Die Offshore-Windenergie gilt als einer der Wegbereiter für eine nachhaltige Energiezukunft, insbesondere in Großbritannien, einem der weltweit führenden Märkte für Windenergie auf See. Doch trotz der bisher erfolgreichen Expansion zeigen die jüngsten Entwicklungen im Fall des Windenergieprojekts Hornsea 4 durch den dänischen Energiekonzern Ørsted, dass die Branche vor erhebliche Herausforderungen gestellt wird. Ørsted kündigte offiziell an, das 2,4 Gigawatt (GW) umfassende Hornsea 4 Projekt in seiner aktuellen Form einzustellen, da die gestiegenen Kosten für die Lieferkette, höhere Zinssätze sowie erhebliche Bau- und Projektierungsrisiken die wirtschaftliche Machbarkeit dieses Vorhabens infrage stellen. Dieses Ereignis ist ein bedeutendes Signal für Investoren, politische Entscheidungsträger und die gesamte Branche der Offshore-Windenergie und eröffnet Debatten über die Zukunft und Finanzierung großer erneuerbarer Energieprojekte in Großbritannien und Europa. Hornsea 4 war Teil der umfangreichen Hornsea-Windfarmserie, die durch Ørsted umgesetzt wird und deren Installation von Offshore-Windpark-Kapazitäten in der Nordsee einen enormen Beitrag zur Reduzierung von CO2-Emissionen leisten soll.
Das Projekt hatte im September 2024 eine Zuteilung für einen Vertrag für Differenzpreise (Contract for Difference – CfD) erhalten, ein staatlich gefördertes Preismodell, das Investitionssicherheit für erneuerbare Energieprojekte bietet. Diese Unterstützung hatte die wirtschaftlichen Perspektiven von Hornsea 4 zunächst in ein günstiges Licht gerückt, dennoch haben sich die geopolitischen und finanziellen Rahmenbedingungen seitdem deutlich verschärft. Ein entscheidender Faktor für die Einstellung des Projekts liegt in den steigenden Kosten innerhalb der Lieferkette. Die Offshore-Windindustrie leidet unter Engpässen bei Spezialkomponenten, erhöhten Materialpreisen und logistischen Schwierigkeiten, die sich seit Anfang der 2020er Jahre verschärft haben. Die Verknappung von Turbinen, Fundationsmaterialien und Kabeln sowie der Lager- und Transportraum wirken sich massiv auf die Gesamtprojektkosten aus.
Zudem haben steigende Inflationsraten und höhere Zinssätze die Finanzierungskosten bedeutend angehoben. Diese wirtschaftlichen Rahmenbedingungen führen dazu, dass die ursprünglich kalkulierte Rentabilität des Hornsea 4 Projekts nicht mehr gegeben ist. Neben den finanziellen Aspekten spielen auch die technischen Risiken eine Rolle, die mit dem Bau und Betrieb von Offshore-Windparks in großer Größenordnung verbunden sind. Der Bau komplexer Unterwasser-Infrastrukturen, die Anbindung an das Stromnetz und die Gewährleistung einer stabilen und zuverlässigen Energieproduktion sind anspruchsvolle Aufgaben, die zusätzliche Unsicherheiten mit sich bringen. Die Kombination aus Lieferkettenproblemen, zeitlichen Verzögerungen und Baukomplikationen wirkt sich auf die Wirtschaftlichkeit und das Risiko von Großprojekten aus.
Ørsted hat beschlossen, keine weiteren Investitionen in Hornsea 4 zu tätigen und die bestehenden Lieferkettenverträge zu kündigen. Das Unternehmen wird das Projekt nicht unter dem ursprünglich erhaltenen CfD umsetzen, da dieses Fördermodell unter den momentanen wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht mehr attraktiv ist. Dennoch betont Ørsted, dass es weiterhin Möglichkeiten für künftige Entwicklungen prüft, wobei Faktoren wie Rechte am Meeresgrund, Netzanschlüsse und behördliche Genehmigungen weiterhin eine Rolle spielen könnten. Die finanziellen Konsequenzen für Ørsted sind erheblich. Für das Jahr 2025 rechnet das Unternehmen mit Abbruchkosten zwischen 3,5 und 4,5 Milliarden Dänischen Kronen, was etwa 532 bis 683 Millionen US-Dollar entspricht.
