Die Welt der Supraleitung hat in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gemacht, wobei insbesondere die Suche nach exotischeren Formen wie der chiralen Supraleitung große Aufmerksamkeit erregt hat. Chirale Supraleiter zeichnen sich durch eine spontane Verletzung der Zeitumkehrsymmetrie aus – ein Phänomen, das klassische Supraleiter nicht zeigen. Zudem sind chirale Zustände durch Cooper-Paarungen mit nichtnulligem Drehimpuls gekennzeichnet, was ihnen ein unverwechselbares topologisches Profil verleiht. Diese Eigenschaften machen sie zu einem vielversprechenden Kandidaten für zukünftige Anwendungen in der Quantencomputertechnologie, da sie auf dem Auftreten von Majorana-Fermionen basieren, die theoretisch als Bausteine für fehlertolerante Quantenbits dienen können. Trotz intensiver Bemühungen, chirale Supraleitung in verschiedenen Materialien nachzuweisen, blieb deren eindeutiger experimenteller Beleg lange Zeit aus.
Die kürzliche Entdeckung von chiraler Supraleitung in rhomboedrisch gestapeltem Graphen stellt daher einen Meilenstein dar, der neue Forschungsfelder eröffnet und bestehende Theorien bestätigt. Das rhomboedrisch gestapelte Graphen, auch ABC-Graphen genannt, unterscheidet sich von herkömmlichem Bernal-gestapeltem Graphen durch seine besondere Schichtordnung, die einzigartige elektronische Eigenschaften hervorruft. Insbesondere in Vier- und Fünf-Lagen-Strukturen entstehen sogenannte Flat Bands, in denen die Elektronengeschwindigkeit stark reduziert ist. Diese flachen Bänder erhöhen die Dichte der Zustände und begünstigen somit starke Elektron-Elektron-Wechselwirkungen, was die Grundlage für ungewohnte kollektive Phänomene wie die beobachtete Supraleitung darstellt. Im Gegensatz zu den bekannten moiré-basierten supraleitenden Systemen, die auf verdrehten Graphenschichten beruhen, zeigt die beobachtete chirale Supraleitung in rhomboedrischem Graphen ihre Robustheit ohne derartige Muster, was die Einzigartigkeit und fundamentale Natur dieses Effekts unterstreicht.
Experimentelle Untersuchungen haben zwei verschiedene supraleitende Zustände innerhalb gate-induzierter flacher Bänder bei kritischen Temperaturen von bis zu 300 Millikelvin nachgewiesen. Dabei zeigte sich eine Reihe von charakteristischen Merkmalen, die auf eine chirale Natur der Supraleitung hinweisen. Besonders auffällig ist die magnetische Hystereseschleife im longitudinalen Widerstand bei variierenden senkrecht zur Ebene angelegten Magnetfeldern – ein Verhalten, das bei herkömmlichen Supraleitern bislang nicht beobachtet wurde. Diese Hysterese deutet auf eine spontane Zeitumkehrsymmetriebrechung durch den orbitalen Bewegungsimpuls der Elektronen hin, was ein zentrales Zeichen chiraler Supraleitungszustände ist. Darüber hinaus sind die supraleitenden Zustände bemerkenswert unempfindlich gegenüber in-plane Magnetfeldern, was auf eine starke Spinpolarisation und ein getriebenes Quartenmetall-Muster (QM) in der elektronischen Grundkonfiguration schließen lässt.
Das QM zeichnet sich durch eine Viertelbesetzung mit gleichzeitig ausgeprägter Spin- und Talpolarisierung aus, was eine Spin-kollineare Ordnung hervorruft und günstige Bedingungen für die Entstehung chiraler Paarungen schafft. Die verringerte Störung durch Spinfluktuationen fördert so den unkonventionellen supraleitenden Zustand, der durch komplexe Wechselwirkungseffekte dominiert wird. Ein weiterer entscheidender Beobachtungspunkt ist die Entstehung anomaler Hall-Effekte bereits im Normalzustand bei Nullmagnetfeld. Diese auftreten in Verbindung mit magnetischer Hysterese und sind typisch für orbital magnetische Zustände mit gebrochenener Zeitumkehrsymmetrie. Die Kombination aus supraleitender Phase und anormalem Hall-Signal untermauert die enge Kopplung zwischen Topologie und elektronischer Ordnung in rhomboedrischem Graphen.
