Seit seiner Gründung vor über 130 Jahren hat sich Nintendo von einem japanischen Spielkartenhersteller zu einem globalen Giganten der Videospielindustrie entwickelt. Die Geschichte des Unternehmens ist nicht nur eine Erzählung über Innovationen in der Unterhaltungstechnologie, sondern auch über das geschickte und wandlungsfähige Marketing, das Nintendo über Jahrzehnte geprägt und immer wieder neu erfunden hat. Besonders deutlich wird dies bei der Einführung neuer Konsolen und der zielgerichteten Ansprache unterschiedlicher Generationen von Spielern. Die Anfänge von Nintendo im Heimvideospielmarkt in den 1970er Jahren waren geprägt von einer klaren und fokussierten Marketingstrategie. Damals richtete sich die Werbung vor allem an junge Jungen, die als Hauptzielgruppe für Videospiele galten.
Ein einprägsames Beispiel aus dieser Zeit ist die Kombination aus futuristischen Kontrollen und einem Roboter-Zubehör namens Robotic Operating Buddy (ROB), das in den Werbespots oft im Fokus stand. Das Slogan „Jetzt spielst du mit Power“ spiegelte das damalige Hochgefühl wider, das mit der neuen Technologie verbunden wurde. Die Werbekampagnen waren plakativ und setzten vor allem auf die Faszination technologischer Neuheiten, die den Spielemarkt revolutionierten. Mit dem Heranwachsen der ursprünglichen Zielgruppe entwickelte sich auch das Marketing von Nintendo weiter. Als die ersten Nintendo-Besitzer älter wurden, wollte das Unternehmen eine Verbindung zu ihnen halten.
Die Werbespots für die Super Nintendo Konsole in den frühen 1990er Jahren richteten sich vermehrt an Teenager und junge Erwachsene. Diese Werbung zeichnete sich durch eine düstere und geheimnisvolle Atmosphäre aus, die etwa mit den ikonischen Michael-Jackson-Videos wie „Thriller“ vergleichbar war. Die Musik wurde schwerer und intensiver, und die Szenen wirkten mystisch und spannend. So wagte Nintendo den Schritt, Videospiele als kulturelles Phänomen für ältere Zielgruppen zu etablieren und das Erlebnis zu einer Art Lifestyle zu erheben. Die Mid-90er Jahre mit dem Nintendo 64 brachten eine weitere Marketing-Neuausrichtung.
Die Kampagnen sollten den Wechsel von zweidimensionaler zu innovativer dreidimensionaler Grafik unterstreichen. Hier war das Motto „Wir leben nicht mehr in einer zweidimensionalen Welt“ wegweisend, da es den technologischen Fortschritt und die neue Spielerfahrung hervorhob. Trotzdem wurden einige Werbespots, die versuchten, den damaligen Zeitgeist mit Humor einzufangen, heute kritisch betrachtet, da sie bestimmte Rollenbilder bedienten, die inzwischen als veraltet gelten. Der GameCube, der Anfang der 2000er-Jahre auf den Markt kam, markierte den Versuch, die Werbestrategie ernster und avantgardistischer zu gestalten. Während die Konkurrenz mit technisch beeindruckenden Konsolen punkten wollte, setzte Nintendo auf einen künstlerischen und fast schon mystischen Ansatz in der Werbung.
Wem die Kampagnen formal und experimentell wirkten, spiegelte dennoch die Suche nach einer neuen Identität wider, die spaßiges Spielen mit einer Erwachsenenkultur verband. Trotz der kreativen Werbespots konnte Nintendo jedoch nicht die gewünschten Verkaufszahlen erreichen und die Notwendigkeit weiterer Innovation wurde immer deutlicher. Den größten Einschnitt im Marketing von Nintendo stellte die Markteinführung der Wii im Jahr 2006 dar. Anders als bei vorherigen Konsolen, die noch oft mit männlichen Jugendlichen als Hauptzielgruppe beworben wurden, versprach die Wii eine viel breitere Ansprache. Die Werbekampagne inszenierte die Konsole als Produkt der japanischen Vorstellungskraft und als ein verbindendes Erlebnis für die ganze Familie.
Besonders prägnant war ein Werbespot, in dem zwei japanische Geschäftsleute die Wii in das amerikanische Vorstadthaus bringen – ein Symbol für kulturelle und generationenübergreifende Brücken. Die Motion-Controller standen im Mittelpunkt der Kommunikation und revolutionierten das Spielerlebnis, indem sie nicht nur eingefleischte Gamer, sondern auch Gelegenheits- und Familienspieler ansprachen. Die gewaltige Werbeoffensive und die clevere Positionierung sorgten so für einen weltweiten Erfolg. Der Nachfolger, die Wii U, fiel hingegen durch schwaches Marketing und Unklarheit in der Positionierung auf. Viele Konsumenten konnten nicht nachvollziehen, warum der neue Controller und die neue Konsole kein vollständig neues Erlebnis boten.
