Die Welt der Embedded-Systeme und insbesondere von Plattformen wie dem Raspberry Pi eröffnet Entwicklern faszinierende Möglichkeiten, tief in die Hardware einzutauchen und eigene Betriebssystem-nahe Anwendungen zu schaffen. Traditionsgemäß dominieren Sprachen wie C und C++ den Bereich der Bare-Metal-Programmierung, also der Entwicklung ohne ein unterstützendes Betriebssystem. Doch die Fortschritte im Bereich der .NET-Technologien und insbesondere die Einführung von nativer Ahead-of-Time (AOT)-Kompilierung in .NET 7 ermöglichen es Entwicklerinnen und Entwicklern nun, auch mit C# in diesem herausfordernden Umfeld tätig zu werden.
Die Entwicklung eines bare-metal bootfähigen Spiels für den Raspberry Pi in C# ist nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern eine spannende Herausforderung, die Programmierung, Hardwarenähe und kreative Softwareentwicklung verbindet. Die folgenden Ausführungen geben einen tiefgehenden Einblick in die Voraussetzungen, das Vorgehen und die Besonderheiten dieser innovativen Herangehensweise. Das Herzstück dieses Projekts liegt in der Fähigkeit des .NET 7 SDK, C#-Code direkt in nativen Maschinencode zu übersetzen, ohne dass eine virtuelle Maschine zur Laufzeit notwendig ist. Dies macht es möglich, kleinste Programme zu entwickeln, bei denen jede Ausführungskomponente vollständig kontrolliert wird — ähnlich wie bei Programmen, die mit C++ erstellt werden.
Der entscheidende Unterschied besteht darin, dass die Programmierbarkeit von C# erhalten bleibt, gleichzeitig aber die Performance und der API-Zugang auf Firmware-Ebene möglich wird. Eine der größten Herausforderungen dabei war die Umgehung der Standard-.NET-Runtime, die normalerweise umfangreiche Funktionen für Garbage Collection, Threading und Exception Handling bereitstellt. Dieses Overhead ist jedoch in einer Bare-Metal-Umgebung unangebracht und ineffizient. Daher wurde ein spezieller Kompiler namens bflat entwickelt, der auf einer modifizierten Version des dotnet/runtime basiert.
Dieser Kompiler erlaubt die Auswahl verschiedener Laufzeitbibliotheken - von der vollständigen .NET-Standardbibliothek bis hin zu einer minimalen Implementierung namens zerolib oder komplett ohne Standardbibliothek. Damit lässt sich das Programm flexibel auf den Ressourcenbedarf und die Zielplattform anpassen. Das Konzept, eine grafische Anwendung als Bootloader auf dem Raspberry Pi zu starten, erfordert eine genaue Kenntnis des Bootprozesses moderner Systeme, insbesondere solcher, die auf UEFI (Unified Extensible Firmware Interface) setzen. UEFI ersetzt den klassischen BIOS-Ansatz und bietet einen umfangreicheren Satz an Funktionen, darunter Dateizugriff, Netzwerkunterstützung und eine modulare Schnittstelle zu Hardware-Komponenten.
Mit bflat kann durch entsprechende Flags in der Buildphase direkt ein UEFI-konformes EFI-Executable erzeugt werden, das ohne weiteres Betriebssystem direkt vom Bootloader geladen und ausgeführt wird. Der Schlüssel zum Aufbau des Spiels liegt in der Nutzung der EFI-Systemtabelle, die vom UEFI-Firmware beim Programmstart bereitgestellt wird. Diese Tabelle enthält eine Sammlung von Funktionszeigern zu diversen Diensten wie Konsolenein- und -ausgabe, Grafik, Speicherverwaltung und mehr. Über diese Schnittstellen kann das Programm direkt mit der Hardware interagieren und beispielsweise Pixel auf dem Bildschirm setzen oder Tastatureingaben auswerten. Grafische Darstellungen in UEFI-Umgebungen stellen eine besondere Herausforderung dar.
Während einfache Textausgaben gut über die vorgegebenen Protokolle abgewickelt werden können, erfordert das Rendern von Bildern und Spielfenstern einen Zugriff auf das Grafikausgabesystem des UEFI, namentlich das EFI_GRAPHICS_OUTPUT_PROTOCOL. Mit diesem Protokoll lässt sich der Bildschirm in verschiedenen Modi ansteuern und ein Framebuffer nutzen, in den Bilddaten direkt hineingeschrieben werden können. Diese Daten werden dann mit einer speziellen Blt-Funktion an den Videoausgang transferiert. Der tatsächliche Spielbildschirm wird in einem Puffer mit einer Auflösung von 640x480 Pixeln erzeugt, wobei jeder Pixel durch vier Bytes repräsentiert wird (rot, grün, blau und eine Polsterung). Im Hauptspielzyklus, einer Endlosschleife, prüft das Programm kontinuierlich auf Benutzereingaben über die bereitgestellten Console-APIs, aktualisiert das Spielfeld und rendert es anschließend in den Framebuffer.
Die Kombination von effizienten Schleifen, direkter Hardwarekommunikation und leichter C#-Syntax realisiert ein flüssiges Spielerlebnis auch ohne aufwändige Betriebssystemfunktionen. Für die Spielmechanik dient ein simpler Maze-Renderer, inspiriert von klassischen Spielen wie Wolfenstein 3D. Die zugrundeliegende Logik basiert auf Raycasting-Techniken, die Wände und Flure in einer Art pseudodreidimensionaler Perspektive darstellen. Diese Algorithmen wurden vom Entwickler von bewährten C++-Implementierungen inspiriert und in C# übersetzt. Dabei mussten einige Funktionen, beispielsweise mathematische Berechnungen wie Sinus und Kosinus, selbst neu implementiert werden, da zerolib keine Standard-Math-Klassen mitliefert.
Eine Annäherung mit Taylor-Reihen ermöglichte dennoch ausreichend präzise und performante Berechnungen. Diese komplexen technischen Details gepaart mit einem klaren Fokus auf Modularität und Offenheit machen das Projekt zu einer referenzwürdigen Lösung für Entwickler, die mit modernem C# auch in Low-Level-Umgebungen Fuß fassen möchten. Zudem zeigt dieses Konzept auf, wie die Grenzen zwischen moderner Hochsprachenprogrammierung und klassischer Embedded-Programmierung zunehmend verschwimmen und neue kreative Möglichkeiten eröffnet werden. Das Ergebnis ist ein bootfähiges Spiel, das auf UEFI-fähigen Plattformen wie dem Raspberry Pi läuft, ohne dass ein Betriebssystem gestartet werden muss. Die Verfügbarkeit des Quellcodes auf Plattformen wie GitHub ermöglicht anderen Entwicklern den direkten Einstieg in das Thema, weitere Experimente und auch die Entwicklung eigener Anwendungen auf dieser Basis.
Dies trägt maßgeblich zur Verbreitung und Verbesserung der Technologie bei. Insgesamt stellt die Entwicklung eines bare-metal bootfähigen Spiels in C# für den Raspberry Pi nicht nur einen technischen Meilenstein dar, sondern auch eine spannende Vision, wie moderne Anwendungsentwicklung aussehen kann. Die Nutzung von nativer AOT-Kompilierung, minimalen Laufzeitbibliotheken, sowie direkter Hardwarekommunikation über UEFI eröffnet ein neues Feld für kreative Projekte, die Leistung mit Komfort verbinden. Für Hobbyisten, Forscher und professionelle Entwickler gleichermaßen bietet dieser Ansatz einen exemplarischen Pfad in die Zukunft der Embedded-Gaming-Programmierung auf populären Plattformen.