Die gemessene obere kritische Magnetfeldstärke (B⊥) erreicht Werte bis 1,4 Tesla und liegt damit deutlich über den bisher bekannten Graphen-basierten Supraleitern. Dieses erhöhte kritische Feld spricht für eine ungewöhnlich starke Kopplung der Elektronenpaare und lässt vermuten, dass sich das System nahe der BCS-BEC-Krossover-Region befindet. In dieser Übergangsphase wandeln sich überlagerte Cooper-Paare zu lokalisierten Bosonen, was neuartige kollektive Effekte und ein verbessertes Verständnis supraleitender Mechanismen ermöglicht. Solche Zustände sind besonders interessant, da sie die Grenzen zwischen konventioneller und unkonventioneller Supraleitung verschieben und neue theoretische Modelle erfordern. Das Material rhomboedrisches Graphen besteht rein aus Kohlenstoff und bietet eine ideale, saubere Plattform für weiterführende Studien zur topologischen Supraleitung ohne die Komplexität zusätzlicher Elementarstoffe oder heterogener Strukturen.
Diese Reinheit erleichtert nicht nur die experimentelle Kontinuität, sondern erhöht auch die theoretische Vorhersagbarkeit und die Reproduzierbarkeit der Ergebnisse. Die bestätigte Existenz chiraler Supraleitungszustände in einem so einfachen Material öffnet somit immense Forschungsfelder, die sowohl fundamentale Grundlagenforschung als auch angewandte Quantenmaterialien vorantreiben können. Die Zukunft der Forschung wird somit darauf abzielen, die Eigenschaften dieser chiralen Supraleiter detailliert zu charakterisieren. Insbesondere sind präzise Untersuchungen der Bandstruktur, quasipartikulären Anregungen und der Rolle von Spin–Orbit-Kopplungen entscheidend. Ferner wird das gezielte Manipulieren der elektronischen Phasenübergänge und die Untersuchung von Randzuständen erwartet, um nach den durch chirale Supraleitung unterstützten Majorana-Fermionen zu suchen.
Der Nachweis und die Kontrolle dieser exotischen Teilchen könnten einen entscheidenden Fortschritt für die Entwicklung von Quantenrechnern bedeuten, deren Informationsverarbeitung auf topologischer Stabilität basiert. Darüber hinaus eröffnet die Plattform optimale Voraussetzungen für das Studium von Wechselwirkungen zwischen magnetischer Ordnung und supraleitenden Phasen. Die Kombination von Zeitumkehrsymmetriebrechung, Orbitalmagnetismus und chiraler Paarbildung verspricht eine Fülle an neuen quantenphysikalischen Effekten, die tiefere Einblicke in die Komplexität von Vielteilchensystemen geben können. Dies könnte zur Entdeckung weiterer hybrider Phasen führen, in denen Eigenschaften wie Nematik, Spintriplet-Paarung oder Quantenspinflüssigkeiten eng miteinander verknüpft sind. Technologisch ist rhomboedrisches Graphen zudem vorteilhaft durch die bereits etablierte Verarbeitung von Graphen und dessen Kompatibilität mit nanoelektronischen Bauelementen.
Dieses Material lässt sich gut in heterogene Systeme integrieren und mittels Gate-Technik gezielt elektronisch steuern, was besonders bei der Entwicklung von quasi-2D-Supraleitern und Quantensensoren von großem Interesse ist. Die Kombination aus Flexibilität, einfacher Herstellung und der außergewöhnlichen Supraleitung bietet somit eine attraktive Grundlage für neue, anwenderorientierte Quantentechnologien. Die Erforschung chiraler Supraleiter in rhomboedrischem Graphen verdeutlicht, wie innovativ unvermutete Materialien die Quantenforschung vorantreiben können. Insbesondere bestärkt das Verständnis dieser neuen Supraleitungsphasen die Hoffnung, die bisher unbekannten Grenzphänomene von Quantenmaterie zu entschlüsseln und letztlich praktische Quantencomputer zu realisieren. Der Ansatz, rein kohlenstoffbasierte Materialien als Plattform für topologische Physik nutzbar zu machen, zeigt dabei das immense Potenzial von Graphen und seinen Varianten, eine Schlüsselrolle in der Zukunftstechnologie einzunehmen.
Insgesamt markiert die Entdeckung von chiraler Supraleitung in rhomboedrischem Graphen einen Durchbruch, der nicht nur eine neue Klasse von supraleitenden Materialien etabliert, sondern auch eröffnende Impulse für die Verschränkung von Supraleitung, Magnetismus und Topologie gibt. Die nächsten Forschrittsschritte werden sicherlich eine breite Palette an experimentellen und theoretischen Studien umfassen, um die vielfältigen Facetten dieser faszinierenden Quantenphänomene besser zu verstehen und technologisch nutzbar zu machen.