Die zunehmende Popularität von Bitcoin als Bestandteil der Unternehmensfinanzen hat in den letzten Jahren weltweit für Aufsehen gesorgt. Besonders auffällig ist die Rolle von Unternehmen wie MicroStrategy, das sich unter der Führung von Michael Saylor zu einem der größten institutionellen Bitcoin-Halter entwickelt hat. Die ursprüngliche Strategie zielte darauf ab, Bitcoin als Wertaufbewahrungsmittel in Unternehmensbilanzen zu etablieren und damit nicht nur der Volatilität traditioneller Märkte zu entgehen, sondern auch langfristig von der potenziellen Wertsteigerung zu profitieren. Doch jüngste Entwicklungen zeigen, dass diese Strategie nicht ohne Herausforderungen ist: Mit der Einreichung einer Sammelklage gegen Strategy (ehemals MicroStrategy) stehen die Risiken von Unternehmens-Bitcoin-Tresoren vermehrt im Fokus der öffentlichen und regulatorischen Aufmerksamkeit. Die Klage vom 19.
Mai 2025 wirft Strategy vor, die Risiken ihrer Bitcoin-Investitionen verschwiegen und Anleger irreführend informiert zu haben. Im Zentrum der Vorwürfe steht der Umgang mit der Bewertung ihrer Bitcoin-Bestände im Rahmen des sogenannten Fair-Value-Accounting, das den Unternehmenswert in Abhängigkeit vom aktuellen Marktpreis der Kryptowährung bewertet. Dies führte im ersten Quartal 2025 zu einem nicht realisierten Verlust von 5,9 Milliarden US-Dollar, der im April zu einem signifikanten Kursrückgang der Aktien von Strategy führte. Anleger fühlen sich demnach darüber im Unklaren gelassen, welche Risiken mit der starken Abhängigkeit von Bitcoin verbunden sind, und werfen der Unternehmensführung gezielte Täuschung vor. Michael Saylor, der Vorstandsvorsitzende, Präsident und CEO Phong Le sowie der Finanzvorstand Andrew Kang stehen als Hauptbeschuldigte in dem Verfahren.
Die Kerndebatte dreht sich vor allem um die von Strategy propagierten Kennzahlen, insbesondere den sogenannten BTC Yield, der das Verhältnis des Bitcoin-Bestands zum ausstehenden Aktienkapital darstellt. Kritiker behaupten, dass diese Kennzahlen die volatilen Risiken der Kryptowährung unterschätzen und somit ein verzerrtes Bild der finanziellen Situation vermittelten. Dennoch hält das Unternehmen an seiner Bitcoin-Strategie fest und hat seit Mitte Mai 2025 weitere rund 7.390 Bitcoins im Wert von etwa 765 Millionen US-Dollar erworben, womit der Gesamtbestand über 576.000 BTC umfasst, die ursprünglich mit durchschnittlich etwa 69.
700 US-Dollar pro Coin eingekauft wurden. Der momentane Marktwert dieser Bestände liegt bei über 59 Milliarden US-Dollar, was einem unrealisierten Gewinn von beinahe 19,2 Milliarden US-Dollar beziehungsweise 47 Prozent entspricht. Diese Entwicklung zeigt sowohl den Risiko- als auch den Ertragsspielraum, der mit solchen Unternehmens-Bitcoin-Tresoren verbunden ist. Ein Großteil der Anleger sowie Marktanalysten beobachten die Situation mit Spannung, da die Sammelklage nicht nur die Zukunft von Strategy beeinflussen könnte, sondern auch einen Präzedenzfall für andere Firmen schaffen kann, die Bitcoin in großen Mengen halten oder künftig in ihre Unternehmensstrategien aufnehmen wollen. Prognosen von Research- und Brokerage-Firmen wie Bernstein deuten darauf hin, dass bis zum Jahr 2029 möglicherweise bis zu 330 Milliarden US-Dollar von öffentlichen Unternehmen in Bitcoin investiert werden könnten, was hauptsächlich durch Unternehmen geschuldet ist, die MicroStrategy als Vorbild nehmen.
Daten des Dienstleisters BitBO zeigen, dass derzeit mehr als 739.500 Bitcoins, mit einem Wert von über 68 Milliarden US-Dollar, in den Tresoren von börsennotierten Unternehmen lagern. Doch die juristische Unsicherheit und die steigende regulatorische Kontrolle könnten diese Entwicklung bremsen oder zumindest neu definieren. Die juristischen Analysten und Kommentatoren sind gespalten, wie dieser Fall ausgehen wird. Einige sehen in der Klage einen bedeutenden Testfall, der die rechtlichen Grenzen der Integration von Kryptowährungen in unternehmerische Bilanzen neu auslotet.
