Der Drei-Bände-Roman, auch als Drei-Deck-Roman bekannt, war im 19. Jahrhundert eine herausragende Erscheinung im Bereich der britischen Literatur. Er nahm eine zentrale Rolle in der besonderen Form der Veröffentlichung von Romanen ein und gilt als wichtiger Schritt in der Entwicklung des modernen Romans in westlichen Kulturen. Die Geschichte dieses Formats, seine Funktion und sein kultureller Einfluss spiegeln nicht nur die technischen und wirtschaftlichen Bedingungen des Buchmarktes jener Zeit wider, sondern auch die Erwartungshaltungen und das Leseverhalten der Gesellschaft. Ursprünge und Entwicklung des Drei-Bände-Romans lassen sich bis in das frühe 19.
Jahrhundert zurückverfolgen. Der Verleger Archibald Constable in Edinburgh gehörte zu den ersten, die dieses Format einsetzten und es erfolgreich für die Werke von Walter Scott nutzten. Besonders sein Roman Kenilworth aus dem Jahr 1821 etablierte den Drei-Bände-Roman als Standardform, die fast siebzig Jahre lang weitgehend unverändert blieb. Dabei handelte es sich nicht um eine Trilogie im modernen Sinne, sondern vielmehr um die Aufteilung eines Romans in drei physische Bände, die gemeinsam verkauft wurden. Der hohe Preis der Ausgaben war für den breiten Leserkreis kaum erschwinglich.
Einzelne Bände kosteten jeweils etwa zehn Schilling und sechs Pence, was zusammen eine Summe bedeutete, die halb so hoch war wie das wöchentliche Einkommen einer einfachen bürgerlichen Familie. Aufgrund dieser Kosten war es nicht üblich, die Bücher zu kaufen, sondern sie hauptsächlich aus sogenannten Leihbibliotheken zu entleihen. Charles Edward Mudie betrieb die bekannteste dieser Leihbibliotheken und hatte großen Einfluss auf den Buchmarkt und die Publikationspraktiken dieser Zeit. Die Bibliotheken kauften die drei Bände zu günstigeren Konditionen, verliehen sie jedoch für Jahresabonnements an eine Vielzahl von Lesern, wodurch sich ein wirtschaftliches Modell etablierte, das sowohl Verlage als auch Autoren ermöglichte, von vergleichsweise geringen Verkaufszahlen zu profitieren. Das Format war auch eng verbunden mit dem Erzählstil der viktorianischen Romane.
Oft zeichnete sich dieser durch komplexe Handlungsstränge aus, die sich in den letzten Bänden auflösten, indem Partner gefunden, Erbschaften verteilt und Konflikte beigelegt wurden. Diese dramaturgische Struktur passte perfekt zum Drei-Bände-Format, da jeder Band eine in sich abgeschlossene Phase der Handlung bot, zugleich aber die Neugier auf die weiteren Bände steigerte. Technisch gesehen wurden die drei Bände meistens in der Oktavgröße produziert, eine recht handliche Buchgröße, die dennoch genügend Raum für den umfangreichen Inhalt bot. Die Normalauflagen der Werke waren oft auf unter 1000 Exemplare begrenzt, die zum großen Teil schon vor Erscheinen an Leihbibliotheken verkauft wurden. Dies zeigte die Bedeutung der Leihbibliotheken als Hauptabsatzmarkt und die enge Beziehung zwischen Verlagen und diesen Institutionen.
Die teure Produktion und das aufwändige Bindematerial trugen zusätzlich dazu bei, dass die Drei-Bände-Romane in Erstauflage großteils als Prestigeobjekte galten und nur wenigen zugänglich waren. Für die breite Öffentlichkeit erschienen die Werke später oft in Einbänden zu wesentlich günstigeren Preisen, teils als sogenannte "Yellowbacks", speziell für den Verkauf an Bahnhöfen und Reisetouristen konzipiert. Diese Zweitauflagen verbreiteten die Geschichten einem weitaus größeren Leserkreis und sorgten dafür, dass populäre Romane auch als Massenware in Umlauf kamen. Im Zuge des späten 19. Jahrhunderts begann der Einfluss der Drei-Bände-Romane zu schwinden.
