Gary Gensler, einst der Vorsitzende der US-Börsenaufsicht SEC, steht im Mittelpunkt einer intensiven Debatte über seine doppelte Haltung gegenüber Kryptowährungen. Während seiner Amtszeit führte Gensler eine strenge Kampagne gegen die Branche und leitete über 100 Durchsetzungsmaßnahmen ein, die Innovationen in den Vereinigten Staaten behinderten. Doch kürzlich enthüllte der ehemalige Vorsitzende des US-Komitees für Finanzdienstleistungen, Patrick McHenry, dass Gensler privat Kryptowährungen als „wertvoll“ ansah – eine erstaunliche Diskrepanz zu seinem öffentlichen Auftreten und den Maßnahmen, die er gegen die Kryptoindustrie ergriff. Diese Offenbarungen gewähren neue Einblicke in die komplexen politischen Druckverhältnisse und den Einfluss, den sie auf die Krypto-Regulierung in den USA hatten. Genslers private Unterstützung von Kryptowährungen widerspricht seinen öffentlichen Warnungen vor den Risiken für Investoren und der unnachgiebigen Kampagne, die viele als übermäßige Behinderung der Branche wahrnahmen.
McHenry bezeichnete diese Diskrepanz während eines Interviews auf dem „Crypto in America“-Podcast als Folge politischer Zwänge, denen Gensler als Regierungsbeamter und insbesondere bei seiner Bestätigung durch den Senat ausgesetzt war. Dieser politische Druck zwang ihn dazu, eine härtere Linie zu vertreten, obwohl er die Technologie hinter den digitalen Assets durchaus als zukunftsträchtig erkannte. Die Auswirkungen dieses paradoxen Verhaltens waren weitreichend. Während Gensler öffentlich strenge Maßnahmen und Warnungen veröffentlichte, stagnierte das Wachstum des US-Kryptomarkts. Die Unsicherheit über die Regulierungsrahmen führte dazu, dass viele Entwickler und Investoren sich zurückhielten, was den Vorteil gegenüber Ländern wie Europa und Asien schmälerte, die flexiblere und klarere Regeln für die Digitalisierung von Finanzinstrumenten schufen.
Laut PitchBook-Daten sank das US-Kryptoventure-Funding während Genslers Amtszeit um 38 Prozent, während andere Regionen einen signifikanten Aufschwung erlebten. Diese Zurückhaltung hatte mehrere Ursachen. Zum einen führten die harschen Maßnahmen vieler SEC-Enforcement-Teams, die oft kaum differenzierten Fällen nachgingen, zu einem Klima der Angst und Unsicherheit. Zum anderen bevorzugten große Finanzinstitute diesen Status quo, da eine übermäßige Regulierbarkeit und Skepsis gegenüber Krypto dazu beitrugen, ihr traditionelles Geschäftsmodell zu schützen und die Dominanz im Finanzsystem zu bewahren. Die Macht der Wall Street im politischen System machte Genslers harte Linie wahrscheinlich auch nachvollziehbar, wenn auch umstritten.
Trotz der restriktiven Haltung gelang es unter Genslers Leitung jedoch, einige bedeutende Fortschritte zu erzielen, die für den Krypto-Markt als Meilensteine gelten. So wurden im Jahr 2024 sowohl Spot Bitcoin ETFs als auch Spot Ether ETFs genehmigt. Diese Entscheidung markierte eine wichtige Öffnung gegenüber der Integration von Krypto in traditionelle Finanzmärkte und wurde als großer regulatorischer Erfolg gefeiert. Voraussetzung für die Genehmigung der ETFs war eine enge Überwachung der Handelsplätze und Markttransparenz, um Manipulationen zu verhindern. Diese Genehmigungen wurden weithin als pragmatischer Versuch verstanden, eine Balance zwischen Investorenschutz und Technologieinnovation herzustellen.
Die Tatsache, dass Gensler als SEC-Vorsitzender institutionelle Produkte genehmigte, gegen die er öffentlich streng vorging, verstärkte jedoch das Bild eines widersprüchlichen Leaderprofils. Eine derartige Ambivalenz offenbarte sich auch in den zahlreichen Ablehnungen anderer ETF-Anträge für exotischere oder weniger liquide Token, die nach Ansicht der Aufsicht weiterhin ein Risiko für Anleger darstellten. In der Folge dieser widersprüchlichen Signale entwickelte sich eine Art Regulierungsfluktuation, die oft als „Regulatory Whiplash“ bezeichnet wird. Diese Schwankungen erschwerten es Marktteilnehmern, fundierte Geschäftsstrategien zu entwickeln oder nachhaltige Innovationen voranzutreiben. Vor allem kleinere Unternehmen und Start-ups litten unter den permanenten Unsicherheiten und potenziell hohen Strafzahlungen, die durchaus existenzbedrohend sein konnten.
