Die weltweite Wirtschaft befindet sich in einem Zustand zunehmender Fragmentierung, der von vielen Experten als eine der größten Herausforderungen für die Finanzmärkte angesehen wird. Nicolai Tangen, der CEO des Norges Bank Investment Management, dem Manager des norwegischen Staatsfonds, der mit einem Volumen von 1,8 Billionen US-Dollar zu den größten institutionellen Investoren weltweit zählt, hat diese Problematik jüngst in einem Interview mit Reuters ausführlich erläutert. Seine Einschätzung dient als wichtiger Indikator für die Risiken, denen globale Investoren und Volkswirtschaften ausgesetzt sind. Die Gründe für die Fragmentierung der Weltwirtschaft sind vielfältig. Politische Spannungen zwischen den großen Wirtschaftsmächten wie den USA, China und der EU führen zu einer Blockbildung, die sich in Handelskriegen, Technologieausschlüssen und geopolitischen Konflikten äußert.
Der Begriff „Entkopplung“ beschreibt dabei den Prozess, in dem globale Lieferketten auseinanderfallen und sich Länder gezwungen sehen, ihre wirtschaftlichen Beziehungen neu zu ordnen oder zu begrenzen. Tangen sieht darin eine Entwicklungsrichtung, die mit erheblichen negativen Folgen verbunden ist. Die Konsequenzen einer solchen Fragmentierung wirken sich auf mehreren Ebenen aus. Zum einen verlangsamt sich das Wirtschaftswachstum, da Investitionen und Handel durch regulatorische und politische Hürden behindert werden. Zum anderen steigt der Inflationsdruck, was die Erholungsphase vieler Volkswirtschaften nach den pandemiebedingten Einbrüchen erschwert.
Die mit der Fragmentierung einhergehende Unsicherheit führt außerdem dazu, dass Unternehmen vorsichtiger agieren und weniger zukunftsorientierte Investitionsentscheidungen treffen. Der norwegische Staatsfonds, der im Durchschnitt 1,5 Prozent aller an den Börsen gelisteten Unternehmen weltweit hält und zudem in Anleihen, Immobilien und erneuerbare Energien investiert ist, nutzt umfassende Stresstests, um die Risiken solcher Szenarien besser einschätzen zu können. In einem solchen Szenario eines fragmentierten Weltmarkts droht dem Fonds ein Wertverlust von bis zu einem Drittel. Diese Prognose verdeutlicht, wie gravierend die Folgen für breit diversifizierte Portfolios sein können, wenn globale Kooperationen schwinden und Rivalitäten zunehmen. Die aktuelle Realität zeigt, dass wir uns verstärkt in einer Phase des „heißen Kriegs“, „kalten Kriegs“, Handels- sowie Technologiekonflikts befinden.
Diese Vielzahl an Reibungsflächen zwischen den Supermächten steigert die Differenzen und erschwert zugleich die Lösungsfindung auf internationaler Ebene. Die daraus resultierende Fragmentierung ist somit mehr als nur ein ökonomisches Problem, sondern auch eine politische Herausforderung, die weltweit zu spüren ist. Tangen betont, dass sich trotz der vielen Unsicherheiten die Märkte aktuell auf einem stabilen Niveau befinden, auch wenn sie volatil sind und die Stimmung schwankt. Interessanterweise haben sich die Aktienkurse im Jahresverlauf nahezu seitwärts bewegt, was auf eine abgewogene Einschätzung der Anleger schließen lässt. Unternehmen zeigen sich zunehmend zurückhaltend bei der Vorlage von Prognosen, was die zurückweichende Zuversicht in ein planbares Wirtschaftsumfeld widerspiegelt.
Welche Unternehmen sind in solch einem zerklüfteten Umfeld am widerstandsfähigsten? Laut Tangen sind es vor allem diejenigen, die Preisdruck erfolgreich abfedern können – entweder weil sie selbst die Preise anheben können, ohne Wettbewerbsnachteile befürchten zu müssen, oder weil sie über flexible Lieferketten verfügen, die schnell auf Veränderungen reagieren. Diese Resilienz ist in Zeiten von Handelszöllen, Sanktionen und Lieferengpässen besonders wertvoll und kann den Unterschied zwischen Erfolg und Misserfolg ausmachen. Interessanterweise verhält sich der norwegische Staatsfonds mittlerweile leicht untergewichtet gegenüber Aktien und insbesondere gegenüber dem Technologiesektor. Dies könnte als die vorsichtige Reaktion des Fonds auf die zunehmenden geopolitischen Spannungen und regulatorischen Eingriffe in der Tech-Branche interpretiert werden. Ein Blick auf die aktuelle Marktentwicklung bestätigt, dass Investoren verstärkt defensive Strategien bevorzugen und Wert auf nachhaltige, diversifizierte Anlagen legen.
Darüber hinaus stellt die Fragmentierung erhebliche Herausforderungen für den globalen Handel dar. Lieferketten, die in den letzten Jahrzehnten global verzahnt und optimiert wurden, sehen sich durch neue Handelsbarrieren und politische Restriktionen unter Druck. Unternehmen müssen ihre Strategien anpassen, um Risiken zu minimieren und gleichzeitig die Versorgung ihrer Märkte sicherzustellen. Dies erfordert nicht nur Flexibilität, sondern auch eine stärkere Diversifizierung der Bezugsquellen und Produktionsstandorte. Die Inflationsentwicklung ist ein weiterer kritischer Faktor, der eng mit der Fragmentierung verknüpft ist.
Die steigenden Kosten für Rohstoffe, Energie und Transport schlagen sich in höheren Produktionskosten nieder, die oft an die Endkunden weitergegeben werden. In einer fragmentierten Welt sind die Preisdruck-Mechanismen komplexer, da regionale Märkte unterschiedlich betroffen sind und unterschiedliche monetäre und fiskalpolitische Antworten erhalten. Zusätzlich belastet die fragmentierte Weltwirtschaft die politische Zusammenarbeit auf multilateraler Ebene. Internationale Institutionen und Handelsabkommen geraten unter Druck, da nationale Interessen stärker in den Vordergrund treten. Dies erschwert die Lösung globaler Probleme wie Klimawandel, Ressourcenknappheit und soziale Ungleichheit, die koordinierte Antworten erfordern.
Investoren und Unternehmen sollten sich daher darauf einstellen, in einem Umfeld zu operieren, das von hoher Unsicherheit und erhöhter Volatilität geprägt ist. Strategien zur Risikominderung, wie die Diversifikation über verschiedene Anlageklassen und Regionen hinweg, gewinnen an Bedeutung. Ebenso wichtig ist die stetige Beobachtung der geopolitischen Entwicklungen, um frühzeitig auf Veränderungen reagieren zu können. Abschließend zeigt die Einschätzung des CEOs des norwegischen Staatsfonds, dass eine fragmentierte Weltwirtschaft nicht nur temporäre Veränderungen mit sich bringt, sondern fundamentale Risiken für Kapitalmärkte und globale Wirtschaft darstellt. Die Fähigkeit von Unternehmen und Investoren, sich an diese neuen Rahmenbedingungen anzupassen, wird entscheidend sein, um langfristig erfolgreich zu bleiben.
Gerade in Zeiten großer Unsicherheiten kann eine gut durchdachte Strategie den Unterschied machen, ob man gestärkt aus der Krise hervorgeht oder erhebliche Verluste erleidet.