Vagada, ein anonymer Analyst auf X, formulierte, dass die Klage „nicht nur Michael Saylors Strategie prüft, sondern das juristische Spielfeld für die gesamte Unternehmens-Bitcoin-Adoption“ und damit den Weg für künftige regulatorische Maßnahmen ebnen könnte. Gleichwohl wird die Klage von anderen Fachleuten als unbegründet angesehen. Beispielsweise wies der Entwickler 0xngmi von DeFiLlama darauf hin, dass es offensichtlich sei, dass ein Unternehmen, das sich selbst als „Hebel auf Bitcoin“ positioniert, für die inhärente Volatilität des Marktes anfällig ist. Er betonte, dass Anleger sich dieser Risiken bewusst sein müssten und dass es keinen rechtlichen Grund gebe, Strategy für den Verlust verantwortlich zu machen, der durch fallende Bitcoin-Preise entstanden sei. Die Diskussion reicht jedoch über den konkreten Fall hinaus und wirft grundlegende Fragen auf.
Die Bilanzierung von Kryptowährungen in Unternehmen stellt viele Finanzabteilungen vor komplexe Herausforderungen. Während traditionelle Vermögenswerte meist relativ stabile Bewertungen haben, schwankt der Preis von Bitcoin und anderen Kryptowährungen stark und schnell. Dies führt zu Unsicherheiten bei der Bewertung und Offenlegung. Fair-Value-Accounting ist hierbei ein umstrittenes Instrument, da es zwar einen realistischen Marktwert zum Bilanzstichtag widerspiegelt, jedoch regelmäßig zu erheblichen Schwankungen im ausgewiesenen Eigenkapital führt. Daraus resultieren nicht unerhebliche Auswirkungen auf Aktienkurse, Kreditratings und das Vertrauen der Investoren.
Unternehmen, die eine starke Bitcoin-Treasury-Strategie verfolgen, müssen somit sorgfältig abwägen, wie sie ihre Investitionen präsentieren, um sowohl regulatorische Anforderungen als auch die Erwartungen des Marktes zu erfüllen. Zudem offenbart sich der Einfluss großer institutioneller Investitionen auf den Kryptomarkt. Die Bewegung großer Bitcoin-Mengen durch Kauf oder Verkauf institutioneller Akteure beeinflusst die Preisstabilität und Liquidität merklich. Sollte eine breitere regulatorische Kontrolle in Richtung einer strikteren Offenlegungspflicht oder gar einer Beschränkung von Spekulationen durch Unternehmen greifen, könnte dies nicht nur die Strategien der Unternehmen verändern, sondern auch die Dynamik des gesamten Marktes beeinflussen. Andererseits erscheint die fortgesetzte Akquisition von Bitcoin durch Strategy trotz der Klage als ein Signal für das fortbestehende Vertrauen des Managements in die langfristigen Vorteile der Kryptowährung und die Anpassung der Strategie an Marktgegebenheiten.
Michael Saylor selbst postete am 18. Mai 2025 auf X, dass man „niemals auf jemanden setzen sollte, der orange Tinte wie aus einem Fass kauft“, womit er auf die kontinuierlichen Käufe anspielt. Die Reaktionen auf die Situation zeigen die Spaltung innerhalb der Anleger- und Fachwelt: Während einige die Risiken und die Bedeutung der aktuellen Klage hervorheben, sehen andere darin eine zu hohe Forderung gegenüber einem Unternehmen, das offen und transparent seine Bitcoin-Exponierung kommuniziert hat. Insgesamt symbolisiert der Fall MicroStrategy bzw. Strategy eine neue Ära für den institutionellen Umgang mit Kryptowährungen.
Er zeigt, dass mit steigenden Marktanteilen und gesteigertem öffentlichen Interesse auch die Einhaltung von Regulierung und Transparenzanforderungen wichtiger wird. Ob sich dabei die Risiken kontrollieren lassen und wie andere Unternehmen aus dieser Situation lernen, wird wesentlich dafür sein, ob Bitcoin als „Wertspeicher“ oder „digitales Gold“ in der Unternehmenswelt bestehen bleibt oder ob regulatorische Rückschläge das Wachstum hemmen werden. Die Entwicklungen in den nächsten Monaten und Jahren werden zeigen, wie sich die rechtlichen Rahmenbedingungen für Unternehmens-Bitcoin-Tresore entwickeln und ob die Strategie von Michael Saylor als Vorreiter weiterhin Bestand hat. Klar ist jedoch, dass Bitcoin in der Welt der Unternehmensfinanzen inzwischen deutlich mehr als ein spekulatives Asset ist – es ist ein Faktor, der maßgeblich die Strategie, Bewertung und das Vertrauen in die Unternehmen beeinflusst.