Indien steht an einem kritischen Punkt in seiner Auseinandersetzung mit Kryptowährungen, insbesondere Bitcoin. In einer bemerkenswerten Stellungnahme hat der Oberste Gerichtshof des Landes den Bitcoin-Handel mit einer „verfeinerten Form des Hawala“ verglichen, einem informellen und oft illegalen System für Geldtransfers, das traditionell für Geldwäsche und Steuerhinterziehung genutzt wird. Dieser Vergleich verdeutlicht die Besorgnis der Justiz über das Fehlen einer klaren und umfassenden Regulierung im Bereich der virtuellen Währungen und die damit verbundenen Risiken für Finanzstabilität und Rechtssicherheit. Das Hawala-System ist seit Jahrzehnten für seine Intransparenz und der damit verbundenen Möglichkeit der Geldwäsche bekannt. Indem der Gerichtshof Bitcoin mit diesem System in Verbindung bringt, weist er auf die potenzielle Verwendung von Kryptowährungen als Mittel zur Umgehung gesetzlicher Kontrollen hin.
Der Gerichtshof äußerte seine Kritik im Rahmen einer Anhörung über eine Kautionsanfrage im Fall Shailesh Babulal Bhatt, der im Zusammenhang mit illegalem Bitcoin-Handel inhaftiert ist. Dabei wurde nicht nur die mangelnde Regulierung, sondern auch das insgesamt zögerliche Verhalten der indischen Regierung angesprochen. Ein zentrales Problem bleibt die fehlende politische und regulatorische Klarheit. Obwohl Kryptowährungen nicht ausdrücklich verboten sind, verweist der Gerichtshof auf die schwammige Gesetzeslage. Die Reserve Bank of India (RBI) hatte zwar 2018 den Banken verboten, Dienstleistungen für Krypto-Unternehmen anzubieten, dieser Erlass wurde aber 2020 vom Obersten Gerichtshof aufgehoben.
Dennoch gibt es keine definitive Gesetzgebung, die den Handel, die Nutzung oder die Besteuerung von Kryptowährungen eindeutig reguliert. Die Unsicherheit führt zu einer Grauzone, die von verschiedenen Akteuren unterschiedlich interpretiert wird, was wiederum das Risiko für Verbraucher und Investoren erhöht. Die Richter kritisierten, dass seit Langem Aufforderungen an die Zentralregierung gerichtet wurden, endlich eine kohärente und umfassende Kryptowährungspolitik zu erlassen – bisher ohne Erfolg. Bereits im Februar 2022 hatte der Oberste Gerichtshof die Regierung aufgefordert, die Legalität des Bitcoin-Handels zu klären und einen Fahrplan für deren Regulierung vorzulegen. Doch zwei Jahre später befindet sich die Politik weiterhin in einem Stillstand.
Die Bundesregierung begründet ihre Zurückhaltung mit der Komplexität und den Risiken, die Kryptowährungen bergen. Insbesondere die Sorge, dass Krypto-Assets für Geldwäsche, Steuerhinterziehung und andere illegale Aktivitäten genutzt werden könnten, führt zu einer vorsichtigen Haltung. Dennoch hat Indien 2022 ein Steuermodell eingeführt, das Gewinne aus Kryptowährungsgeschäften mit 30 Prozent besteuert und einen Steuerabzug von 1 Prozent bei Transaktionen (TDS) vorsieht. Virtual Digital Assets (VDA) sind seit März 2023 auch Teil des Prevention of Money Laundering Act (PMLA), und einige große Krypto-Börsen haben sich bei der indischen Financial Intelligence Unit registriert. Trotz dieser Maßnahmen fehlt jedoch eine umfassende Gesetzesinitiative, die regulatorische Klarheit schafft.
Die Unsicherheit wirkt sich auf verschiedene Ebenen aus. Auf der einen Seite wächst die Beliebtheit von Kryptowährungen drastisch, besonders in ländlichen und nicht-metropolitanen Regionen Indiens. Junge Menschen, die mit stagnierenden Einkommensmöglichkeiten konfrontiert sind, sehen im Krypto-Handel für viele eine Chance zur finanziellen Verbesserung und zusätzlichen Einkommensquelle. Berichte zeigen, dass in Städten wie Jaipur, Pune oder Lucknow ein markanter Anstieg der Aktivitäten auf Krypto-Börsen zu verzeichnen ist. Zwischen Oktober und Dezember 2024 verdoppelte sich das Handelsvolumen auf den vier größten Plattformen des Landes auf 1,9 Milliarden US-Dollar.
Diese zunehmende Popularität steht im Kontrast zur Zurückhaltung der Behörden und institutionellen Akteure. Die fehlenden klaren Gesetze und Richtlinien führen nicht nur zur Verunsicherung potenzieller Investoren, sondern führen auch dazu, dass der Krypto-Sektor in Indien vielfach in einem rechtsfreien Raum operiert. Dies wiederum begünstigt betrügerische Praktiken und erschwert die Überwachung und Verfolgung rechtswidriger Aktivitäten. Im Fokus der Justiz steht vor allem die Notwendigkeit, einen Mittelweg zu finden: eine Regulierung, die den Schutz der Nutzer gewährleistet, ohne den innovativen Charakter der Blockchain-Technologie und Kryptowährungen zu ersticken. Das Fehlen einer klaren Gesetzgebung erschwert jedoch sogar das entscheidende Verständnis der rechtlichen Rahmenbedingungen, wie von Richtern eingeräumt wurde, die teilweise selbst nur begrenzte technologische Kenntnisse von Bitcoin und verwandten Technologien aufwiesen.
Die Rückmeldungen aus der Rechtsprechung und der Politik verdeutlichen, dass es bei Bitcoin und ähnlichen digitalen Assets nicht nur um technologischen Fortschritt, sondern auch um soziale und ökonomische Fragen geht. Krypto ist nicht nur ein Finanzinstrument, sondern auch ein Faktor für soziale Inklusion, wirtschaftliche Teilhabe und digitale Innovation. Daher ist ein regulatorischer Rahmen notwendig, der diese Dimensionen berücksichtigt, um sowohl Risiken zu minimieren als auch Potentiale zu fördern. Mit der nächsten Anhörung am 19. Mai 2025 bleibt die Zukunft von Bitcoin und digitalen Währungen in Indien weiterhin unsicher.