Seit Beginn der Rückkehr ins Büro (Return to Office, kurz RTO) nach den pandemiebedingten Homeoffice-Phasen hat sich eine neue Form der organisatorischen Schwierigkeit in Unternehmen etabliert, die als „Ghost Meetings“ bekannt ist. Diese sogenannten Spuk- oder Phantommeetings entstehen, wenn ein Meeting in einem Konferenzraum angesetzt wird, der Raum schon reserviert ist, aber niemand sich vor Ort einf findet. Die Teilnehmer arbeiten stattdessen von Zuhause oder anderen Orten, haben jedoch vergessen oder nicht daran gedacht, die Raumreservierung und Einladung entsprechend anzupassen. Das Ergebnis: ein leerer Raum, Ressourcenverschwendung und vor allem Frustration bei den Mitarbeitern, die sich im Büro befinden und auf Zusammenarbeit und Austausch hoffen. Dieses Problem zeigt exemplarisch die komplexen Herausforderungen hybrider Arbeitsmodelle.
Während die Flexibilisierung für viele Arbeitnehmer erwünscht und nötig ist, führt sie gleichzeitig zu neuen Koordinationsproblemen. Von modernen Büros erwartet man, dass sie Begegnungen fördern, Kreativität ermöglichen und Teamarbeit vorantreiben. Ghost Meetings erschweren genau das, da Konferenzräume blockiert sind, ohne genutzt zu werden. Mitarbeiter, die sich auf produktive Vor-Ort-Meetings gefreut haben, sind enttäuscht und hinterfragen zunehmend den Sinn ihrer Anwesenheit im Büro, wenn dann doch nur virtuelle Meetings stattfinden. Die moralische Komponente ist dabei nicht zu unterschätzen.
Mitarbeiter fühlen sich im wahrsten Sinne des Wortes an der Nase herumgeführt, wenn sie ins Büro kommen und feststellen, dass man lieber von Zuhause arbeitet – trotz bestehender verbindlicher RTO-Verpflichtungen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Ghost Meetings ebenfalls ein kostspieliges Phänomen. Die Infrastruktur von Bürogebäuden, also insbesondere der Raum für Meetings, hat seinen Preis. Werden Ressourcen wie Konferenzräume unproduktiv reserviert, entstehen unnötige Kosten, die sich durch bessere Planung und Steuerung einsparen ließen. Zudem leidet die Effizienz von Arbeitsabläufen, wenn Teams ihren Arbeitsplatz ständig wechseln müssen, weil Räume spontan blockiert sind.
Die Ursache liegt nicht nur in der menschlichen Nachlässigkeit bei der Anpassung von Kalendereinträgen. Ein wesentliches Problem ist auch der mangelnde Zugriff auf relevante Informationen innerhalb bestehender Kalender- und Raumverwaltungssysteme. Unternehmen sind häufig darauf angewiesen, dass Mitarbeiter ihre Arbeitsorte täglich oder zumindest regelmäßig in einem System hinterlegen. Erst dann wäre es möglich, anhand dieser Daten und der Teilnehmerlisten zu erkennen, ob ein Raum für ein Meeting tatsächlich benötigt wird. Doch in der Praxis ist die Aktualisierung von Arbeitsorten oft zu unregelmäßig oder ungenau, sodass man von den Systemen keine zuverlässige Aussage erwarten kann.
Hier kommt Google Calendar ins Spiel, die weitverbreitete Kalenderlösung vor allem in Unternehmen, die Google Workspace nutzen. Google verfügt theoretisch über alle relevanten Daten, um Ghost Meetings effizient zu verhindern: Die Software kennt die Meeting-Teilnehmer, kann auf deren angegebenen Arbeitsorte zugreifen und erkennt so, wenn beispielsweise alle Teilnehmer von Zuhause aus arbeiten. In einem solchen Fall müsste die Anwendung automatisch die Reservierung des physischen Konferenzraums stornieren oder zumindest den Gastgeber entsprechend informieren, sodass dieser die Einladung anpasst oder das Meeting ausschließlich virtuell durchführt. Die Realität sieht jedoch anders aus. Trotz der offensichtlichen Vorteile und sichtbaren Probleme wurde eine solche Funktion von Google bisher nicht implementiert.
