Die Welt der Physik steht vor einer faszinierenden Neuerung: Forscher des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben einen Supraleiter entdeckt, der zugleich als Magnet agiert – ein Phänomen, das bisher als ausgeschlossen galt. Diese Entdeckung stellt ein grundlegendes Verständnis in der Materialphysik auf den Kopf und könnte weitreichende Auswirkungen auf Technologie, Quantencomputer und Energielösungen haben. Besonders spannend ist, dass dieses Phänomen in gewöhnlichem Graphit – dem Material von Bleistiften – gefunden wurde. Supraleiter sind Materialien, die bei sehr niedrigen Temperaturen elektrischen Strom ohne jeglichen Widerstand leiten können. Seit der Entdeckung der Supraleitung im Jahr 1911 galt die Regel, dass Supraleiter magnetische Felder entweder abstoßen oder deren Wirkung zerstören können, was durch den berühmten Meissner-Effekt beschrieben wird.
Deshalb gelten Supraleitung und Magnetismus als gegensätzliche Eigenschaften, die in einem einzigen Material als unerträglich widersprüchlich galten. Die neuen Forschungsergebnisse des MIT widerlegen diese Vorstellung nun auf beeindruckende Weise. Herkömmliches Graphit besteht aus vielen übereinander geschichteten Graphenschichten, die normalerweise so angeordnet sind, dass sich jede zweite Schicht exakt ausrichtet. Dies verleiht dem Material seine bekannten Eigenschaften. Doch in seltenen Fällen finden sich Bereiche mit einer sogenannten rhomboedrischen Stapelung, bei der die einzelnen Graphenlagen versetzt wie eine Treppe angeordnet sind.
Es sind genau diese wenigen Schichten, in denen das MIT-Team außergewöhnliche Eigenschaften entdeckt hat. Die Forscher isolierten winzige Graphitflocken mit vier bis fünf Rhomboederschichten und kühlten diese auf extrem niedrige Temperaturen von etwa 300 Millikelvin. Unter diesen Bedingungen beobachten sie, dass die Proben supraleitend wurden – sie leiteten elektrischen Strom ohne Widerstand. Noch überraschender jedoch war die Tatsache, dass sich solche Proben bei Anlegen eines externen Magnetfelds zwischen zwei verschiedenen supraleitenden Zuständen hin- und herwechseln ließen, ähnlich wie Magnete ihre Polarisierung umkehren. Dieses Umschalten ist bei gewöhnlichen Supraleitern nicht möglich.
Dort führt zyklisches Anlegen eines Magnetfelds lediglich dazu, dass die Supraleitung unterbrochen oder gänzlich vernichtet wird, wenn ein kritischer Wert überschritten wird. Im Fall der Rhomboeder-Graphen zeigt sich aber eine intrinsische Magnetisierung innerhalb des Supraleiters selbst. Dieses bisher unbekannte Verhalten wurde von den Wissenschaftlern auf die besondere Anordnung der Elektronen in den Schichten zurückgeführt. Elektronen können sich in sogenannten Energie-Kegeln, die auch als „Täler“ (Valleys) bezeichnet werden, aufhalten und jeweils unterschiedliche Impulse und Drehungen besitzen. In klassischen Supraleitern bilden Elektronen-Paare (Cooper-Paare) einen Zustand mit insgesamt null Impuls, der keine magnetische Orientierung aufweist.
Im neuen Material scheinen sich jedoch alle Elektronen in einem einzigen Tal zu sammeln. Die daraus entstehenden Cooper-Paare tragen einen nicht verschwindenden Impuls und eine klar definierte Drehung. Dies verleiht dem supraleitenden Zustand eine sogenannte chirale Eigenschaft – eine magnetische Orientierung, die innerhalb des Materials selbst angelegt ist. Diese chiral-superleitende Phase ist insofern bemerkenswert, als dass sie einen neuen Typ von topologischem Supraleiter darstellt, der für eine robustere und fehlertolerantere Quanteninformationstechnologie prädestiniert sein könnte. In einem topologischen Supraleiter sind die elektronischen Zustände besonders stabil gegenüber äußeren Störungen, was eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung von Quantencomputern ist.
