Im April 2025 erschien mit "Vitalik: An Ethereum Story" eine mit Spannung erwartete Dokumentation über Vitalik Buterin, den Mitbegründer von Ethereum, der als einer der einflussreichsten Köpfe in der Welt der Kryptowährungen gilt. Die Erwartungen an den Film waren hoch, vor allem weil die Regisseure Zach Ingrasci und Chris Temple scheinbar „unprecedented access“ zu Buterin hatten. Doch trotz dieser privilegierten Einblicke wirkt die Dokumentation für viele, insbesondere für jene mit mehr als oberflächlichem Interesse an Blockchain und Kryptowährungen, überraschend flach und verpasst zahlreiche Chancen, die Komplexität und Tragweite von Buterins Lebenswerk zu vermitteln. Die Porträtierung Vitalik Buterins als eine Art technisches Wunderkind, ein visionärer Entwickler und zugleich widerwilliger Anführer, ist durchaus gelungen. Der Film zeigt Einblicke in seine Kindheit, etwa seine fantasievolle „Encyclopedia of Bunnies“, die ein Gefühl für seine frühe kreative und intellektuelle Begabung vermittelt.
Solche persönlichen Episoden bringen dem Zuschauer eine menschliche Dimension nahe und verdeutlichen, dass Vitalik weit mehr ist als nur ein Gesicht hinter einer technischen Innovation. Dennoch wird der Film von Kritikern als zu hymnisch und beinahe heroisch betrachtet, ohne Zweifel oder Kontroversen wirklich auszuleuchten. Diese Zurückhaltung zeigt sich auch in der Darstellung der Entwicklung von Ethereum selbst. Zwar werden wichtige Meilensteine wie „The Merge“ im Jahr 2022, welcher den Energieverbrauch der Blockchain um 99% reduzierte, angerissen, doch die grundlegende Funktionsweise oder die technologische Bedeutung von Ethereum wird kaum verständlich erklärt. Für jene Zuschauer ohne Vorkenntnisse bleibt oft unklar, warum Ethereum als Blockchain überhaupt so revolutionär sein soll und wie es sich etwa von Bitcoin unterscheidet.
Für Krypto-Enthusiasten ist die chronologische Nacherzählung der Ethereum-Geschichte hingegen kaum neu oder tiefgehend genug. Ein zentrales Problem der Dokumentation ist ihr Versuch, Buterins Leben und die achtjährige Entwicklung von Ethereum in weniger als 90 Minuten abzubilden. Dabei entsteht eine fragmentarische Erzählweise, die zwar zahlreiche Ereignisse streift – von den Gründer-Streitigkeiten bis hin zu kontroversen Themen wie der Umweltbelastung durch Blockchains oder dem Einfluss sogenannter Degenerate Gambling-Plattformen im Krypto-Bereich – jedoch selten in die Tiefe geht. Eine stringente Geschichte, die die Dynamik und die dramatischen Konflikte im Ethereum-Ökosystem greifbar macht, bleibt aus. Beispielsweise bekommt die frühe Macht- und Richtungsdebatte innerhalb der Ethereum-Co-Founder einen kurzen, wenn auch dramatischen Auftritt.
Charles Hoskinson, der später Cardano gründete, wird im Film mit seinen kritischen Worten zu Ethereum als „Hippie-Kommune“ zitiert. Diese Szene vermittelt zwar die Spannweite der unterschiedlichen Visionen, gibt aber zu wenig Kontext darüber, wie diese Konflikte letztlich Ethereum formten und prägten. Ein weiterer Kritikpunkt betrifft den Versuch, die gesellschaftliche Relevanz und transformative Kraft von Ethereum darzustellen. Hier wird etwa das Projekt Ukraine DAO prominent gezeigt, das nach dem russischen Überfall auf die Ukraine mithilfe von NFTs binnen kürzester Zeit sieben Millionen US-Dollar sammelte. Doch der Film schafft es nicht überzeugend zu vermitteln, warum die Blockchain-Technologie für solche Initiativen zwingend notwendig ist.
