Die digitale Transformation macht auch vor dem Lebensmitteleinzelhandel nicht Halt. Elektronische Preisschilder (Electronic Shelf Labels, ESLs) sind eine Innovation, die viele Händler weltweit nutzen, um Preise effizient, flexibel und in Echtzeit anzuzeigen und anzupassen. In den Vereinigten Staaten haben insbesondere die größten Akteure wie Walmart und Kroger diese Technologie in einer Vielzahl von Filialen implementiert. Gleichzeitig hat diese Entwicklung jedoch regulatorische Aufmerksamkeit erregt: Es gab Sorgen, dass ESLs zu einer stärkeren Nutzung von dynamischen Preisen oder gar zu Preisspitzen führen könnten. Doch eine aktuelle Studie liefert eindeutige Belege, dass diese Befürchtungen aus Sicht von Verbrauchern und Regulierungsbehörden unbegründet sind.
Die Technologie hinter elektronischen Preisschildern ermöglicht es Einzelhändlern grundsätzlich, Preise jederzeit flexibel zu ändern. Dies kann theoretisch genutzt werden, um Preise basierend auf externen Faktoren wie Tageszeit, Wetter oder Nachfrage kurzfristig anzuheben – ein Phänomen, das als Surge Pricing bekannt ist und von manchen Plattformen wie Fahrdienstanbietern oder digitalen Marktplätzen bereits praktiziert wird. Vor allem die Regulierungsbehörden in den USA befürchteten, dass diese Praxis künftig auch im Lebensmitteleinzelhandel Einzug halten könnte, armutsgefährdete Haushalte belastet und für Intransparenz sorgt. Eine repräsentative Untersuchung, die Transaktionsdaten eines großen US-Lebensmittelhändlers mit einem Jahresumsatz von rund drei Milliarden US-Dollar analysierte, zeigt jedoch ein ganz anderes Bild. Die Einführung von ESLs in über hundert Filialen seit Oktober 2022 führte nicht zu einem signifikanten Anstieg von Preisspitzen.
Vor der Einführung waren nur etwa 0,0050 Prozent der Produkte temporär von erhöhten Preisen betroffen. Nachdem die elektronischen Preisschilder installiert wurden, änderte sich dieser Prozentsatz praktisch nicht und nahm um nur 0,0006 Prozentpunkte zu – ein statistisch vernachlässigbarer Wert. Dieses Ergebnis lässt auf eine starke Preisdisziplin in den großen US-Lebensmittelketten schließen. Trotz der technologische Möglichkeit, Preise schnell und gezielt zu erhöhen, halten sich Händler bislang an eine lineare, transparente Preisgestaltung. Die sonst üblichen konventionellen Preismechanismen, wie beispielsweise Sonderangebote, Prozentnachlässe oder saisonale Preisanpassungen, sind weiterhin die dominierenden Instrumente und nicht spontane Preisanhebungen in Abhängigkeit von externen Umständen.
Die Studie liefert nicht nur für Verbraucher eine Entwarnung, sondern auch für Wettbewerbs- und Verbraucherbehörden. Oftmals führte die Publikumsdiskussion um dynamische Preismodell im Einzelhandel zu Befürchtungen von Ausbeutung und Marktverzerrungen. Doch die Daten zeigen, dass solche Preissprünge in diesem Sektor verbunden mit elektronischen Preisschildern keinen massiven Einfluss haben. Ein Grund dafür könnte die enge Beobachtung durch Verbraucher und Wettbewerber sein, die bei abrupten Preisanpassungen schnell reagieren könnten. Zudem legen die Akteure im Lebensmittelhandel Wert auf ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihren Kunden, das durch übermäßige Preisschwankungen gefährdet wäre.
Darüber hinaus ist anzunehmen, dass die Einführung elektronischer Preisschilder vor allem Effizienzgewinne bringt. Sie erleichtern Händlern die Aktualisierung von Preisen, beispielsweise bei Lieferengpässen, veränderten Einkaufskosten oder Ad-hoc-Promotions. Diese Vorteile resultieren in einer verbesserten Kostenkontrolle und einer insgesamt dynamischeren Preisgestaltung über längere Zeiträume, ohne dass es zu kurzfristigen, sprunghaften Preisänderungen kommt, die Verbraucher unmittelbar spüren. Interessant sind auch die Implikationen für zukünftige Innovationen im Handel. Die Ergebnisse zeigen, dass technologische Modernisierung nicht zwangsläufig negative Folgen auf Preisfairness und -stabilität haben muss.
Stattdessen kann Technologie genutzt werden, um bestehende Prozesse transparenter und flexibler zu gestalten, ohne auf Kosten der Kundenzufriedenheit zu gehen. Dies ist besonders bemerkenswert, da viele andere Branchen bereits mit der Herausforderung dynamischer Preisgestaltung und ihrer Regulierung konfrontiert sind. Zusätzlich stärkt die Studie das Verständnis darüber, wie Technologie und Verbraucherinteressen in Einklang gebracht werden können. Kunden erwarten niedrige und faire Preise, aber auch, dass Händler kosteneffizient arbeiten. ESLs helfen dabei, externe Marktveränderungen rasch zu berücksichtigen, ohne dabei opportunistisch Preise zu sprunghaft zu erhöhen.
Die Stabilität der Preispolitik festigt somit langfristig die Kundenbindung. Abschließend lässt sich feststellen, dass die Sorge vor einer durch ESLs ausgelösten Welle von Preisspitzen im US-amerikanischen Lebensmitteleinzelhandel nicht durch empirische Daten gestützt wird. Die Technologie hat eindeutig Nutzen geschaffen, ohne die Preiswelt instabiler oder für Verbraucher nachteiliger zu machen. Dies sollte eine Beruhigung für Regulierer, Verbraucher und Händler gleichermaßen sein, die alle ein Interesse an fairen, nachvollziehbaren Preisen haben. Diese Erkenntnisse könnten außerdem als Vorlage dienen, um weitere Innovationen im Handel zu fördern und gleichzeitig mögliche regulatorische Überreaktionen zu vermeiden, die den Fortschritt unnötig bremsen.
In einem sich ständig wandelnden Marktumfeld mit wachsendem Einsatz digitaler Lösungen ist eine differenzierte Betrachtung der Technologieauswirkungen ein wertvolles Instrument auf dem Weg zu einem zukunftsfähigen Lebensmitteleinzelhandel.