öffentlichkeit, den Verlauf dieser wichtigen Debatten nachzuvollziehen und entsprechenden Druck auf politische Entscheidungsträger auszuüben. John L. Young war auch einer der frühen Unterstützer von WikiLeaks, einer Plattform, die ähnliche Ziele verfolgte. Dennoch distanzierte er sich später von WikiLeaks, kritisierte die zunehmende Kommerzialisierung und veröffentlichte sogar interne E-Mails der Organisation, um seine Haltung zur Transparenz zu unterstreichen. Für Young stand Transparenz stets über allem, sie war die Grundlage seiner Arbeit.
Sein Engagement blieb nicht ohne Widerstände. Behörden wie das FBI und der Secret Service versuchten wiederholt, seine Aktivitäten einzuschränken. Auch große Technologiekonzerne wie Microsoft übten Druck aus, um die Entfernung bestimmter Dokumente zu erzwingen. Trotz all dem blieb Young unbeirrt und zeigte eine bemerkenswerte Mischung aus Mut und Integrität. Er war ein unerschrockener Wächter der Information, einen solchen „Bibliothekar ohne Angst oder Gefälligkeit“ zu nennen, trifft es genau.
Vor seiner Zeit bei Cryptome kämpfte Young bereits für öffentliche Sicherheit und Reformen. Er diente in den 1950er Jahren im United States Army Corps of Engineers in Deutschland und kehrte danach zu seinem Studium zurück, das ihn zu einem engagierten Aktivisten machte. Mit seinem selbst identifizierten radikalen Denken gründete er zusammen mit anderen die Gruppe Urban Deadline, die sich gegen Missstände in der Stadtentwicklung einsetzte. Obwohl man ihm zunächst Misstrauen entgegenbrachte, etwa durch den Verdacht, er könnte ein Spitzel sein, erlangte die Gruppe später Anerkennung von angesehenen Organisationen in New York. Die Arbeit von John L.
Young zeigt, wie eine einzelne Person mit Vision und Ausdauer die Strukturen der Informationsvermittlung verändern kann. Noch bevor digitale Archive und Online-Plattformen alltäglich wurden, sah Young die Möglichkeiten des Internets, als Mittel zur Stärkung der Öffentlichkeit gegenüber bürokratischen und undurchsichtigen Machtstrukturen. Seine Rolle als „Chief Information Architect“ von Cryptome war weit mehr als nur eine formale Bezeichnung: Er schuf eine lebendige, ständig aktualisierte Chronik der Debatten, die das moderne Internet maßgeblich mitgestalteten. Youngs Lebenswerk ist ein Beweis dafür, wie Technologie und Idealismus zusammenwirken können, um demokratische Werte zu fördern. Dabei war er kein konventioneller Held, sondern eher eine widersprüchliche, eigenwillige Persönlichkeit, die stets die Interessen der Allgemeinheit über persönliche Sicherheitsbedenken oder bequeme Kompromisse stellte.
Auch wenn er nicht im Rampenlicht der Massenmedien stand, sind seine Beiträge für die digitale Freiheit immens. Heute, da Fragen rund um Datenschutz, Überwachung und Informationskontrolle weiterhin hochaktuell sind, erinnern seine Ideen und sein Mut daran, dass Transparenz und Zugang zu Wissen keine Selbstverständlichkeit sind, sondern aktiv verteidigt werden müssen. Abschließend lässt sich sagen, dass John L. Young ein Pionier war, der den Grundstein für Informationsfreiheit im digitalen Zeitalter gelegt hat. Seine Vision von einem offenen und informierten öffentlichen Diskurs beeinflusst bis heute Aktivisten, Journalisten und engagierte Bürger weltweit.
Sein Leben zeigt, wie wichtig es ist, auch in schwierigen Zeiten unbeirrbar für das Recht auf Wissen einzustehen. Die digitale Welt hat jemanden verloren, der als Wächter der Wahrheit und unbeugsamer Verfechter der Transparenz galt – doch sein Vermächtnis lebt in jedem Dokument, das auf Cryptome und ähnlichen Plattformen der Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird, weiter.