Zudem wird eine Beeinträchtigung des Gewinns vor Zinsen, Steuern, Abschreibungen und Amortisation (EBITDA) von 3 bis 3,5 Milliarden Dänischen Kronen erwartet. Hierbei sind Wertminderungen von Offshore-Übertragungsanlagen und Vertragsstornierungsgebühren enthalten. Auch bereits aktivierte Baukosten in Höhe von 0,5 bis 1 Milliarde Dänischen Kronen werden abgeschrieben. Trotz dieser Belastungen bleibt die bisherige Gewinnprognose von Ørsted für 2025 unverändert, was auf das umfangreiche und diversifizierte Investitionsportfolio des Unternehmens zurückzuführen ist. Der CEO von Ørsted, Rasmus Errboe, betonte in seiner Stellungnahme die weiterhin bestehende Verpflichtung seines Unternehmens gegenüber der britischen Regierung und deren ambitionierten Zielen für den Ausbau der Offshore-Windenergie.
Er hob hervor, dass Ørsted jedoch bei der Kapitalvergabe eine strikte und wertorientierte Strategie verfolgt, die sicherstellen soll, dass Investitionen nachhaltig profitabel sind. Die Entscheidung, Hornsea 4 in seiner aktuellen Form nicht weiterzuverfolgen, sei das Ergebnis einer sorgfältigen Bewertung und soll langfristig dem Unternehmen und der Branche insgesamt zugutekommen. Dieser Schritt von Ørsted kann als Symptom einer grundlegenden Neubewertung der Offshore-Windbranche verstanden werden. Bis vor wenigen Jahren galt die Technologie als eines der sichersten und vielversprechendsten Modelle für die Energiewende, doch die jüngsten Preisanstiege und Lieferkettenprobleme zwingen derzeit zu mehr Vorsicht und wirtschaftlicher Strenge. Insbesondere das britische Marktumfeld steht unter Druck, denn mit den höheren Kapitalkosten und der gestiegenen Unsicherheit sind auch andere Projekte betroffen.
Die Subventionen im Rahmen des CfD-Systems werden ständig hinterfragt und mussten bereits angepasst werden, um eine Balance zwischen Marktanreizen und öffentlicher Finanzierung herzustellen. Die Zukunft der Offshore-Windenergie in Großbritannien bleibt trotzdem vielversprechend. Die Regierung hat weiterhin klare Ausbaustrategien formuliert und setzt auf langfristige Verbindlichkeiten, um Klimaziele zu erreichen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen zu reduzieren. Zusätzlich fördert sie Innovationen und Investitionen in neue Technologien wie schwimmende Windkraftanlagen, effizientere Turbinendesigns und verbesserte Netzintegration. Diese Entwicklungen könnten dazu beitragen, die Kosten zu senken und die Projektumsetzung zu erleichtern.
Auch die Integration von Offshore-Windparks in ein intelligentes Energiesystem mit Energiespeicherung und Wasserstoffproduktion wird als vielversprechende Option betrachtet. Die Entscheidung von Ørsted wirkt sich auch auf andere Akteure im Markt aus, die sich auf ähnliche Projekte vorbereiten. Es werden wahrscheinlich verstärkte Prüfungen und Risikoanalysen in der Projektplanung stattfinden, zudem ist eine engere Zusammenarbeit mit Zulieferern und Behörden erforderlich, um langfristige Lieferkettenstabilität zu gewährleisten. Investoren werden ebenfalls sorgfältiger auswählen und höhere Renditen für mögliche Risiken verlangen. Abschließend lässt sich sagen, dass die Einstellung von Hornsea 4 durch Ørsted nicht nur ein Einzelfall, sondern Ausdruck tiefgreifender Veränderungen und Herausforderungen in der Offshore-Windbranche ist.
Es ist zu erwarten, dass weitere Unternehmen ähnliche Entscheidungen treffen könnten, wenn sich Rahmenbedingungen nicht verbessern. Dennoch bleiben die Chancen für den Ausbau erneuerbarer Energien in der Nordsee groß, vor allem durch technologische Innovationen und eine verbesserte politische und wirtschaftliche Unterstützung. Die Balance zwischen ambitionierten Klimazielen, wirtschaftlicher Machbarkeit und technologischer Umsetzung wird entscheidend für den zukünftigen Erfolg der Offshore-Windenergie in Großbritannien und darüber hinaus sein.