Vor der Küste Oregons, etwa 480 Kilometer entfernt von der Küstenstadt Astoria, liegt eine faszinierende geologische Formation, die sowohl für Vulkanologen als auch für Meeresbiologen von großer Bedeutung ist: der Axial Seamount. Dieser abgelegene Unterwasservulkan hat sich in den letzten Jahrzehnten als eines der spannendsten Forschungsgebiete im Ozean erwiesen. Zum einen steht er kurz vor einer erneuten Eruption, die ihn zum ersten Mal nach zehn Jahren wieder ausbrechen lassen könnte. Zum anderen fungiert er als ein Hotspot für das marine Leben in der Tiefsee, ein einzigartiges und komplexes Ökosystem, das sich rund um seine hydrothermalen Quellen gebildet hat. Der Axial Seamount befindet sich in rund einer Meile Tiefe unter der Meeresoberfläche und ist Teil der Juan-de-Fuca-Rücken, eines untermeerischen Gebirgssystems, das durch tektonische Aktivität geprägt ist.
Als aktiver Vulkan hat der Axial Seamount in den letzten 30 Jahren drei Mal ausgebrochen, zuletzt 2015. Wissenschaftliche Untersuchungen an diesem Vulkan sind maßgeblich, da sie dabei helfen, vulkanische Aktivitäten im Ozean besser zu verstehen und zeigen, wie das geologische Geschehen die Ökologie der Tiefsee beeinflusst. Obwohl die Entfernung zur Küste und die Tiefe des Vulkans dafür sorgen, dass ein Ausbruch kaum direkte Auswirkungen auf den Menschen haben wird, birgt die vulkanische Aktivität am Axial Seamount immense ökologische Bedeutung. Wenn die Magma aus der Erde dringt, erhöht sich der Druck unter dem Meeresboden und das umgebende Meerwasser wird vor Ort auf Temperaturen von über 700 Grad Fahrenheit (rund 370 Grad Celsius) erhitzt. Das extrem heiße Wasser durchströmt die porösen Vulkangesteine und nimmt dabei zahlreiche Mineralien und chemische Elemente auf.
An besonderen Rissen und Spalten werden diese mineralienreichen Flüssigkeiten als dunkler Rauch aus sogenannten hydrothermalen Quellen ausgestoßen. Diese Quellen ähneln unterseeischen heißen Quellen und bieten eine ganz eigene Umwelt, die von Wärme und chemischen Nährstoffen lebt. Die hydrothermalen Quellen bilden eine Grundlage für ein überraschend vielfältiges Ökosystem, das einzig und allein von der chemischen Energie lebt, die aus diesen Quellen stammt. Verschiedene Mikroben, welche in der Lage sind, chemische Reaktionen durchzuführen, gewinnen Energie, die sie für ihr eigenes Überleben nutzen können. Diese Mikroorganismen bilden wiederum die Basis der Nahrungskette und sind entweder Symbionten für größere Lebewesen oder dienen als Nahrungsquelle für diese.
Damit entsteht um die hydrothermalen Quellen herum ein völlig eigenständiges Lebensnetzwerk, das sich völlig unabhängig von Sonnenlicht und Photosynthese entwickelt hat. Faszinierend ist zudem die Vielfalt und Besonderheit der Tiere, die in dieser Umgebung zu finden sind. Bis zu tief in die Ozeanwelt vorgedrungene Arten, die sonst in der freien Meeresumgebung nicht vorkommen, haben sich hier etabliert. Forscher entdecken immer wieder bizarre und seltene Lebewesen, die sich auf die extremen Bedingungen der hydrothermalen Quellen spezialisiert haben. Einige von ihnen besitzen sogar symbiotische Beziehungen zu den chemieproduzierenden Mikroben, wodurch sie einzigartig an ihr Umfeld angepasst sind.
Beobachtungen und Erkundungen dieser Ökosysteme liefern wichtige Erkenntnisse über Anpassungsfähigkeit und biologische Vielfalt in extremen Lebensräumen. Der anstehende Ausbruch des Axial Seamount wirft auch für Wissenschaftler die Frage auf, wie sich das Ökosystem verändern wird. Typischerweise kann bei einem Vulkanausbruch ein Teil der hydrothermalen Quellen durch Lavastrom bedeckt werden, wodurch einige Lebensbereiche kurzzeitig zerstört werden. Doch die Natur demonstriert hier eine bemerkenswerte Widerstandsfähigkeit. Sobald die Magma in den Tiefen wieder aufsteigt und sich neue Risse öffnen, entstehen neue Quellen, und das Ökosystem kann sich rasch regenerieren.
