Die Bedeutung von Unternehmenswerten hat in den letzten Jahren enorm an Gewicht gewonnen. Für viele Unternehmen sind Werte nicht nur ein bloßes Marketinginstrument, sondern ein zentraler Bestandteil der Unternehmenskultur und damit der Arbeitgeberattraktivität. Doch was denken die Mitarbeitenden tatsächlich über die Werte ihrer Unternehmen? Wie wirken sich Führung, Transparenz, Unterstützung und weitere Kulturfaktoren auf die Wahrnehmung und das Engagement der Beschäftigten aus? Diese Fragen werden oft diskutiert, doch die Antworten bleiben häufig nebulös. Ein kürzlich erschienener Bericht von The Economist in Zusammenarbeit mit CultureX bietet auf Basis von Daten aus über 900 Unternehmen und mehr als 19 Branchen fundierte Erkenntnisse, die Licht in die komplexe Vielfalt der Unternehmenskultur bringen und zeigen, wie unterschiedlich Firmen in den Augen ihrer Mitarbeitenden abschneiden. Dabei zeigt sich, dass Unternehmenskultur nicht monolithisch ist, sondern viele Dimensions hat, die sich gegenseitig bedingen und beeinflussen.
Die Analyse stützt sich auf Mitarbeiterbewertungen, die auf der Plattform Glassdoor zwischen Januar 2023 und April 2025 abgegeben wurden. CultureX verwendete dabei eine eigens entwickelte Methode zur Verarbeitung natürlicher Sprache, um Freitextkommentare in über 200 kulturbezogene Themen zu klassifizieren und diese anschließend in relevante Hauptthemen zu gliedern. Diese Themen umfassen unter anderem Führung, Unterstützung, Toxizität, Work-Life-Balance, Agilität, Offenheit (Candour), Innovation, Strategie und Transparenz. Die Auswertung zeigt, dass besonders eine gute Führung sich positiv auf viele andere Kulturaspekte auswirkt. Eine starke Führungskraft vermittelt nicht nur klare Richtung, sondern schafft auch Vertrauen, fördert Transparenz und trägt zur Entwicklung einer offenen, unterstützenden Atmosphäre bei.
Dies wirkt sich wiederum positiv auf das Engagement und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden aus. Führung ist somit das Herzstück einer gesunden Unternehmenskultur und ein entscheidender Faktor, um Kulturwerte glaubhaft und nachhaltig zu leben. Symptomatisch ist außerdem der Zusammenhang zwischen toxischem Verhalten und Unternehmenskultur. In Unternehmen, in denen Respekt und akzeptiertes Verhalten fehlen, leidet das Arbeitsklima erheblich und wirkt sich negativ auf Produktivität und Mitarbeiterbindung aus. Die Analyse macht deutlich, dass Toxizität einer der gefährlichsten Faktoren in der Unternehmenskultur ist und von den Beschäftigten besonders kritisch beurteilt wird.
Dabei verbinden Mitarbeitende toxische Umfelder meist mit mangelnder Unterstützung durch Vorgesetzte und fehlender Offenheit im Umgang miteinander. Work-Life-Balance ist ein weiterer kultureller Wert, der in der heutigen Arbeitswelt immer mehr an Bedeutung gewinnt. Mitarbeitende wünschen sich eine Balance zwischen Beruf und Privatleben, die es ihnen ermöglicht, ihre Produktivität langfristig aufrechtzuerhalten und Burnout vorzubeugen. Unternehmen, die in diesem Bereich hohe Bewertungen erhalten, können oft mit geringer Fluktuation und größerer Mitarbeiterzufriedenheit punkten. Agilität ist ein Thema, das vor allem in dynamischen Branchen eine wichtige Rolle spielt.
Unternehmen, die flexibel auf Marktveränderungen reagieren und Innovationen fördern, schaffen es besser, relevant zu bleiben und ihre Beschäftigten zu motivieren. Gerade für junge Talente ist ein agiles und innovationsfreudiges Unternehmen attraktiv, da es Freiräume für Kreativität und persönliche Weiterentwicklung bietet. Ein weiterer Aspekt, der sich im Rahmen der Auswertung als besonders wichtig herausstellt, ist die Transparenz im Unternehmen. Je offener und klarer Informationen geteilt werden, desto mehr fühlen sich Mitarbeitende eingebunden und wertgeschätzt. Transparenz fördert Vertrauen und ist eine Grundvoraussetzung für eine positive Unternehmenskultur.
Ebenso wichtig ist der Grad an Offenheit, also wie leicht sich Mitarbeitende trauen, ihre Meinung zu äußern und Kritik zu üben, ohne negative Konsequenzen befürchten zu müssen. Unternehmen, die eine Kultur der Offenheit fördern, profitieren von einem besseren Informationsfluss und einer höheren Innovationsfähigkeit. Interessant ist, dass es kein allgemeingültiges Modell für die „perfekte“ Unternehmenskultur gibt. Vielmehr zeigt die Studie, dass verschiedene Branchen unterschiedliche Schwerpunkte setzen und Mitarbeitende ganz unterschiedlich wahrnehmen, wie gut ihre Arbeitgeber die gewünschten Werte leben. So können beispielsweise Hightech-Firmen besonders auf Innovation und Agilität setzen, während in anderen Branchen der Fokus stärker auf Work-Life-Balance und Unterstützung liegt.
Die Daten von CultureX basieren auf einem robusten Verfahren, um Verzerrungen durch extrem positive oder negative Bewertungen zu vermeiden. Glassdoor beschränkt unter anderem die Abgabe von Bewertungen auf einmal jährlich pro Nutzer, um Manipulation zu verhindern. Gleichzeitig überprüft eine Maschine mit Künstlicher Intelligenz verdächtige Muster und entfernt potenziell gefälschte oder incentivierte Bewertungen. Dennoch bleibt die Interpretation solcher Daten immer mit einem gewissen Vorbehalt verbunden – sie spiegeln aber einen wertvollen Querschnitt der Mitarbeiterstimmen wider. Für Unternehmen ist die Kenntnis darüber, wie Mitarbeitende die gelebten Werte wahrnehmen, von zentraler Bedeutung.
Werte alleine reichen nicht aus, wenn sie nicht im Alltag erfahrbar sind. Die Herausforderung liegt darin, die unterschiedlichen Facetten der Unternehmenskultur gezielt weiterzuentwickeln, um so Mitarbeiterbindung und Motivation zu stärken. Besonders Führungskräfte spielen hierbei eine entscheidende Rolle, denn sie sind die Botschafter der Kultur und das Bindeglied zwischen den abstrakten Werten und der täglichen Praxis. Für Arbeitnehmer wiederum bieten solche Analysen wertvolle Orientierungshilfen bei der Auswahl des passenden Arbeitgebers. Denn nicht jeder sucht das Gleiche – während manche Innovation und Dynamik schätzen, ist anderen eine ausgeglichene Work-Life-Balance oder ein unterstützendes Umfeld wichtiger.