Der Umgang mit schnell ausverkauften Konzerttickets ist für viele Musikliebhaber eine bitter vertraute Herausforderung. Kaum ist der Vorverkauf gestartet, sind die begehrten Karten binnen Sekunden vergriffen. Dieses Problem führte bei zahlreichem Publikum häufig zu Frustration und Enttäuschung. Für mich als jemand, der bei zahlreichen Konzerten leer ausging, wurde das Verpassen der Tickets zu einem Antrieb, eine technische Lösung zu finden, die mir einen Vorteil gegenüber gewöhnlichen Käufern verschafft. Die Idee war, den Kaufprozess zu automatisieren und so schneller und zuverlässiger an Karten zu kommen als mit manuellen Klicks möglich ist.
Doch der Weg zu dieser Lösung war geprägt von einer interessanten Lernkurve und einem Umdenken in der Herangehensweise.Zunächst versuchte ich mich an Reverse Engineering der Ticketing-App. Dieser komplexe Prozess besteht darin, die App-Dateien zu dekompilieren, um herauszufinden, an welcher Stelle im Code der „In den Warenkorb“-Button oder die Benachrichtigungsfunktionen angesiedelt sind. Mit Werkzeugen wie Apktool war es möglich, die ursprünglich kompilierten Apps in eine lesbare, wenn auch schematische Darstellung zu verwandeln. Dort wollte ich dann eigene Anweisungen einfügen, die automatisch beim Erscheinen einer Ticket-Benachrichtigung einen Kauf auslösen.
Für zusätzliche Dynamik plante ich den Einsatz von Frida, einem Tool zum Dynamischen Instrumentieren, mit dem es möglich ist, App-Funktionen während der Laufzeit zu beeinflussen. So hätte ich die Benachrichtigungsbehandlung manipulieren können, um gekaufte Tickets automatisch in den Warenkorb zu legen.Diese Herangehensweise klang zunächst vielversprechend, stellte sich jedoch als äußerst technisch und fehleranfällig heraus. Stundenlanges Tüfteln führte immer wieder zu Blockaden und erschwerten Wartungsarbeiten. Schließlich fragte ich mich, ob ich das Problem nicht viel einfacher lösen könnte – ganz ohne tiefgehende Eingriffe in die App selbst.
Dabei kam ich auf die vielfältigen Möglichkeiten, die Android von Haus aus bietet. Android besitzt leistungsstarke öffentliche APIs, die es erlauben, auf Systembenachrichtigungen zu reagieren oder sogar simulierte Benutzeraktionen auszuführen. Warum also nicht eine eigenständige App entwickeln, die solche Funktionen nutzt, statt die wurde App zu knacken?Der entscheidende Durchbruch lag in der Kombination zweier Kern-Services von Android: NotificationListenerService und AccessibilityService. NotificationListenerService erlaubt es einer App, alle eingehenden Benachrichtigungen auf einen Blick mitzuerleben – natürlich nur mit ausdrücklicher Nutzererlaubnis. So kann das Auftauchen einer Ticketbenachrichtigung sofort registriert werden.
Der AccessibilityService ist eigentlich für Hilfsfunktionen gedacht, um mobilen Nutzern bei Einschränkungen zu helfen. Er kann jedoch auch zum Steuern der Benutzeroberfläche anderer Apps eingesetzt werden, unter anderem um auf Buttons zu klicken oder Wischgesten zu simulieren. So könnten zum Beispiel „In den Warenkorb“-Buttons auf dem Bildschirm automatisch betätigt werden.Die Idee war damit geboren: Meine App soll auf eine Ticket-Benachrichtigung reagieren, sofort die Ticketing-App öffnen und das gewünschte Ticket mit einem automatischen Klick dem Warenkorb hinzufügen. Ein solcher Ansatz bringt enorme Vorteile: Man braucht keinerlei invasive Modifikationen an der Ziel-App vornehmen.
