Die Hochsee ist der Teil des Ozeans, der sich außerhalb nationaler Hoheitsgewässer befindet und etwa 61 Prozent der weltweiten Ozeanfläche ausmacht. Damit bedeckt sie fast 43 Prozent der Erdoberfläche und beherbergt zwei Drittel des globalen Biosphärenvolumens. Trotz ihrer immensen Bedeutung wird die Hochsee seit Jahrhunderten für industrielle Ausbeutung genutzt – zunächst für den Walfang und später für Fischerei, Hai- und Tintenfischfang. Diese Ausbeutung hat zu bedeutenden Einbußen bei der Artenvielfalt und zur Schädigung mariner Lebensräume geführt. Doch neben der direkten Überfischung rücken nun auch andere Bedrohungen wie die Tiefseefischerei und der Abbau von Bodenschätzen auf dem Meeresgrund in den Fokus, die das empfindliche Gleichgewicht der Hochseeökosysteme nachhaltig gefährden.
Die Bedeutung der Hochsee für das globale Klima kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Mit einer durchschnittlichen Tiefe von 4100 Metern ist sie der größte und sicherste Kohlenstoffspeicher unseres Planeten. Sie übernimmt eine Schlüsselrolle im Kohlenstoffkreislauf durch biologische Prozesse, wie die sogenannte biologische Pumpe und die Nährstoffpumpe. Dabei bewegen sich mesopelagische Fische und wirbellose Tiere täglich zwischen den verschiedenen Wasserschichten, wobei sie Kohlenstoff zu den Tiefen transportieren. Ohne diesen Mechanismus wären die CO2-Konzentrationen in der Atmosphäre um 200 ppm höher, was einer Erwärmung um etwa drei Grad Celsius seit vorindustrieller Zeit entsprechen könnte.
Ebenso wichtig ist die Nährstoffpumpe, bei der Nährstoffe durch Tierexkremente und abgestorbene Organismen vom Tiefenbereich zur nährstoffarmen Oberfläche transportiert werden. Dadurch wird das Wachstum von pflanzlichem Plankton gefördert, welches wiederum CO2 absorbiert und die marine Nahrungskette trägt. Die jahrhundertelange dezimierende Ausbeutung großer Meeressäuger und anderer Arten durch Walfang und Fischerei hat diese natürlichen Prozesse erheblich gestört und trägt heute zur Degradierung dieser Funktionen bei. Derzeit sind weniger als ein Prozent der Hochsee als Schutzgebiet ausgewiesen, was angesichts ihrer Bedeutung für den Erhalt der globalen Biodiversität alarmierend ist. Die politische und juristische Grundlage für den Schutz der Hochsee ist komplex und bislang unzureichend geregelt.
Zwar wurde im Jahr 2023 ein internationaler Vertrag zum Schutz der Meere außerhalb nationaler Jurisdiktion verabschiedet, der sogenannten Hochseeschutzvertrag, doch seine Umsetzung wird sich noch Jahre hinziehen und zahlreiche Herausforderungen wie die mangelnde Datenlage und divergierende Interessen zwischen Staaten mit sich bringen. Angesichts der Dringlichkeit der Klimakrise und des Biodiversitätsverlustes können wir es uns nicht leisten, so lange abzuwarten. Die giftige Kombination aus Klimawandel, Sauerstoffmangel und Nährstoffverarmung fordert bereits heute ihren Tribut an vielen pelagischen Arten wie Haien, Thunfischen und Meeresschildkröten. Weiteres Vorgehen wie Tiefseefischerei und der Abbau von Bodenschätzen verschärfen diese Lage zusätzlich. Tiefseefischerei zielt zunehmend auf Arten in bisher unberührten Tiefen ab, mit wenig Wissen über die fragile Ökologie dieser Lebensräume.
Ebenso gewinnt der Abbau polymetallischer Knollen auf dem Meeresboden an Bedeutung, wobei die ökologischen Folgen unterschätzt und der Regulierungsprozess von Interessenkonflikten geprägt ist. Die Argumente für einen vollständigen Schutz der Hochsee vor jeglicher extraktiver Nutzung werden durch zahlreiche wissenschaftliche Studien und Expertengremien unterstützt. Der Verzicht auf Hochseefischerei bedeutet nicht nur eine Erholung der betroffenen Fischpopulationen, sondern auch den Erhalt von Lebensräumen und Schutz vor der Zerstörung des Meeresbodens. Es hat sich gezeigt, dass sich Fischbestände in geschützten Bereichen schneller regenerieren und dass sogenannte „spill-over“-Effekte entstehen, bei denen gesunde Populationen in angrenzende, national kontrollierte Gebiete wandern und auch dort nachhaltiger genutzt werden können. Zudem erzeugt die Schließung der Hochsee für industrielle Nutzung eine gerechtere Verteilung der Fischereierträge.
