Novo Nordisk, der führende dänische Pharmahersteller, der vor allem für seine innovativen Behandlungen im Bereich Diabetes und Adipositas bekannt ist, hat seine Umsatz- und Gewinnprognosen für das Jahr 2025 reduziert. Trotz eines starken ersten Quartals, das ein Wachstum von 18 Prozent im Umsatz und 20 Prozent beim operativen Gewinn im Vergleich zum Vorjahr verzeichnete, blickt das Unternehmen mit Sorge auf die zweite Jahreshälfte. Der Grund für die Absenkung der Prognosen liegt vor allem in der geringeren als erwarteten Marktdurchdringung seiner GLP-1-basierenden Medikamente in den USA, insbesondere von Wegovy, einem weitverbreiteten Präparat zur Gewichtsreduktion. Ein maßgeblicher Faktor hierfür ist der zunehmende Einfluss von sogenannten Kompendium-Apotheken, die generische oder kopierte Versionen des Wirkstoffs Semaglutid auf den Markt bringen. Diese unentgeltlichen Medikamente, auch als „compounded drugs“ bezeichnet, werden von Apotheken individuell hergestellt und enthalten denselben Wirkstoff wie die beworbenen Markenmedikamente, sind jedoch ungebündelt und oft günstiger erhältlich.
Die Verbreitung dieser pharmazeutischen Kopien begann im Zuge von Versorgungsengpässen ab Anfang 2022, als Novo Nordisk selbst die Produktion seiner Originalmedikamente nicht in ausreichender Menge gewährleisten konnte. In dieser Lücke enterte eine Vielzahl von Telemedizin- und Versandapotheken-Unternehmen, darunter bekannte Anbieter wie Mochi Health sowie Hims & Hers, welche die Nachfrage insbesondere im US-Markt mit ihren semaglutidbasierten Nachahmerpräparaten schnell erfüllen konnten. Diese Entwicklung führte zu einer bedeutenden Marktanteilverringerung bei Novo Nordisk im lukrativen Adipositas-Segment, das inzwischen den Löwenanteil der Unternehmensumsätze im Bereich der Diabetes- und Gewichtsmanagementprodukte umfasst. Während die Diabetes-Sparte von Novo Nordisk mit einem moderaten Wachstum von 11 Prozent weiterhin solide Erträge generiert, wächst der Bereich „Adipositas“ mit beeindruckenden 65 Prozent gegenüber dem Vorjahr deutlich schneller und ist für die Umsatzentwicklung des Unternehmens entscheidend. Die Herausforderung durch diese nährstoffmäßige Konkurrenz hat also direkten Einfluss auf das finanzielle Gesamtbild und die Marktaussichten.
Die Aktie von Novo Nordisk reagierte auf die Prognosenanpassung mit einem moderaten Kursanstieg von 5,8 Prozent am Morgen des 7. Mai 2025, was zeigt, dass Anleger trotz der Zurücknahme der Ambitionen weiterhin Vertrauen in das langfristige Wachstumspotenzial der Firma setzen. Mit einer Marktkapitalisierung von umgerechnet etwa 230 Milliarden US-Dollar und als zweitgrößtes Unternehmen Europas im Pharmasektor nimmt Novo Nordisk eine Schlüsselrolle auf dem Weltmarkt ein. Der Vorstandsvorsitzende Lars Fruergaard Jørgensen äußerte sich zur aktuellen Situation mit der Einschätzung, dass das erste Quartal 2025 zwar ein solides Umsatzwachstum sowie eine weitere Expansion des Kundenstamms für innovative GLP-1-Behandlungen gezeigt habe. Dennoch habe der schnelle Ausbau des Compounding-Sektors in den USA und die daraus resultierende geringere Durchdringung der Marke Wegovy sich negativ auf die Prognose ausgewirkt.