Stattdessen orchestriert die eigene App das Verhalten über legitime Betriebssystemfunktionen. Die resultierende Lösung ist robuster, einfacher zu pflegen und erfüllt zugleich den Zweck, der ursprünglichen Karte hinterherzujagen.Umsetzungstechnisch heißt das konkret, dass mein NotificationListenerService kontinuierlich alle Benachrichtigungen überwacht. Erkennt er ein Ticket-Angebot, wird versucht, dessen zugehörige PendingIntent zu senden – das entspricht dem manuellen Antippen der Benachrichtigung seitens des Nutzers. Im Idealfall startet das die Ticketing-App mit dem passenden Fenster.
Sollte das aus Sicherheitsgründen blockiert werden, gibt es einen Fallback, der die App explizit mit einem LaunchIntent öffnet. Damit ist sichergestellt, dass das Fenster erscheint und die Automation einsetzen kann. Parallel übernimmt dann der AccessibilityService. Er scannt die aktive Ansicht nach dem Button mit der Bezeichnung „In den Warenkorb“ und führt einen Klick darauf aus, als wäre ein echter Finger am Display unterwegs.Ein praktisches Problem stellte sich mit sogenannten BAL-Einschränkungen (Background Activity Launch) heraus.
Diese verhindern, dass Apps ohne Nutzerinteraktion im Hintergrund willkürlich andere Apps öffnen können, um Missbrauch entgegenzuwirken. Hier sorgte der zusätzliche Schritt des manuellen App-Starts via LaunchIntent für Zuverlässigkeit. So funktioniert die Kombination aus PendingIntent und explizitem Start am stabilsten.Während der Entwicklung stellte ich fest, wie mächtig und gleichzeitig gefährlich der Zugang über diese öffentlichen APIs sein kann. Im falschen Kontext könnten solche Mechanismen missbraucht werden, beispielsweise von Schädlingen, die unerwünschte Aktionen im Namen des Nutzers ausführen.
Deshalb ist eine verantwortungsbewusste Nutzung unerlässlich. In meinem Fall fungiert die Lösung ausschließlich als persönliche Assistenz und für legale Zwecke, ohne gegen die Nutzungsbedingungen der Ticketplattform zu verstoßen.Der fertige Ticket-Bot läuft auf meinem Gerät reibungslos. Jedes Mal, wenn eine passende Benachrichtigung eintrifft, öffnet sich die App und legt im Bruchteil einer Sekunde das Ticket in den Warenkorb, bevor ich überhaupt zum Handy greifen könnte. Das Ergebnis sind gesicherte Tickets, wo früher Frustration lauerte.
Mit etwas Geduld und Kreativität ließ sich somit ein scheinbar kniffliges Problem viel einfacher lösen, als anfangs angenommen.Dieses Projekt lehrt vor allem, nicht sofort in komplizierte Lösungswege abzutauchen, sondern zuerst die Möglichkeiten einer Plattform auszuschöpfen. Android bietet mit seinen öffentlichen Schnittstellen einen sehr breiten Baukasten, der noch weit unterschätzt wird. Viele Automatisierungen und Erweiterungen lassen sich damit auf vergleichsweise einfache Art realisieren. Außerdem zeigt es, wie wichtig es ist, Sicherheitsmechanismen zu verstehen, mit ihnen zu arbeiten und sie nicht zu umgehen, um Stabilität und Benutzervertrauen zu erhalten.
In einer Zeit, in der digitale Produkte und Apps nahezu täglich mit neuen Features und Einschränkungen kommen, bleibt eine positive Grundhaltung gegenüber offenen Systemen der Schlüssel zum Erfolg. Wer reflektiert und erfinderisch bleibt, kann Lösungen schaffen, die ihm echten Mehrwert bringen und gleichzeitig der Gemeinschaft zugutekommen. Wenn also das nächste Ticket eines großen Konzerts veröffentlicht wird, geht die Angst vor dem Verpassen nicht mehr automatisch mit. Stattdessen steht eine intelligente Hilfestellung bereit – dank Android, öffentlichen APIs und etwas Programmierleidenschaft.