Insbesondere im Jahr 1894 erfolgte ein Wendepunkt, als die großen Leihbibliotheken Mudie's und W.H. Smith ankündigten, nur noch deutlich geringere Preise für die beliebten Dreibände zu zahlen. Diese finanziellen Einschränkungen führten dazu, dass das Format schnell an Bedeutung verlor und Verlage zunehmend auf billigere Einbandausgaben setzten. Der Drei-Bände-Roman verschwand somit als Standardform graduell vom Markt und Vollständigkeit und Wirtschaftlichkeit rückten stärker in den Vordergrund.
Trotzdem blieb der Einfluss dieser Veröffentlichungsform in der Literaturgeschichte bedeutsam. Viele der großen viktorianischen Romanciers wie Wilkie Collins, George Eliot, Anthony Trollope und Charles Dickens veröffentlichten zunächst in besagtem dreibändigen Format, auch wenn einige ihrer Werke zuerst in Fortsetzungen in Zeitschriften erschienen. Der Drei-Bände-Roman wird daher oft mit der Blütezeit viktorianischer Literatur assoziiert. Außerhalb Großbritanniens wurde das Drei-Bände-Format weniger verbreitet, und Kolonialausgaben wurden üblicherweise in Einzelausgaben herausgegeben. In anderen Ländern setzte sich meist das Einbandsformat durch, was nicht zuletzt auch durch unterschiedliche Lesekulturen und ökonomische Rahmenbedingungen bedingt war.
Interessanterweise gibt es auch im 20. Jahrhundert noch vereinzelt Werke, die mehrbändig erschienen, etwa John Cowper Powys’ Romane oder der ikonische Fall von J.R.R. Tolkiens "Der Herr der Ringe", das bewusst in drei Bänden veröffentlicht wurde, obwohl Tolkien selbst ein zweiteiliges Werk angedacht hatte.
Auch moderne Autoren wie Haruki Murakami haben dieses Format genutzt, obwohl viele Übersetzungen die einzelnen Bände zu Einzelausgaben zusammenfassen. In literarischen Werken und Kritiken des 19. Jahrhunderts wurde der Drei-Bände-Roman oft thematisiert und auch satirisch kommentiert. Autoren wie Oscar Wilde äußerten sich kritisch bis humorvoll über die vermeintlichen Klischees und den Stil solcher Romane. Berühmte Romane wie Jane Austens "Stolz und Vorurteil" reflektieren indirekt das mehrbändige Format und die Verbreitung von Mehrteiler-Romanen zu jener Zeit.
Das Phänomen des Drei-Bände-Romans bietet heute wertvolle Einsichten in die Literaturgeschichte, Verlagswirtschaft und gesellschaftliche Lesegewohnheiten des 19. Jahrhunderts. Es illustriert die Wechselwirkung zwischen ökonomischen Zwängen und kulturellen Formen und zeigt, wie Format und Inhalt sich gegenseitig beeinflussen. Dabei verdeutlicht es ebenso, wie technologische, ökonomische und soziale Rahmenbedingungen die Entwicklung literarischer Formen vorantreiben können. Die Untersuchung des Drei-Bände-Romans regt dazu an, auch die heutige Buchkultur aus einer historischen Perspektive zu betrachten und die Dynamiken zwischen Produktion, Distribution und Rezeption kritisch zu hinterfragen.
Insbesondere in Zeiten digitaler Medien und veränderter Lesegewohnheiten sind solche Reflexionen über frühere Publikationspraktiken hilfreich, um aktuelle Entwicklungen besser zu verstehen und einzuordnen.