Die wissenschaftliche Bedeutung dieser Entdeckung liegt auch darin, dass sich die komplexen quantenphysikalischen Phänomene in einem vergleichsweise einfachen und gut erforschten Material wie Graphit manifestieren. Dies erleichtert einerseits das experimentelle Arbeiten, andererseits bietet es Theoretikern die Möglichkeit, die physikalischen Grundlagen dieser exotischen Zustände detailliert zu untersuchen. Zudem eröffnet die Kombination von Supraleitung und intrinsischem Magnetismus vollkommen neue Anwendungsfelder. Gerade im Bereich der Magnetoelektronik könnten solche Materialien Bausteine für wesentlich effizientere Bauelemente sein. So könnten künftig supraleitende Magnete entwickelt werden, die weniger Energieverlust erzeugen als bisherige Systeme.
Dies könnte die Realisierung von leistungsfähigeren Magnetresonanztomographen oder energieeffizienten Magnetspeichern ermöglichen. Ein weiterer Anwendungsbereich liegt in der Entwicklung von Quantencomputern. Die inhärente Robustheit von topologischen supraleitenden Zuständen würde es erlauben, Quantenbits (Qubits) zu erzeugen, die weniger anfällig für Dekohärenz sind. Dies ist ein zentraler Engpass in der heutigen Quantencomputertechnologie. Die Entdeckung wirft jedoch auch neue Fragen auf.
Welche genauen Mechanismen führen zum Zusammenspiel von Supraleitung und Magnetismus in Rhomboeder-Graphen? Wie lässt sich das Material bei vergleichsweise hohen Temperaturen zum Supraleiter machen? Und welche weiteren Materialien könnten ähnliche Eigenschaften aufweisen? Diese offenen Forschungsfragen laden zur intensiven weiteren Untersuchung ein. Das Team um Physikprofessor Liang Fu hat bereits angekündigt, die Erforschung dieses Systems intensiv fortzusetzen. Insbesondere soll untersucht werden, wie sich die Eigenschaften durch gezielte Veränderung der Stapelungswinkel und der äußeren Einflüsse steuern lassen. Solche Erkenntnisse könnten zur gezielten Entwicklung von maßgeschneiderten Materialien mit neuen Quantenphänomenen führen. Die Tatsache, dass für die Herstellung dieser supraleitenden Magneten lediglich gewöhnliches Graphit und eine präzise Stapelung von nur wenigen Graphenlagen benötigt werden, ist ein großer Vorteil gegenüber vielen anderen exotischen Materialien, die für Quantenanwendungen erforscht werden.
Dies macht den Weg frei für kostengünstigere und leichter zugängliche Materialien in der Zukunftstechnologie. Abschließend lässt sich festhalten, dass die Entdeckung eines magnetischen Supraleiters in einem ganz alltäglichen Material wie Graphit eine der aufregendsten Entwicklungen der modernen Physik darstellt. Dieses neuartige Material vereint Eigenschaften, die bislang als unvereinbar galten, und öffnet damit Tür und Tor für neue Forschungsfelder und technische Innovationen. Die Art und Weise, wie sich die Elektronen in Rhomboeder-Graphen zusammenfinden, um magnetische Cooper-Paare zu bilden, könnte nicht nur unser Verständnis von Materie in der Quantenwelt revolutionieren, sondern auch die Grundlage für eine neue Generation von Geräten und Anwendungen legen – von hocheffizienter Energieübertragung über innovative medizinische Technologien bis hin zu stabileren und leistungsfähigeren Quantencomputern. Das Potenzial für zukünftige Entdeckungen und Technologien in dieser Richtung ist enorm.
Die laufenden Studien am MIT und den beteiligten Forschungseinrichtungen weltweit werden mit Sicherheit spannende weitere Erkenntnisse bringen und den Weg in eine neue Ära der Materialwissenschaft und Quantenphysik ebnen.