Die Kritik an Genslers Politik wurde von verschiedenen Seiten laut. Plattformen wie Coinbase unter der Leitung von Brian Armstrong drückten öffentlich ihre Unzufriedenheit aus und kündigten sogar an, die Zusammenarbeit mit Anwaltskanzleien zu beenden, die ehemalige SEC-Durchsetzungsexperten beschäftigten. Dies wurde als Reaktion auf was sie als „rechtswidrige Übergriffe“ im letzten SEC-Administration ansahen, verstanden. Ähnlich verhielt es sich bei Gemini, die sogar einen Einstellungsstopp für Absolventen des Massachusetts Institute of Technology (MIT) ankündigten, bis die Universität ihre Verbindung zu Gensler beendete. Angesichts der zunehmenden Kritik und der politischen Verschiebungen kündigte die SEC unter dem amtierenden Vorsitzenden Mark T.
Uyeda die Gründung einer speziellen Krypto-Arbeitsgruppe an. Diese Task Force hat die Aufgabe, klare und umfassende Regulierungsrahmen für digitale Vermögenswerte zu entwickeln. Durch den Einbezug von Branchenvertretern und die Förderung eines Dialogs sollen Unsicherheiten abgebaut und insbesondere sichere Standards für Registrierung, Offenlegung und Durchsetzung etabliert werden. Der kürzlich veranstaltete Roundtable mit dem neuen SEC-Vorsitzenden Paul Atkins betonte diese Ziele noch einmal nachdrücklich. Themen wie Tokenisierung und die Migration von Vermögenswerten auf Blockchain-basierte Systeme standen im Fokus.
Atkins versprach, klare Leitlinien für die Ausgabe, Verwahrung und den Handel von digitalen Assets zu schaffen und gleichzeitig den Missbrauch zu minimieren durch gezielte, nachvollziehbare Regulierung anstelle von sporadischer Durchsetzung. Parallel dazu gibt es politische Initiativen wie das FIT21-Gesetz, das versucht, die Zuständigkeit für wichtige digitale Token auf die Commodity Futures Trading Commission (CFTC) zu übertragen. Dieses Vorhaben wird kontrovers diskutiert, denn während die SEC vor möglichen „Regulierungslücken“ warnt, setzen Befürworter auf eine effizientere Aufsicht, die mehr Innovation begünstigen könnte. Dieses Spannungsfeld verdeutlicht die Herausforderungen, denen sich die USA auf dem Weg zu einer definierten Digitalwirtschaft stellen müssen. Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen ist klar, dass Genslers Vermächtnis als SEC-Vorsitzender ambivalent bleibt.
Er öffnete Türen für traditionelle Finanzakteure, sich stärker mit Krypto zu beschäftigen, allerdings um den Preis eines ausgebremsten Innovationsklimas, das durch Unsicherheit und politische Einflussnahme geprägt war. Die kommenden Jahre werden zeigen, ob die neuen Führungsansätze unter Uyeda und Atkins den dringend benötigten regulatorischen Klarheit und Innovationsförderung bringen können. Für die globale Wettbewerbsfähigkeit der USA im Bereich Blockchain und digitalen Assets ist ein ausgewogener, transparenter und technologisch fundierter Regulierungsrahmen entscheidend. Dieser muss Investoren schützen, Missbrauch verhindern und gleichzeitig die Pionierarbeit im digitalen Finanzwesen fördern. Die Erkenntnisse aus Genslers Amtszeit mahnen zur Vorsicht, aber auch zur aktiven Gestaltung der Zukunft, damit die USA nicht den Anschluss an dynamische Märkte in Europa und Asien verlieren.
Insgesamt zeigt die Enthüllung von Patrick McHenry, dass hinter der öffentlichen Fassade von Gary Genslers Politik weitaus komplexere Beweggründe und Konflikte standen. Die Balance zwischen politischem Kalkül, den Erwartungen des Finanzsektors und der tatsächlichen Innovationsförderung bleibt ein zentrales Thema in der Regulierung von Kryptowährungen. Die Öffentlichkeit und die Branche können nun hoffen, dass die neu formierten Behörden auf Basis dieser Erfahrungen eine konsistentere, transparentere und förderlichere Politik verfolgen werden.