Andere, konventionellere Spendemöglichkeiten bleiben unerwähnt, sodass die spezifische Rolle und der einzigartige Nutzen von Ethereum diffus bleiben. Dadurch wird die Chance verpasst, Laien die revolutionären Potenziale realer Anwendungsszenarien aufzuzeigen. Die Dokumentation lässt auch die jüngsten Entwicklungen und Herausforderungen im Ethereum-Universum fast unbehandelt. Vitalik Buterins Rolle und seine Stellung innerhalb der Ethereum Foundation und des weiteren Netzwerks werden nur am Rande erwähnt. Dabei ist Buterins zunehmende Frustration über interne Machtkämpfe und externe Kritik gerade heute ein zentrales Element für das Verständnis, wie solche Projekte hinter den Kulissen funktionieren.
Der Film endet mit Buterins Äußerungen bei einem Tech-Summit 2023, kurz bevor die Kryptowelt erneut durch massive Preisschwankungen erschüttert wurde und Debatten über die Zukunft von Ethereum und die Strategie der Foundation intensivierten. Auch die politischen und sozialen Dimensionen, wie Buterins deutliches Statement gegen den russischen Angriff auf die Ukraine oder seine Positionen zu Kryptowährungen als Instrumente der Freiheit und des Datenschutzes, werden thematisiert, allerdings oft nur oberflächlich. Die Regisseure zeigen zwar einen Moment auf dem Kyiv Tech Summit, der Buterin als solidarischen Unterstützer darstellt, doch die vegangen gesellschaftlichen und geopolitischen Spannungen, die die Blockchain-Technologie und deren Akteure heutzutage begleiten, bleiben ausgeblendet. Obwohl der Film auch die Schattenseiten der Blockchain-Welt nicht verschweigt – seien es Umweltdebatten, Betrugsfälle oder die Verwundbarkeit gegenüber Hackern – wirkt alles sehr wie ein Rückblick auf alte Streitigkeiten und Diskussionen. Die rasante Entwicklung des Sektors und die damit einhergehenden Veränderungen werden wenig berücksichtigt, was den Eindruck einer veralteten Sicht hinterlässt.
Gerade im schnelllebigen Kryptobereich ist ein Zeitsprung von zwei Jahren enorm und macht „Vitalik: An Ethereum Story“ für viele Krypto-Experten eher uninteressant. Am Ende bleibt die Dokumentation einerseits ein respektvoller Blick auf eine der schillerndsten Persönlichkeiten der digitalen Welt, der Vitalik Buterin als brillanten Programmierer und Visionär würdigt. Andererseits mangelt es dem Film deutlich an kritischer Tiefe, spannender Dramaturgie und vor allem an einer zugänglichen Darstellung dessen, was Ethereum technologisch und gesellschaftlich wirklich bedeutet. Die große Chance, Interesse und Verständnis für die Blockchain-Technologie bei einem mainstreamigen Publikum zu wecken und zugleich tiefgründiges Wissen zu vermitteln, wurde vertan. Für alle, die Vitalik Buterin und Ethereum besser verstehen wollen, lohnt sich die Dokumentation allein schon wegen einiger seltener Einblicke in Buterins Persönlichkeit und seiner Motivation.
Doch der Film setzt eher ein Zeichen der Bewunderung als eine analytische Auseinandersetzung und passt daher besser in die Kategorie einer einführenden Hommage als in die vieler erhoffte tiefgründige Entschlüsselung einer der wichtigsten technologischen Innovationen des 21. Jahrhunderts. Die digitale Revolution, die Ethereum anführt, verdient eine Erzählung, die ihre Komplexität, ihre Konflikte und ihr Potenzial mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Detailtiefe ausleuchtet. Im Jahr 2025 braucht es mehr als nur freundliche Porträts und Slalomfahrten durch die Geschichte. Auch Vitalik Buterin, ein Visionär inmitten von Technologie, Gesellschaft und Politik, hat mehr Facetten, als die Dokumentation zeigt.
Die Hoffnungen ruhen nun darauf, dass kommende Werke diese Lücken schließen und die Blockchain-Welt mit einer packenderen, fundierteren Story ihrem Publikum näherbringen.