Diese zyklischen Prozesse bieten Forschern einmalige Einblicke in die Dynamik unterseeischer Lebensräume und deren Anpassungsmöglichkeiten an sich immer wieder verändernde Umweltbedingungen. Die Überwachung des Axial Seamount erfolgt über eine Vielzahl von Messinstrumenten, die im Rahmen der Ocean Observatories Initiative (OOI) installiert wurden. Diese Initiative wird vom National Science Foundation finanziert und beinhaltet etwa 140 Sensoren und Geräte, die auf und um den Vulkan herum Kabel verlegt haben, welche sich von der Küste bis zum Meeresboden erstrecken. Mittels dieser Technologie beobachten Wissenschaftler kontinuierlich Druckveränderungen, Temperaturschwankungen und verschiedene geophysikalische Parameter, die Anzeichen für eine bevorstehende Eruption liefern können. Das stetige Auf- und Absteigen des Meeresbodens, vergleichbar mit der kurzzeitigen Aufblähung und dem Zusammenfallen eines Ballons, weist auf die Bewegung von Magma hin und liefert die Grundlage für Vorhersagen über die Ausbruchswahrscheinlichkeit.
Die Prognosen von Forschern wie Bill Chadwick, einem Forschungspartner der Oregon State University, basieren auf den zyklischen Mustern dieser seismischen und geologischen Veränderungen. Auch wenn die genaue zeitliche Einordnung eines Ausbruchs noch eine Herausforderung bleibt, haben sich vorangegangene Vorhersagen als teils erfolgreich erwiesen. Diese Erkenntnisse sind wertvoll, denn etwa 80 Prozent aller Vulkanausbrüche finden unter Wasser statt, dennoch ist das Verständnis und die Vorhersage dieser Ereignisse noch nicht weit genug fortgeschritten. Dadurch, dass der Axial Seamount in einer abgelegenen, tiefen Meeresregion liegt, sind Fehlalarme oder Irrtümer in den Prognosen kein Problem, die keine unmittelbaren wirtschaftlichen oder menschlichen Schäden verursachen. Das macht den Ort zu einem optimalen Forschungsfeld, um Methoden der Langzeitprognose für vulkanische Aktivitäten weiterzuentwickeln.
Langfristige Planung und kontinuierliche Beobachtung sind hier das A und O. Für das marine Ökosystem und die Wissenschaft bedeutet der Axial Seamount somit weit mehr als nur einen Vulkan. Er ist ein lebendiges Labor, das geologische Dynamik mit biologischer Vielfalt verbindet. Seine hydrothermalen Quellen zeigen, dass Leben in der Tiefsee auf unerwartete Weise gedeiht und dass Energiequellen abseits des Sonnenlichts existieren. Das Verständnis dieser Systeme leistet einen wertvollen Beitrag zum allgemeinen Wissen über ökologische Resilienz, Artenvielfalt und die komplexen Zusammenhänge in den Tiefen unserer Ozeane.
Darüber hinaus wirft die Erforschung solcher Lebensräume auch neue Fragen auf: Wie könnten ähnliche hydrothermale Systeme an anderen Stellen unserer Weltmeere zu finden sein? Und welche Rolle spielen sie möglicherweise in globalen biogeochemischen Kreisläufen und selbst im Ursprung des Lebens auf der Erde? Untersuchungen am Axial Seamount liefern wichtige Bausteine, um diese Antworten Schritt für Schritt zu entschlüsseln. Abschließend kann gesagt werden, dass der Unterwasservulkan Axial Seamount eine beeindruckende Verbindung von geologischer Kraft und biologischer Vielfalt darstellt. Trotz seiner potenziellen Gefahr durch einen bevorstehenden Ausbruch ist es vor allem sein Beitrag zur Erforschung und zum Schutz der einzigartigen Tiefseelandschaften, der ihn zu einem wahren Schatz der Wissenschaft macht. In einer Zeit, in der das Verständnis unserer Ozeane immer wichtiger wird, zeigt der Axial Seamount eindrucksvoll, dass die Tiefsee weit mehr als eine dunkle, unbekannte Welt ist – sie ist ein lebendiger, pulsierender Ort voller Wunder.