Die Technologiebranche hat im letzten Jahrzehnt enorme Veränderungen durchlaufen. Während die 2010er Jahre als „glory days“ galten, in denen Tech-Unternehmen großen Wert auf das Wohlbefinden und die Work-Life-Balance ihrer Mitarbeitenden legten, hat sich das Blatt gewendet. Heute sehen sich viele Mitarbeiter von Tech-Firmen mit zunehmendem Druck konfrontiert, härter und schneller zu arbeiten – oft unter der ständigen Bedrohung von Entlassungen. Diese neue Realität stellt viele Entwickler und Ingenieure vor große Herausforderungen: Wie kann man produktiv bleiben und zugleich seine Arbeitsstelle sichern, ohne sich dabei zu überarbeiten oder auszubrennen? In diesem Kontext ist es hilfreich, seine Arbeitsweise und Prioritäten zu überdenken und strategischer vorzugehen.Ein ganz natürlicher, aber oft unproduktiver Reflex ist es, einfach mehr Stunden zu arbeiten.
Längere Tage und zusätzliche Arbeitsstunden nach Feierabend scheinen auf den ersten Blick eine unkomplizierte Lösung, um den steigenden Anforderungen gerecht zu werden. Doch dieses Vorgehen führt schnell zu Erschöpfung und stellt kein nachhaltiges Modell dar. Besonders in Berufen, in denen geistige Leistung gefragt ist, wie zum Beispiel im Softwareentwicklungsbereich, nimmt die Qualität der Arbeit unter permanentem Stress ab. Fehler häufen sich, Kreativität leidet, und die allgemeine Effektivität sinkt. Deshalb ist es unerlässlich, eine nachhaltigere Herangehensweise zu finden, mit der man sowohl den Erwartungen des Arbeitgebers gerecht wird als auch die eigene Gesundheit und Leistungsfähigkeit bewahren kann.
Ein entscheidender Schritt besteht darin, betriebsinterne Prioritäten bewusst zu setzen und unbezahlte oder freiwillige Zusatzaufgaben vorerst hintanzustellen. In vielen Tech-Unternehmen ist der Fokus nicht auf der Anzahl der geleisteten Arbeitsstunden, sondern auf der Qualität und Relevanz der erzielten Ergebnisse. Nicht jede Tätigkeit wird gleich bewertet und nicht alles, was man früher als Teil der beruflichen Identität oder Leidenschaft angesehen hat, zählt aktuell noch gleich viel für den Arbeitgeber. In Phasen hoher Unsicherheit kann es deshalb sinnvoll sein, bestimmte Aufgaben wie das Schreiben von umfangreichen Tests, das Refactoring von Code oder das aktive Unterstützen anderer Teams nur dann anzugehen, wenn sie direkt angeordnet werden oder offensichtlich zurzeit Priorität haben. Diese Tätigkeiten sind zweifellos sinnvoll, um langfristig die Codequalität zu sichern oder die Zusammenarbeit zu verbessern.
Doch in der aktuellen Realität ist es oft notwendig, pragmatisch zu handeln und sich vornehmlich auf Projekte zu konzentrieren, die unmittelbar den Geschäftszielen dienen.Für viele Entwickler ist dies eine schwierige Einsicht, denn das Streben nach sauberem, gepflegtem Code und nachhaltigen Prozessen ist nicht nur eine professionelle Verpflichtung, sondern gibt auch persönliche Zufriedenheit und Freude an der Arbeit. Dennoch ist es wichtig, diesen Aspekt als etwas zu betrachten, das man freiwillig und aus eigenen Ressourcen leistet – nicht als Pflicht im Rahmen der regulären Arbeitszeit, besonders wenn das Unternehmen klare Prioritäten vorgibt. Im Klartext heißt das nicht, dass man nichts mehr für die Qualitätssicherung tun sollte. Es kann sinnvoll sein, einen minimalen Satz an Tests zu schreiben, der zentrale Abläufe abdeckt, oder gelegentlich kleinere Refactorings durchzuführen, wenn diese konkret helfen, wichtige Funktionen schneller oder sicherer umzusetzen.
Jedoch gilt: Langfristig an technischen Schulden zu arbeiten oder umfangreiche Prozessverbesserungen voranzutreiben, sollte möglichst nicht auf Kosten der eigenen Freizeit gehen.Sehr wichtig ist außerdem, die Arbeitsbelastung bewusst zu steuern und auf Phasen unterschiedlicher Intensität einzustellen. Nicht alle Projekte genießen dieselbe Aufmerksamkeit von Seiten der Unternehmensführung. Manche Wochen sind geprägt von hoher Sichtbarkeit und Druck, während in anderen Phasen weniger Fokus auf einzelne Leistungen gelegt wird. In den intensivsten Zeiten ist es angemessen und sogar notwendig, besonders engagiert und produktiv zu sein – als ob man einen leistungssteigernden Multiplikator aktiviert hätte.
Das kann bedeuten, für diese kurzen Zeiträume deutlich mehr zu arbeiten, auch zwölf Stunden am Tag oder mehr. Gleichzeitig muss genau in den ruhigeren Phasen die Gelegenheit zum Ausruhen und Regenerieren genutzt werden. Ein dauerhaftes Hochtempo ist weder realistisch noch gesund, und ohne ausreichend Regeneration droht das Burnout.Doch wie erkennt man, wann ein Projekt besonders wichtig ist? Oft sind in einem Unternehmen klare Signale erkennbar. Wenn Führungskräfte auf mehreren Ebenen persönlich an Meetings teilnehmen und der Fortschritt intensiv verfolgt wird, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass man sich hier besonders konzentrieren sollte.
Auch wenn ein Thema in den Unternehmens-Updates der Geschäftsführung erscheint, sollte man die Prioritäten entsprechend ausrichten. Diese Aufmerksamkeit gilt es, gezielt zu nutzen, um sich zu zeigen und den eigenen Wert zu betonen.Zusammenfassend ist es in einer angespannten Arbeitsmarktsituation in der Tech-Branche entscheidend, die Arbeitszeit und den Arbeitseinsatz intelligenter zu gestalten anstatt nur mehr zu arbeiten. Die Devise lautet, unbezahlte Zusatzarbeiten zu reduzieren, zentrale Projekte mit voller Kraft voranzutreiben und klar zwischen intensiven Arbeitsphasen und Ruhezeiten zu unterscheiden. Dabei ist es ebenso wichtig, das eigene berufliche Wohlbefinden und die langfristige Gesundheit im Blick zu behalten, denn nur so lässt sich dauerhaft leistungsfähig bleiben.
Wer diese Balance findet, erhöht nicht nur die Chance auf berufliche Stabilität, sondern gewinnt auch mehr Kontrolle über die eigene Arbeit und damit das eigene Leben in einer Zeit großer Unsicherheiten.