Klarna, einer der führenden Anbieter im Bereich Buy-Now-Pay-Later, hat eine bedeutende Kursänderung in seiner Kundenservice-Strategie angekündigt. Nach einem Jahr, in dem das Unternehmen voll auf Künstliche Intelligenz (KI) gesetzt hat, um menschliche Kundenservice-Mitarbeiter zu ersetzen, kehrt Klarna nun wieder dazu zurück, verstärkt Menschen in den direkten Kundenkontakt einzubinden. Diese Entwicklung spiegelt eine immer wiederkehrende Erkenntnis wider: KI allein kann nicht alle Facetten des Kundenservices abdecken. Stattdessen ist die Kombination aus automatisierten Prozessen und menschlicher Einfühlsamkeit der Schlüssel zu einer nachhaltigen Kundenzufriedenheit. Im Folgenden erläutern wir die Hintergründe dieser richtungsweisenden Entscheidung, die technischen Aspekte der KI-Integration bei Klarna und warum gerade Empathie sowie Flexibilität im Kundenkontakt unverzichtbar bleiben.
Im Frühling 2024 hatte Klarna noch verkündet, mit Hilfe eines eigens entwickelten AI-Chatbots rund 2,3 Millionen Kundenanfragen im Monat zu bearbeiten – was rund zwei Drittel aller Chats ausmachte. Die durchschnittliche Lösungszeit der Anfragen lag bei weniger als zwei Minuten, was die enormen Effizienzvorteile der Technologie unterstrich. Aufgrund dieser positiven Kennzahlen schien die völlige Automatisierung des Kundenservices ein logischer Schritt, weshalb das Unternehmen Stellen abbauen und das Einstellungswachstum pausieren ließ. Doch trotz dieser beeindruckenden Zahlen wurde klar, dass nicht alle Anliegen und Situationen von KI gleich gut bewältigt werden können. Kundendienst lebt von Verständnis und dem richtigen Umgang mit Emotionen.
Gerade in komplexen oder sensiblen Fällen, bei denen ein Kunde Unzufriedenheit, Ängste oder Unsicherheit äußert, kann kein Algorithmus die Empathie und das Einfühlungsvermögen eines menschlichen Mitarbeiters ersetzen. Diese Erkenntnis zwang Klarna dazu, das Konzept der rein KI-gesteuerten Kundenbetreuung zu hinterfragen und zu adaptieren. "KI gibt uns Schnelligkeit, Talent vermittelt Empathie", bringt Klarna-Sprecherin Clare Nordstrom den neuen Ansatz auf den Punkt. Das Unternehmen verfolgt nun die Strategie, die beiden Kräfte zu kombinieren, um sowohl schnelle Abläufe als auch persönlichen Service zu garantieren. An der Spitze dieser Entwicklung steht Klarna-CEO Sebastian Siemiatkowski, der betont, wie wichtig es sei, Kunden jederzeit klar und transparent zu vermitteln, dass menschliche Ansprechpartner verfügbar sind.
Vor allem in einer Branche wie Buy-Now-Pay-Later, die mit sensiblen finanziellen Aspekten verbunden ist, schaffen menschliche Dienste Vertrauen und Sicherheit, die eine reine KI-Kommunikation kaum leisten kann. Klarna testet zurzeit ein innovatives Modell, das an die Arbeitsweise von Uber erinnert: Kundenservice-Mitarbeiter können remote und flexibel arbeiten und werden mit marktgerechter Bezahlung gelockt. Dieses Pilotprojekt richtet sich insbesondere an gutqualifizierte Studierende, Berufstätige oder Unternehmer, die nebenbei mit Klarna arbeiten möchten. Damit verbunden ist der Wunsch, bisherigen externen Dienstleistern den Rang abzulaufen und die interne Kundenservicequalität zu verbessern. Zugleich verspricht das Unternehmen, durch die Nähe der Mitarbeiter zum Produkt wertvolles Feedback in Echtzeit zu erhalten.
Experten aus der Forschung unterstützen diesen Kurswechsel. Julie Geller, Principal Research Director beim Info-Tech Research Group, erklärt, dass KI im Kundenservice vor allem Routineaufgaben automatisieren sollte, um die Effizienz zu steigern. Gleichzeitig müsse aber stets einen einfachen und zugänglichen Weg zur menschlichen Unterstützung existieren – besonders bei emotional aufgeladenen oder komplexen Anliegen. Dieses Zusammenspiel aus Mensch und Maschine wird als optimale Lösung gesehen, die Technologie als Werkzeug und den Menschen als Kernstück des Kundenerlebnisses. Dieser Paradigmenwechsel bei Klarna ist auch ein Spiegelbild größerer Trends im Bereich Kundenservice und KI-Einsatz.
Viele Unternehmen haben in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte bei der Automatisierung gemacht und dabei reduziert, wie viele Mitarbeiter im direkten Kundenkontakt benötigt werden. Doch die Ernüchterung folgte oft schnell: Kunden wollen nicht nur mechanische, standardisierte Antworten, sondern persönliche, nachvollziehbare und empathische Kommunikation. Zudem zeigen sich Limits bei KI-Systemen, wenn es um komplexe Problemstellungen oder unvorhergesehene Situationen geht. Im Kern zeigt Klarna damit, dass auch die fortschrittlichste AI nicht den individuellen Menschen und dessen Fähigkeiten ersetzen kann. Die Automation bleibt ein wichtiges Werkzeug, um Arbeitsprozesse zu beschleunigen und die Kundenzufriedenheit durch schnelle Antworten zu erhöhen.
Gleichzeitig ist es essenziell, durch qualifizierte Mitarbeitende ein sinnvolles, empathisches und flexibles Kundenerlebnis zu gewährleisten. Dieser Schritt ist auch für die weitere Entwicklung des Kaufen-jetzt-bezahlen-später-Marktes von Bedeutung. Gerade in einem sensiblen Finanzbereich mit oft komplexen Anfragen und individuellen Fällen ist der menschliche Faktor ein unverzichtbarer Bestandteil guter Geschäftsbeziehungen. Klarna zeigt durch diese strategische Wende, dass man die Balance zwischen Innovation und Kundenorientierung findet und an den tatsächlichen Bedürfnissen der Nutzer ausrichtet. Insgesamt macht die Entscheidung von Klarna deutlich, dass der reine Fokus auf KI-basierten Kundenservice nicht mehr länger zeitgemäß ist.