Nordkorea steht seit Jahrzehnten unter starken internationalen Sanktionen, die das Land erheblich in seiner wirtschaftlichen Entwicklung einschränken und den Zugang zu ausländischer Währung erschweren. In der jüngsten Entwicklung hat sich das isolierte Regime, dem innovative und teilweise auch illegale Finanzstrategien nachgesagt werden, auf digitale Technologien konzentriert, um alternative Einkommensquellen zu erschließen. Im Fokus steht dabei ein Bereich, der in den letzten Jahren weltweit an Aufmerksamkeit gewonnen hat: Non-Fungible Tokens (NFTs). Im Zeitraum von Januar bis Mai 2025 führte Nordkorea im Verborgenen in verschiedenen chinesischen Städten eine Reihe von Experimenten durch, um zu prüfen, ob der Verkauf von NFTs auf ausländischen Marktplätzen praktikabel ist, um so dringend benötigte Fremdwährung zu generieren. Dazu entsandte das Regime Techniker des Korea Computer Centers, die sich als Handelsvertreter tarneten, und mieteten diverse Standorte in China, um ihre Versuche durchzuführen.
Die Aktivitäten wurden von einem lokalen Informanten bestätigt, der Daily NK Einblicke in den Ablauf und die Ergebnisse gab. Die nordkoreanischen Techniker konzentrierten sich vor allem auf die technische Umsetzung der NFT-Transaktionen und untersuchten, wie digitale Assets anonym gehandhabt und der tatsächliche Besitzer der NFTs verborgen werden kann. Dabei verwendeten sie einzigartige nordkoreanische Inhalte wie Fotografien von Mount Kumgang, Bilder von Goryeo-Celadon-Keramiken sowie interne Karten von Minenanlagen als Basis für die Erstellung digitaler NFTs. Diese Inhalte wurden auf Marktplätzen in Südostasien, besonders in Thailand und den Philippinen, angeboten, wo die Identitätsprüfung bei Transaktionen vergleichsweise locker gehandhabt wird. Interessanterweise war die strategische Ausrichtung weniger auf die NFTs als solche gerichtet, sondern mehr auf die dahinterliegenden Plattformmechanismen, die anonyme Transfers von Vermögenswerten und die Steuerung der Token über Blockchain-Wallets ermöglichen.
Die nordkoreanischen Mitarbeiter versuchten zudem, die NFT-Assets und daraus resultierende Gewinne durch den Einsatz von Firmenregistrierungen in Drittländern zu verschleiern. Hierfür nutzten sie unter anderem eine Tourismus- und Freizeitfirma mit Sitz in Peking sowie eine Immobilienfirma in Zhuzhou in der Provinz Hunan, was zeigt, dass das Projekt deutlich durchorganisiert und professionell angelegt war. Die Laufzeit des Projekts betrug etwa fünf Monate, nach deren Abschluss die Reporte am 19. Mai 2025 an die staatlichen Stellen in Nordkorea übermittelt wurden. Die Experimente wurden danach eingestellt, und die entsprechenden Teams zogen sich komplett zurück, ohne Spuren oder Materialien zurückzulassen.
Trotz des aufwendigen Aufwands kamen die Techniker zu dem Schluss, dass der NFT-Handel unter den gegebenen Bedingungen keine praktikable Einnahmequelle auf kurz- bis mittelfristige Sicht darstellt. Dies liegt vor allem an einer Vielzahl von Hürden, die das Projekt bisher nicht überwinden konnte. Neben den hohen operativen Kosten wurden vor allem die rechtlichen Risiken in China als gewichtiges Argument genannt. China zeigt sich bei Finanzaktivitäten mit Verbindungen zu Nordkorea äußerst sensibel und rigoros, was potenzielle Sanktionen und Strafmaßnahmen betrifft. Auch die Marktgegebenheiten auf den NFT-Plattformen in Südostasien sind aufgrund ihrer Instabilität und mangelnden Regulierung ein erhebliches Risiko für die Nachhaltigkeit einer solchen Einnahmestrategie.
