Nvidia zählt seit Jahren zu den strahlenden Erfolgsgeschichten der Technologiebranche. Die Börsenperformance und die Geschäftszahlen des Unternehmens lesen sich wie aus dem Lehrbuch eines idealen Wachstumswerts. In den letzten zehn Jahren stieg der Aktienkurs um beeindruckende 33.430 Prozent, während der Umsatz mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate (CAGR) von 39 Prozent und das Ergebnis je Aktie (EPS) sogar mit 58 Prozent CAGR wuchsen. Diese Zahlen reflektieren die transformative Wirkung, die Nvidia durch Innovationen und strategische Fokussierung aufstrebender Märkte erzielt hat.
Doch trotz dieser herausragenden Entwicklung ist die Aktie 2025 deutlich gefallen und hat Anleger verunsichert. Die spannende Frage lautet daher: Handelt es sich bei Nvidia um einen unterbewerteten Wachstumswert oder ist die Aktie ein fallendes Messer, in das man vorsichtig investieren muss? Um diese Frage zu beantworten, ist es wichtig, sowohl die Wachstumsdynamik als auch die aktuellen Herausforderungen zu analysieren. Im Zentrum des Erfolgs von Nvidia standen zunächst vor allem die Grafikprozessoren (GPUs) für den Gaming-Markt. Diese GPUs fanden jedoch nicht nur unter Spielern Anklang, sondern wurden auch für professionelle Grafikbearbeitung und sogar Kryptowährungs-Mining verwendet. Die eigentliche Wachstumsstory nahm jedoch im letzten Jahrzehnt erst richtig Fahrt auf, als Nvidia die Datenzentrumssparte massiv ausbaute.
Mit dem explosionsartigen Aufstieg der generativen Künstlichen Intelligenz (KI) stiegen die Anforderungen an Rechenleistung dramatisch, und hier überzeugten Nvidias GPUs mit ihrer überlegenen Fähigkeit, KI-Berechnungen zu bewältigen. Dieser technologische Vorsprung führt dazu, dass viele der führenden KI-Unternehmen weltweit – einschließlich OpenAI, Microsoft und Googles Mutterkonzern Alphabet – auf Nvidia-Chips setzen. Nvidia wird so zum unverzichtbaren Zulieferer in einem Markt, der oft als „Goldrausch der KI“ bezeichnet wird. Die Aktie des Unternehmens spiegelt diese Bedeutung in ihrer Bewertung wider – doch das hat auch seine Tücken. Im laufenden Jahr 2025 verzeichnete die Aktie einen Rückgang von rund 23 Prozent.
Ausschlaggebend waren unter anderem geopolitische Unsicherheiten, wie die damals noch bestehenden Handelszölle der Trump-Administration, die sich auf Lieferketten und internationale Handelsbeziehungen auswirkten. Zudem machten sich makroökonomische Herausforderungen bemerkbar, die das Risiko an den Kapitalmärkten erhöhten und viele Anleger zur Vorsicht drängten. Die fundamentalen Kennzahlen von Nvidia sind jedoch keineswegs schwach. Im Geschäftsjahr 2025 stieg der Umsatz um äußerst kräftige 114 Prozent, während die bereinigte Bruttomarge um 1,7 Prozentpunkte auf 75,5 Prozent anstieg. Das bereinigte Ergebnis je Aktie legte sogar um 130 Prozent zu.
Besonders eindrucksvoll ist die Entwicklung im Datenzentrumsgeschäft: Hier wuchs der Umsatz um 142 Prozent auf 115 Milliarden US-Dollar und macht inzwischen 88 Prozent des Gesamtumsatzes aus. Trotz dieser beeindruckenden Wachstumsraten sind aus den Quartalsberichten auch erste Hinweise auf eine gewisse Sättigung und Abkühlung im Wachstum erkennbar. Im Jahresvergleich gehen die Wachstumsraten kontinuierlich zurück: Vom Ausreißer mit über 400 Prozent Wachstum im Datenzentrumssegment zum Jahresbeginn 2025 bis hin zu 93 Prozent Ende des Jahres. Auch die Bruttomarge zeigt eine Seitwärts- bis leicht rückläufige Tendenz, was auf gestiegene Kosten oder Margendruck hindeuten kann. Für das erste Quartal des Geschäftsjahres 2026 prognostiziert Nvidia ein weiterhin starkes Umsatzwachstum von 44 Prozent.