Novo Nordisk hat als Reaktion auf die Konkurrenzsituation eine Zusammenarbeit mit den Telemedizin-Plattformen verstärkt. Insbesondere wurde eine Partnerschaft mit Hims & Hers geschlossen, die bestehenden Kunden Zugang zur eigenen NovoCare Pharmacy ermöglichen soll. Dieses strategische Vorgehen zielt darauf ab, Kunden an die offiziell geprüften, originalen Medikamente von Novo Nordisk zu binden und Vertrauen in die Qualität und die Sicherheit der Produkte zu stärken. Die Situation auf dem US-Markt illustriert komplexe Herausforderungen, denen innovative Arzneimittelhersteller heutzutage gegenüberstehen. Auf der einen Seite sind neue Therapien für chronische Erkrankungen wie Diabetes und Fettleibigkeit gefragter denn je, da das Bewusstsein für diese gesundheitlichen Probleme steigt und gleichzeitig neue Medikamente mit höherer Wirksamkeit auf den Markt drängen.
Auf der anderen Seite eröffnet die zunehmende Verbreitung von telemedizinischen Angeboten und individuellen Arzneimittelfertigungsmethoden alternative Zugangswege für Patienten, die Medikamente günstiger oder flexibler erhalten möchten. Der Trend zu compounding-Apotheken als günstige Alternative birgt für etablierte Pharmafirmen das Risiko, dass Innovationen und Markenschutz schneller als erwartet unterminiert werden können. Im Fall von Novo Nordisk trifft dies besonders stark zu, da Wegovy und Ozempic auf dem GLP-1-Rezeptor-Agonist-Mechanismus basieren, der vielfach kopiert oder modifiziert werden kann. Der US-Markt galt bisher als einer der wichtigsten Wachstumstreiber für Novo Nordisk, nicht zuletzt wegen der steigenden Prävalenz von Adipositas und Diabetes in der Bevölkerung. Der Einfluss von Compounding-Präparaten könnte daher nicht nur kurzfristige Umsatzeinbußen bedeuten, sondern auch die langfristige Positionierung des Unternehmens als Marktführer herausfordern.
Offen bleibt, wie die regulatorischen Behörden auf diesen Trend reagieren werden. Bisher bewegen sich compounded drugs in einem rechtlichen Graubereich, da sie nicht dieselben Zulassungsverfahren durchlaufen wie standardisierte Markenmedikamente. Dies wirft Fragen hinsichtlich Wirksamkeit, Qualitätssicherheit und Patientenschutz auf. Novo Nordisk könnte hier eine wichtige Rolle bei der Einforderung von strengeren Richtlinien spielen, um den fairen Wettbewerb sicherzustellen und PatientInnen den Zugang zu geprüften Produkten zu garantieren. Insgesamt verdeutlicht die aktuelle Entwicklung bei Novo Nordisk, dass selbst marktführende Unternehmen im Pharmabereich vor neuen Herausforderungen stehen, die weit über die Produktinnovation hinausgehen.
Die Balance zwischen der Sicherstellung von Produktionskapazitäten, der Aufrechterhaltung von Markenwerten und dem Umgang mit disruptiven Wettbewerbsformen wie Compounding erfordert flexible Strategien sowie partnerschaftliche Lösungen. Für Anleger und Marktbeobachter bleibt spannend, wie Novo Nordisk sich in diesem dynamischen Umfeld behaupten wird und welche weiteren Maßnahmen das Unternehmen ergreifen wird, um die Potenziale des wachsenden Gesundheitsmarktes optimal zu nutzen. Im Blick auf die weltweiten Trends in der Diabetes- und Adipositasbehandlung ist davon auszugehen, dass der Wettbewerb um sichere, wirksame und erschwingliche Medikamente auch in den kommenden Jahren intensiv bleiben wird. Novo Nordisk ist gut positioniert, um weiterhin eine führende Rolle in der Branche einzunehmen, sofern es gelingt, die Herausforderungen der Marktdynamik und regulatorischen Landschaft erfolgreich zu navigieren. Die Fortschritte in der personalisierten Medizin, telemedizinischen Services und effektiven Beschwerdensteuerungsprogrammen könnten zusätzlich neue Wachstumsfelder eröffnen und das Unternehmen langfristig stärken.
Doch der Umgang mit den bisherigen Schwierigkeiten in den USA wird wohl entscheidend sein, um das Vertrauen der Stakeholder zu erhalten und die eigene Innovationskraft auszubauen.