Der NFT-Handel selbst ist zudem komplex, da NFTs zwar als einzigartige digitale Vermögenswerte gelten, diese aber auf Blockchain-Systemen verwaltet werden, die wiederum Kryptowährungen für Transaktionen nutzen. Der volatile Markt von Kryptowährungen und deren rechtlicher Status in verschiedenen Ländern erschwert zusätzlich eine stabile und sichere Einkommensgenerierung. Nordkoreas Interesse an der Nutzung digitaler Assets als Devisenquelle lässt sich vor dem größeren Hintergrund der wirtschaftlichen Isolation und der anhaltenden Sanktionen verstehen. Die meisten traditionellen Handelskanäle sind für das Land geschlossen, weshalb es bestrebt ist, neue, schwerer nachweisbare Mittel zu finden, um an harte Währung zu gelangen. Der Einsatz von NFTs spiegelt dabei auch die Ambition wider, mit modernen Technologien Schritt zu halten und sie für staatliche Zwecke zu instrumentalisieren.
Allerdings zeigt das Ergebnis der jetzigen Tests, dass das Projekt trotz seines Potenzials noch in einem frühen Stadium steckt und nicht ohne erhebliche Risiken ist. Das Scheitern, sofortige finanzielle Vorteile aus dem NFT-Handel zu ziehen, bedeutet nicht, dass Nordkorea diese Strategie künftig nicht weiterverfolgt oder erweitert. Der fünfmonatige Feldversuch liefert eine wichtige Grundlage für weitere Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, um die Verfahren zu optimieren und gesetzliche sowie technische Hürden möglicherweise zu umgehen. Aus der internationalen Perspektive bieten solche Entwicklungen Einblicke in die zunehmend ausgefeilten Strategien abgeschotteter Staaten, die versuchen, finanzielle Engpässe durch technologische Innovation zu überwinden. Die Methode, NFTs und Blockchain-Technologien für die Umgehung von Sanktionen zu nutzen, könnte in Zukunft auch von anderen sanktionierten Ländern kopiert werden, was die globale Finanzaufsicht vor neue Herausforderungen stellt.
Für Beobachter und Analysten ist es daher relevant, den Verlauf solcher Experimente und deren Folgen aufmerksam zu verfolgen. Die Rolle Chinas als Nachbar und wirtschaftlicher Partner Nordkoreas ist ebenfalls von zentraler Bedeutung, da China hinsichtlich der Sanktionen eine ambivalente Position einnimmt. Das chinesische Vorgehen gegen die nordkoreanischen Versuche zeigt die Komplexität der regionalen Wirtschaftsdynamik und der politischen Interessen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Nordkoreas Testlauf für NFT-Verkäufe in China ein mutiger, wenn auch bislang nur halbherziger Versuch ist, die Grenzen traditioneller Devisenbeschaffung zu überschreiten. Seinen Ursprung hat das Vorhaben in der Suche nach neuen Wegen, Sanktionen zu umgehen und Innovationen auf dem Finanzsektor für den Staatserhalt zu nutzen.
Die praktischen Hindernisse, insbesondere rechtliche Risiken, operative Kosten und instabile Märkte, hemmen derzeit die Umsetzung als effektive Einnahmequelle. Die Zukunft wird zeigen, ob Nordkorea seine technische Expertise weiter ausbaut, um die Nutzung von NFTs und anderen digitalen Vermögenswerten zu perfektionieren. Es bleibt ebenso offen, wie die internationale Gemeinschaft und insbesondere China auf solche Versuche reagieren werden. Angesichts der globalen Bedeutung von Blockchain-Technologien und der wachsenden Verbreitung von NFTs wird das Spannungsfeld zwischen Innovation, Regulierung und geopolitischem Kalkül weiterhin bestehen bleiben.