Die Marge soll dabei jedoch auf etwa 71 Prozent sinken – ein Zeichen dafür, dass kurzfristig Kostendruck zu Buche schlägt. Für das gesamte kommende Geschäftsjahr rechnen Analysten weiterhin mit robusten Wachstumsraten von 54 Prozent beim Umsatz und 48 Prozent beim Ergebnis je Aktie, gestützt durch kontinuierliches Wachstum im KI-Markt und die Markteinführung neuer Technologien wie der Blackwell-GPU-Generation. Die kritische Frage für Investoren lautet, ob diese Prognosen realistisch sind und ob die Aktie nach dem Kursrückgang nun eine attraktive Einstiegschance bietet. Hierbei muss man die nachfolgend genannten Faktoren abwägen: Die wachsende Dominanz Nvidias im KI-Segment spricht für eine nachhaltige Positionierung auf einem langfristig stark wachsenden Markt. KI-Anwendungen wie Chatbots, maschinelles Lernen und autonome Systeme benötigen enorme Rechenleistung, womit Nvidias spezialisierte GPUs nicht nur wettbewerbsfähig, sondern nahezu unverzichtbar sind.
Hinzu kommt, dass das Unternehmen seine Produktpalette stetig weiterentwickelt und neue Chips mit besserer Leistung und Effizienz produziert. An der Angebotsseite gibt es Indikatoren dafür, dass Nvidia seine Produktion hochfährt, um der hohen Nachfrage gerecht zu werden. Allerdings bergen exogene Faktoren Risiken. Die geopolitische Lage bleibt angespannt, besonders im Handelskonflikt zwischen den USA und China, einem wichtigen Absatzmarkt und Produktionsstandort. Handelsbarrieren und Lieferkettenprobleme könnten das Wachstum bremsen.
Auch die zunehmende Konkurrenz durch Unternehmen wie AMD, Intel oder spezialisierte KI-Chiphersteller wie Graphcore setzt Nvidia unter Druck. Zudem darf man die Frage nicht übersehen, ob das massive Wachstumstempo überhaupt nachhaltig ist oder ob sich eine Korrektur bei den hohen Bewertungen vollzieht. Der Begriff „fallendes Messer“ steht für Unternehmen, deren Aktienkurse stark fallen, ohne dass absehbar ist, wann eine Bodenbildung erreicht wird – was das Risiko von weiteren Verlusten für Anleger bedeutet. Trotz des gegenwärtigen Kursrückgangs bietet Nvidia, betrachtet man die Fundamentaldaten, keine klassische „fallendes Messer“-Situation. Der Rücksetzer hat vielmehr Teile der hohen Bewertung abgebaut und könnte für langfristige Investoren mit Schwerpunkt auf Wachstum attraktiv sein.
Um fundierte Kaufentscheidungen zu treffen, sollten Anleger jedoch beleuchten, wie viel von den Expansionspotentialen bereits eingepreist ist und wie sich marginale Margenschwächen auf den Gewinn auswirken können. Besonders wichtig ist dabei die Diversifizierung des Unternehmens. Zwar macht das Datenzentrumsgeschäft derzeit den Löwenanteil aus, gefolgt von Gaming und professioneller Grafik. Ein Fokus auf eine Branche erhöht jedoch die Abhängigkeit von deren Zyklizität. Man sollte beobachten, ob Nvidia sein Wachstumspotenzial in weiteren Bereichen erschließen kann, etwa in Automotive, bei KI-Software oder Edge-Computing.
Aus Sicht der technischen Analyse lässt sich die Aktie aktuell eher als „trendgebrochen“ bezeichnen, was kurzfristig für vermehrte Volatilität sorgen kann. Langfristig gesehen bleibt Nvidia mit seiner technologischen Führungsstellung in einem Wachstumsmarkt gut positioniert. Zusammenfassend kann Nvidia aktuell als ein Unternehmen mit einem starken, wenn auch verlangsamenden Wachstumspotential gesehen werden. Die Korrektur des Aktienkurses bietet eine potenzielle Einstiegsgelegenheit, allerdings ist Vorsicht vor überhasteten Entscheidungen geboten. Die Investition in Nvidia eignet sich besonders für Anleger mit einem mittelfristigen bis langfristigen Anlagehorizont, die Schwankungen aushalten können und an das disruptive Potenzial von KI und Hochleistungscomputern glauben.
Für Risikoaversionisten oder kurzfristig ausgerichtete Investoren könnten die Unsicherheiten im Markt jedoch Grund genug sein, eine Abwarteposition einzunehmen und weitere Entwicklungen abzuwarten. Letztlich lässt sich die Frage, ob Nvidia ein unterbewerteter Wachstumswert oder ein fallendes Messer ist, nicht pauschal beantworten. Vielmehr hängt die Einstufung individuell von der Risikobereitschaft, der Anlagestrategie und dem Vertrauen in die nachhaltige Marktführerschaft des Unternehmens ab. Mit Blick auf die fundamentalen Kennzahlen, die Positionierung im global expandierenden KI-Sektor und die technologische Innovationskraft verbleibt Nvidia ein spannendes Investmentthema mit erheblichen Chancen – allerdings eben auch mit erheblichen Herausforderungen und Risiken, die es sorgsam zu prüfen gilt.