Die berühmte freie Enzyklopädie Wikipedia, die seit Jahren als Symbol für offenen und gemeinschaftlich verwalteten Informationsaustausch gilt, steht unter Druck durch das US-Justizministerium. In einer unerwarteten und kontroversen Aktion hat ein vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump eingesetzter Beamter eine formelle Untersuchung gegen die Wikimedia Foundation initiiert. Es geht um schwerwiegende Vorwürfe: Wikipedia wird beschuldigt, Propaganda zu verbreiten und ausländische Akteure würden die Plattform manipulieren. Im Fokus steht insbesondere die Gemeinnützigkeit der Stiftung, die damit gefährdet scheint. Diese Entwicklung hat weitreichende Implikationen für die Organisationsfreiheit, die Informationspolitik und die Wahrung einer freien, unverfälschten Wissensgrundlage in den Vereinigten Staaten und darüber hinaus.
Der Hintergrund der Anschuldigungen ist vielschichtig und spiegelt eine tiefergehende Auseinandersetzung über das Wesen von Wahrheit, Geschichtsschreibung und politischer Einflussnahme im digitalen Zeitalter wider. Die offizielle Eingabe erfolgte durch Ed Martin, den amtierenden US-Staatsanwalt für den District of Columbia, der die Wikimedia Foundation vorwirft, gegen die Anforderungen von Abschnitt 501(c)(3) des US-Steuerrechts zu verstoßen. Dies ist die Rechtsgrundlage, welche gemeinnützigen Organisationen den Steuerbefreiungsstatus sichert. Konkret unterstellt Martin Wikipedia, dass die Plattform ausländischen Einfluss duldet und zulässt, dass historische Ereignisse sowie biografische Informationen zu gegenwärtigen und ehemaligen US-amerikanischen Führungspersönlichkeiten manipuliert und umgeschrieben werden. Diese angeblichen Aktivitäten gefährdeten laut Martin nicht nur die nationale Sicherheit, sondern auch die Interessen amerikanischer Steuerzahler.
Besonders kritisiert wird zudem die Zusammensetzung des Boards der Wikimedia Foundation, dem angeblich eine Mehrheit ausländischer Staatsangehöriger angehört, was ebenfalls als Subversion nationaler Interessen dargestellt wird. Diese Vorwürfe reißen eine neue Wunde in die Debatte um die Rolle von Informationsplattformen im politischen Diskurs. Wikipedia hat sich über Jahre hinweg als neutrale, von Volunteers betriebene Wissensquelle etabliert, deren Inhalte auf überprüfbaren und quellenbasierten Fakten beruhen sollen. Der Vorwurf der Propaganda und des ausländischen Einflusses wirft die Frage auf, wie digitale Plattformen kontrolliert werden können, ohne die freie Meinungsäußerung und die Informationsfreiheit zu gefährden. Die Aufforderung zur Vorlage umfangreicher Dokumentationen und Antworten zu den Schutzmechanismen gegen Propaganda und ausländische Einflusskampagnen belastet die Wikimedia Foundation zusätzlich.
Die Frist für eine detaillierte Antwort endet am 15. Mai 2025. Die Gemeinde hinter Wikipedia sowie verschiedene Organisationen, die sich für freie Meinungsäußerung starkmachen, beobachten die Entwicklung mit großer Sorge. Viele sehen in dem Vorgehen eine gezielte Einschüchterungsmaßnahme, die darauf abzielt, kritische oder nicht der Regierungsmeinung entsprechende Inhalte zu unterdrücken und eine Anpassung der Informationspolitik im Sinne der aktuellen Administration zu erzwingen. Ed Martin ist kein Unbekannter für aggressive Vorgehensweisen gegenüber Medien und Wissenschaftseinrichtungen.
Neben der Wikimedia Foundation hat er auch wissenschaftliche Fachzeitschriften wie das New England Journal of Medicine und Obstetrics and Gynecology mit ähnlichen Vorwürfen konfrontiert. Dort bemängelt er eine vermeintliche Einseitigkeit und fehlende Repräsentation „wettbewerbsorientierter“ Sichtweisen. Dies zeigt ein generelles Muster in der Verfolgung von Institutionen, die als kritisch oder oppositionell gegenüber der politischen Linie der Trump-Regierung wahrgenommen werden. Darüber hinaus lässt sich das Vorgehen auch im Kontext der öffentlichen Aussagen von Elon Musk verstehen, der Wikipedia wiederholt als „Wokepedia“ bezeichnet und der Plattform vorwirft, Teil eines umfangreichen Propagandanetzwerks der traditionellen Medien zu sein. Solche Narrativen schaffen ein Klima der Skepsis gegenüber etablierten Wissensquellen und fördern die Suche nach alternativen, oft weniger verifizierten Informationsströmen.
Die Diskussion um die Rolle von Wikipedia ist symptomatisch für eine größere Herausforderung: Die Wahrung von Objektivität und Neutralität in Zeiten politischer Polarisierung und Informationskriegen. Dabei geraten digitale Plattformen zunehmend unter Druck von Seiten staatlicher Akteure und politischen Interessengruppen, die Inhalte lenken oder zensieren wollen. Die Gefahr einer solchen Einflussnahme liegt nicht nur in der Einschränkung der Informationsfreiheit, sondern auch in der möglichen Verzerrung der historischen und aktuellen Wahrnehmung durch die Gesellschaft. Neben der unmittelbaren Bedrohung des steuerbefreiten Status könnte eine solche Untersuchung präzedenzbildend sein und weitere gemeinnützige Organisationen, Medien und wissenschaftliche Einrichtungen betreffen. Dies birgt Risiken für die Unabhängigkeit von Institutionen, die auf gemeinnütziger Basis und öffentlichen Zugriff angewiesen sind.
Die aktuelle Entwicklung sensibilisiert daher nicht nur für die speziellen Umstände bei Wikipedia, sondern regt eine breitere Debatte über die Rolle, Verantwortung und den Schutz von freien Informationsangeboten im digitalen Zeitalter an. Abschließend bleibt abzuwarten, wie die Wikimedia Foundation auf die Forderungen des Justizministeriums reagieren wird und welche Auswirkungen dies auf die zukünftige Gestaltung von Wikipedia und ähnlichen Plattformen hat. Die weltweite Nutzerbasis von Wikipedia steht klar hinter der Idee von frei zugänglichem Wissen ohne staatliche oder kommerzielle Einflussnahme. Die gegenwärtige Situation ist jedoch ein warnendes Zeichen dafür, wie verletzlich diese Prinzipien in einem Zeitalter intensiver politischer Kämpfe um Narrative und öffentliche Meinung sein können.