Die Werbung konzentrierte sich zu sehr auf technische Details statt auf emotional ansprechende Geschichten oder die Spiele selbst. Stattdessen entstand oft der Eindruck, dass es sich nur um ein Upgrade der Wii handelte. Diese Werbeentscheidung führte zu einem bedeutenden Verkaufsflop und einer schwierigen Phase für Nintendo. Mit dem Marktstart der Nintendo Switch im Jahr 2017 kam eine erfrischende Wendung in der Markenkommunikation. Die Werbung betonte das Zusammenkommen von Freunden, die Flexibilität und die Mobilität der Konsole.
Szenen von Menschen, die gemeinsam oder unterwegs spielen, gepaart mit einem lebendigen und modernen Soundtrack, vermittelten ein Gefühl von Gemeinschaft und Freiheit. Die grafische Gestaltung der Marketingmaterialien war klar, modern und einheitlich, was der Marke half, sich wieder zu stabilisieren und das Vertrauen der Kunden zurückzugewinnen. Der Launch der Nintendo Switch 2 im Jahr 2025 führt diesen konsistenten Markenauftritt fort, geht aber noch einen Schritt weiter. Die Werbung setzt auf prominente Unterstützung, unter anderem durch den Schauspieler Paul Rudd, der schon während der Super Nintendo Ära als Werbegesicht fungierte. Durch gezielte Nostalgie und gleichzeitig futuristische Features wie Livestreaming, erweiterte Online-Funktionalitäten und Webcams spricht die Kampagne eine altbekannte, aber gewachsene Community an.
Eine ungewöhnlich inszenierte, bewusst „cringe“ wirkende Werbeszene unterstreicht den Generationenübergreifenden Charakter – vom „Uncle Paul“ der Vergangenheit bis zu Lisa, die eine neue Generation jünger Gamer repräsentiert. Interessant ist dabei die zugrundeliegende Aussage: Während die ursprünglichen Slogans von Nintendo die „Power“ und das „Spiel-Prinzip“ in den Vordergrund stellten, betont die Switch 2 Werbung „Gemeinsam spielen – allein“. Dies reflektiert die Verschiebung im Spielverhalten, die durch die Coronavirus-Pandemie und die Zunahme von Livestreaming-Plattformen wie Twitch begünstigt wurde. Spieler können heute gleichzeitig miteinander interagieren, auch wenn sie sich physisch an verschiedenen Orten befinden. Die Konsole fungiert dabei als ein soziales Medium und ermöglicht digitale Gemeinschaften trotz physischer Distanz.
Insgesamt lässt sich beobachten, dass Nintendo seine Marketingstrategie kontinuierlich an gesellschaftliche Veränderungen, technologische Entwicklungen und Zielgruppenerwartungen anpasst. Dabei schafft es das Unternehmen, seine lange Historie geschickt zu nutzen, ohne in der Nostalgie stecken zu bleiben. Vielmehr verwendet es Tradition als Fundament, um Innovation und Zukunft zu gestalten. Diese Balance macht Nintendo nicht nur zu einem Brand mit Charme und Wiedererkennungswert, sondern auch zu einem wirtschaftlich nachhaltigen Player im umkämpften Markt der Spielekonsolen. Die Entwicklung von einer einfachen Spielkonsole zu einem komplexen Entertainment-System ist gleichzeitig die Reise eines Unternehmens, das seine Kunden heute als vernetzte Gemeinschaft versteht.
Durch gezieltes Storytelling, cleveres Branding und die Akzentuierung von sozialen und technologischen Trends gelingt es Nintendo, sowohl alte Fans zu halten als auch neue Zielgruppen zu erschließen. Dabei wird „Spielen“ nicht nur als Zeitvertreib, sondern als verbindendes Erlebnis inszeniert, das Generationen miteinander verbindet und sich der Schnelllebigkeit der Unterhaltungsbranche geschickt entgegenstellt. Angesichts der aktuellen Marktsituation und der rasanten technologischen Veränderungen bleibt spannend zu beobachten, wie Nintendo seine Marke und seine Produkte weiterentwickeln wird. Die jüngsten Werbekampagnen zeigen jedenfalls: Nintendo ist sich seiner Geschichte bewusst, baut auf ihr auf und verkauft nicht nur Konsolen, sondern ein Gefühl von Gemeinschaft, Nostalgie und zukunftsorientiertem Spielspaß.