Aktuell wird die Mehrheit der Hochseefischerträge von wenigen wirtschaftlich starken Staaten mit viel Kapital und Subventionen kontrolliert. Dies führt zu Ungleichheiten und benachteiligt vor allem Länder mit geringem Einkommen, die nicht in die Hochseefischerei investieren können. Ein nachhaltiges Management innerhalb nationaler Hoheitsgewässer würde dagegen mehr Akteure einbeziehen und die soziale sowie wirtschaftliche Gerechtigkeit verbessern. Die bislang vernachlässigte Problematik der Tiefseebodenschätze ist eine weitere große Herausforderung. Es existieren zahlreiche Explorationslizenzen, aber keine kommerzielle Bergung.
Die Risiken für Tiefseeökosysteme sind enorm: Die Entfernung von Sedimenten verursacht anhaltende Sedimentwolken, die Sauerstoffmangel sowie die Freisetzung von organischem Kohlenstoff aus Jahrtausenden alter Ablagerungen verursachen können. Diese Vorgänge bedrohen nicht nur die marine Biodiversität, sondern könnten auch den Klimawandel beschleunigen. Angesichts der unzureichenden Transparenz und der Interessenkonflikte in der Internationalen Meeresbodenbehörde, die sowohl für Förderung als auch Regulierung zuständig ist, fordern viele Wissenschaftler, Umweltschützer und zunehmend auch Regierungen einen globalen Moratorium für die Tiefseebergbauindustrie. Die Umsetzung der strengsten Umweltauflagen ist mit bestehenden Technologien und Kontrollmechanismen heute nicht möglich. Aus globaler Perspektive ist der Schutz der Hochsee von essenzieller Bedeutung für das Überleben aller Lebensformen auf der Erde.
Die Hochsee schützt unseren Planeten und gewährleistet komplexe ökosystemare Dienstleistungen, die weit über das Meer hinausreichen: Klimaregulation, Erhaltung der Artenvielfalt und Stabilisierung der globalen Nahrungsmittelketten. Die Aufgabe, die Hochsee als einmaliges und unersetzliches Naturerbe zu bewahren, kann mit der Schutzinitiative für die Antarktis in den 1950er Jahren verglichen werden. Beide erfordern ein gemeinsames internationales Verantwortungsbewusstsein und ein festes Commitment zum langfristigen Schutz. Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Schutzmaßnahmen nicht im Widerspruch zu legitimer Forschung, Schifffahrt oder nicht-nutzungsorientierten Aktivitäten stehen müssen. Im Gegenteil, ein nachhaltiges Management der Hochsee könnte wissenschaftliche Erkenntnisse fördern und die Gesundheit der Ozeane für kommende Generationen sichern.
Die Herausforderungen bei der Umsetzung sind groß. Die Politik muss die Komplexität der internationalen Meeresgesetzgebung sowie die vielfältigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Interessen berücksichtigen. Dennoch ist der Schritt hin zu einer Schutzpflicht für die Hochsee dringend notwendig und kann nicht weiter verzögert werden. Politische Willensbildung, transparente Entscheidungsprozesse und breite internationale Zusammenarbeit sind essenziell, um diese globale Aufgabe zu bewältigen. Abschließend lässt sich sagen, dass die Hochsee das unerforschte Herz unseres Planeten ist, dessen Schutz in unserem kollektiven Interesse liegt.
Ihre unerschöpfliche Bedeutung für das Ökosystem Erde verpflichtet uns, sie als schützenswertes Gemeingut der Menschheit zu bewahren. Jegliche extraktive Nutzung dieser internationalen Gewässer birgt das Risiko irreparabler Schäden, die die Stabilität der globalen Umwelt und letztlich die Lebensgrundlage aller Menschen gefährden. Der uneingeschränkte Schutz der Hochsee vor Fischerei, Bergbau und fossiler Energiegewinnung ist nicht nur eine ökologische Notwendigkeit, sondern auch ein moralischer Imperativ im Angesicht der sich verschärfenden Klimakrise und des Artensterbens.