Es hat sich seit Beginn der RTO-Welle vor etwa vier Jahren nichts Grundlegendes verändert. Ein möglicher Grund dieser Zurückhaltung könnte sein, dass Google intern selbst keine besseren RTO-Raten vorweisen möchte oder die personellen Ressourcen für die Entwicklung fehlen. Auch stehen möglicherweise der Datenschutz oder technische Komplexitäten der Integration entgegen. Eine weitere Hoffnung liegt auf kommende Technologien wie die Google Gemini KI, die solche Prozesse automatisiert optimieren könnten – bislang bleibt das jedoch Spekulation. Was bedeutet das für Unternehmen, die das Ghost Meeting-Problem lösen wollen? Die gute Nachricht ist, dass Google seine Workspace-Kunden theoretisch mit Programmierschnittstellen (APIs) und Apps Script Tools empowern könnte, um solche Probleme selbst zu beheben.
Ein von einigen Unternehmen umgesetzter Workaround ist es beispielsweise, eigene Skripte zu schreiben, die vor Beginn eines Meetings die Arbeitsortdaten aller Teilnehmer abfragen. Wenn das Skript feststellt, dass alle Teilnehmer als Homeoffice markiert sind, löscht es automatisiert die Raumbuchung. So ließen sich die meisten Ghost Meetings im Vorfeld vermeiden. Allerdings fehlt für eine solche Automatisierung noch eine elementare Voraussetzung: Aktuell stellt Google keine API zur Verfügung, mit der der Arbeitsort der Meeting-Teilnehmer zuverlässig abzurufen ist. Ein Feature Request, der vor knapp drei Jahren eingereicht wurde und eine Freigabe dieser Datenquellen fordert, blieb bisher unbeantwortet.
Bis heute kann der anhaltende Mangel an Transparenz und Datenzugang als Haupthemmnis für technische Lösungen gelten. Firmen, die auch ohne offizielle Unterstützung von Google auf eine sauberere Meeting-Kultur und bessere Raumauslastung setzen möchten, sind daher auf individuelle Maßnahmen angewiesen. Dazu zählt nicht nur die Sensibilisierung der Mitarbeiter, ihre Kalender und Arbeitsorte korrekt zu pflegen, sondern auch die Entwicklung maßgeschneiderter Scripts innerhalb der eigenen IT-Abteilungen. Die Digitalisierung und Automatisierung von Arbeitsprozessen bleibt hierbei eine vielversprechende Antwort auf die Herausforderungen hybrider Arbeit. Denn Ghost Meetings sind nur ein Beispiel dafür, wie althergebrachte Kalenderverwaltung und physische Raumreservierung an ihre Grenzen stoßen.
Effiziente Tools, die Echtzeitdaten von Anwesenheit, Arbeitsorten und Teampräferenzen erfassen und einbinden, sind unerlässlich, um den Spagat zwischen flexibler Arbeit und effektiver Präsenz im Büro zu meistern. Dieser Trend sollte Unternehmen, Software-Anbieter und Entwickler gleichermaßen motivieren, nicht nur über allgemeine Funktionen zu sprechen, sondern sich gezielt mit der Verknüpfung von Anwesenheitsdaten, Raumbuchungen und Meetingplanung auseinanderzusetzen. Google als einer der größten Anbieter sollte besonders engagiert sein, seine Produkte weiterzuentwickeln, um moderne Arbeitsweltprobleme anzugehen. Die Vorteile liegen auf der Hand: weniger Zeitverlust durch unnötige Raumbelegung, bessere Zufriedenheit der Mitarbeiter, optimierte Ressourcennutzung und letztlich eine produktivere Arbeitsumgebung. Gleichzeitig unterstützt eine solche Lösung auch Betriebsleiter und Facility Management, da sie verlässliche Daten zur tatsächlichen Raumbelegung erhalten und so besser planen können.
Ghost Meetings im Kontext der hybriden Arbeit sind daher mehr als nur ein Ärgernis. Sie sind ein Symptom für die noch nicht zu Ende gedachte Integration von Digitalisierung, Arbeitsorganisation und Mitarbeiterbedürfnissen. Eine praktische Lösung, die Google Calendar und deren APIs besser nutzt, könnte ein Game-Changer sein. Die Belegschaft wünscht sich mehr als nur eine virtuelle Einladung – sie möchte, dass Systeme smart, intuitiv und eigenständig agieren, damit das Büro von morgen nicht zu einer Geisterstadt wird. Für alle, die an diesem Thema interessiert sind, lohnt es sich, sich an Initiativen zum Einreichen und Unterstützen von Feature Requests bei Google zu beteiligen.